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Entweder Demokrat oder Corona-Leugner?

veröffentlicht am: 5 Nov, 2020
Die Politik der Herrschenden spielt den „Corona-Rebellen“ in die Hände

Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ziehen weiterhin regelmäßig einige Hundert bis Tausende Menschen auf die Straßen verschiedener deutscher Städte. Die Gefahr, die von diesen Mobilisierungen für fortschrittliche Kräfte ausgeht, ist schwer zu kalkulieren, unterschätzt werden sollte sie jedoch nicht.

Wie hoch ist das Mobilisierungspotential?

Umfragen zu Folge lehnt der absolute Großteil der Bevölkerung die Proteste ab, vor allem die Arbeiterklasse scheint bisher kaum auf ihnen vertreten zu sein. Auf der anderen Seite beginnt die Verunsicherung vieler Menschen mit Fortschreiten der wirtschaftlichen Krise zuzunehmen. Mit großen Tönen zu Beginn der Pandemie verabschiedete „Rettungsprogramme“ der Regierenden haben sich für viele kleine Gewerbetreibende oder Kunstschaffende langfristig als Tropfen auf dem heißen Stein erwiesen. Angesichts fehlender sozialer Unterstützungsprogramme fühlen sich vor allem viele Eltern im Umgang mit den Einschränkungen überfordert. Auch ist das von den Herrschenden auf allen Kanälen verbreitete Märchen, ausschließlich das Corona-Virus sei verantwortlich dafür, dass in nahezu jedem großen Konzern massenhaft Arbeitsplätze vernichtet werden, nicht gerade dazu angetan, Verständnis für die Bekämpfungsmaßnahmen zu schaffen. Hinzu kommt, dass nicht nur der gesellschaftliche Hintergrund der Teilnehmenden unterschiedlich ist, auch die Einstellung zum Corona-Virus ist nicht einheitlich. Leugnen die meisten schlicht seine Existenz, verweisen andere lediglich auf die angeblich überschaubaren Todeszahlen, was letztlich auf die vom Grünen Boris Palmer zu Beginn der Pandemie verkündete Aussage hinausläuft, man rette ein paar todgeweihte Rentner, während „die Wirtschaft“ den Bach runterginge. Gerade diese Argumentation könnte im Rahmen der abzusehenden Zunahme von Verteilungskämpfen bei anhaltender Notwendigkeit pandemiebedingter Einschränkungen des Wirtschaftslebens auf offene Ohren stoßen, ist sie doch letztlich nur eine besonders krasse Ausprägung kapitalistischer Ellbogenmentalität.

Wie mit den Demos umgehen?

Die Zusammensetzung der Teilnehmenden ist weiterhin sehr unübersichtlich und von Stadt zu Stadt verschieden. Fakt ist aber, dass nahezu überall organisierte faschistische Kräfte versuchen, die Proteste und die wie auch immer gearteten Ängste der dort Zusammenkommenden als Anknüpfungspunkt für die Verbreitung ihrer Ideologie zu nutzen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die Herrschenden die Proteste dazu nutzen, die Bevölkerung für ihre Version der Pandemiebekämpfung, d.h. Abwälzen der Kosten auf die arbeitenden Menschen, einzuspannen. Gegen die Corona-Leugner müssten wir alle „unsere Demokratie“, „unsere Reichstagstreppe“ verteidigen, heißt es – wer die unsoziale Politik aus Kurzarbeit, Grundrechtseinschränkungen oder Geld fürs Militär statt Gesundheit als das entlarvt, was sie ist, nämlich Politik fürs Kapital, wird in die Ecke der Corona-Leugner gestellt. Besser könnten die Herrschenden diese letztlich nicht unterstützen, versuchen sie sich doch gern als die einzig verbliebene Opposition zu inszenieren.

Es gilt also, weder den „Corona-Rebellen“ die Straße, noch den Regierenden die Köpfe zu überlassen. Die vielerorts stattfindenden Gegendemonstrationen lokaler antifaschistischer Bündnisse können unter dieser Prämisse gute Anknüpfungspunkte darstellen.

Daniel, Trier

Dieser artikel erschien in der aktuellen Position, dem Magazin der SDAJ.

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