Interbrigadist im Bataillon Tschapajew

veröffentlicht am: 20 Jul, 2016

KW29.2_3-16_cb_interview-marianne+ibarurri+beimlerEin Interview mit Marianne über einen Arbeiterjugendlichen in Spanien.

 

POSITION: Dein Vater ging als Kämpfer der Internationalen Brigaden nach Spanien. Wie kam er dazu, als junger Mann, bewaffnet, in einem fremden Land, gegen den Faschismus zu kämpfen?
Marianne: Mein Vater, Georg Hausladen, wurde 1918 geboren. 1933 wurde sein Vater, Anton Hausladen, als einer der ersten Kommunisten von den Faschisten nach Dachau gebracht. Seine Mutter, Kunigunde Hausladen, wurde in der Folgezeit mehrmals verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Georg Hausladen besuchte in dieser Zeit die Realschule in Fürth und war trotz seiner Jugend illegal an verantwortlicher Stelle für die KPD tätig. Mit 17 Jahren musste er vom Schulweg weg in die Schweiz emigrieren, weil seine Verhaftung drohte. Dort lebte er in Genf und war natürlich in die dortige kommunistische Bewegung eingebunden. Und als von der internationalen kommunistischen Bewegung ausgehend die Aufstellung von Internationalen Brigaden zum Kampf gegen die Faschisten in Spanien begann, war für ihn klar, dass er dort am wirkungsvollsten gegen die Faschisten, die in Deutschland Vater und Mutter eingesperrt hatten und die ihn seiner Schulbildung, Zukunft und Jugend beraubt hatten, kämpfen konnte. Die schweizerischen Genossen hielten ihn für zu jung, aber er setzte sich durch und war als 19jähriger einer der jüngsten Interbrigadisten im Bataillon Tschapajew. Er hat in Spanien aktiv mit der Waffe gekämpft und lag im Schützengraben, als die deutschen Tiefflieger kamen. In der Region Extremadura war er als Leutnant einer Partisaneneinheit eingesetzt und sie sabotierten dort u. a. Bahnlinien.

Bildschirmfoto 2016-07-19 um 12.23.46Wie verlief die politische Arbeit nach seiner Rückkehr und inwiefern war sie von den Kriegserfahrungen geprägt?
Marianne: Es war nicht einfach eine „Rückkehr“. Durch die Politik der „Nichteinmischung“ der West-Alliierten und durch die massive militärische Unterstützung der deutschen Hitler-Faschisten wurde letztendlich das faschistische Franco-Regime in Spanien installiert. Die deutschen Interbrigadisten wurden nach Frankreich gebracht und an die deutschen Faschisten ausgeliefert. Mein Vater kam ins Lager Vernet in Südfrankreich, wo sich außer Sand nichts befand und er monatelang an Hungerödemen litt. In Deutschland wurde er in verschiedenen Gefängnissen und Zuchthäusern gefangen gehalten. Inzwischen waren seine Eltern nach verschieden langen Aufenthalten in Dachau und Ravensbrück nach Tschechien zur Zwangsarbeit entlassen worden. Dorthin schickte man auch den Sohn. Erst nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus konnten alle drei wieder in ihre Heimat nach Fürth kommen. Mein Vater hatte während der Emigration und im Gefängnis durch Selbststudium verschiedene Sprachen gelernt (Spanisch, Französisch, Englisch und Russisch) und wurde so in Fürth von den Amerikanern als Dolmetscher eingesetzt. Natürlich war sein Hauptbestreben, einen Neuanfang im Trümmer-Deutschland mit sozialistischen Ideen und Idealen mitzugestalten. Die Zeit war reif und nicht nur Kommunisten, auch Sozialdemokraten, Liberale, Parteilose, Christen und viele andere Menschen, die aus den schlimmen Erfahrungen gelernt hatten, wollten: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Mit diesen Menschen in Fürth musste das tägliche Leben, sprich: Lebensmittel, Unterkünfte, öffentliche Verwaltung, Verkehrsmittel usw. organisiert werden. Mit der Wiederzulassung von Parteien in der Besatzungszone war natürlich der Aufbau der KPD und der kommunistischen Jugendorganisation FDJ das Hauptbetätigungsfeld meines Vaters.

Bildschirmfoto 2016-07-19 um 12.24.09Was für eine Rolle haben seine Erfahrungen und Erlebnisse auch für euch als Familie gespielt und haben sie auch dich beeinflusst?
Marianne: In der Familie wurde über eigene Erlebnisse fast nicht gesprochen. Weder von ihm noch von meiner Großmutter (den Großvater habe ich nicht gekannt, er starb 1949 an den Folgen der Folterungen durch die Nazis). Ich denke, in den 50er Jahren waren die bitteren Erlebnisse noch zu frisch und mein Vater und andere hatten mit dem Kampf um einen Neuaufbau im fortschrittlichen Sinne alle Hände und Köpfe voll zu tun. Außerdem war ich noch ein Kind (geboren 1947) und konnte nicht die Fragen stellen, die ich später hätte stellen können. Und als ich Alter und Kenntnisse hatte, um Fragen zu stellen, hatte ich schon meinen eigenen Platz in der kommunistischen Bewegung gefunden und hielt es mehr wie mein Vater: Der wichtigste Platz war außerhalb der Familie. Deshalb wurden die Gespräche, die „draußen“ geführt wurden, kaum in der Familie geführt. Leider! In unserer Familie wie in der Partei (KPD) galt: Nicht der Einzelne ist in seinem Erleben wichtig, sondern „die Sache“, d. h. die Erhaltung des Friedens, der Kampf gegen das schnelle Wiedererstarken der alten Nazis, die Frage der Wiedervereinigung, der Kampf gegen die Wiederbewaffnung, der Kampf gegen die atomare Aufrüstung, die Internationale Solidarität und viele andere Themen. Ich denke, was Kommunisten auszeichnet, ist die Zugewandtheit an die Zukunft. Das war nach Faschismus und Krieg ganz besonders von Nöten. Das Erlebte gab Kraft und Motivation, alles zu geben, um so etwas nie wieder geschehen zu lassen und ich denke, es war auch zur Bewältigung der Leiden des Einzelnen notwendig. Zum Anderen hatte gerade ein Spanienkämpfer die Kraft der internationalen Solidarität „am eigenen Leibe“ erlebt und das gab zusätzlich in hohem Maße Kraft und Motivation. Vor allem dieser Aspekt hat mich schon sehr früh erfasst und bis heute geleitet.

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren oder Dir erstmal eine Ausgabe zuschicken lassen. Schreib uns einfach eine Mail an position@sdaj.org

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Man kann heute bestenfalls erahnen, wie schwierig manche Situationen waren, in denen er sich befunden hat. Kannst du beurteilen, welche Rolle seine Weltanschauung beim Meistern vieler Aufgaben für ihn gespielt hat?
Marianne: Mein Vater ist in einem kommunistischen Elternhaus groß geworden. Als Arbeiterkind in den 20er Jahren lernte er, was Hunger und Not ist, weil der Vater aufgrund seiner Aktivitäten als kommunistischer Arbeiter, Betriebsrat und später KPD-Stadtrat in Fürth oft arbeitslos war, weil er in Fürth auf der schwarzen Liste der Unternehmer stand. Die Mutter organisierte die „Rote Hilfe“ für andere, ebenfalls arbeitslose, Familien und war auch Fabrikarbeiterin. So lernte er früh, was Solidarität ist, dass sie überlebenswichtig ist. Und er las. Marx, Engels, Lenin. Durch sie und durch seinen Vater lernte er auch, dass und was ein Arbeiterkind tun muss, um ein besseres Leben für sich und andere zu erreichen. So formte sich seine Weltanschauung. Seine Beteiligung am Kampf der Interbrigaden in Spanien war aus seinem Leben heraus eine logische Notwendigkeit. Genauso wie im Zentrum seiner politischen Arbeit stets das Ringen um Menschen mit unterschiedlicher politischer, religiöser oder weltanschaulicher Überzeugung stand, um sie für Aktionen und Bündnisse gegen Krieg und Faschismus zu gewinnen.

 

Die Fragen stellte Tatjana, Rostock

Dieser Artikel erschien in
POSITION #3/2016
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