Die Liga der (außergewöhnlichen) Demokratien

veröffentlicht am: 20 Dez, 2008

Position 6 / 08: Kein Frieden mit der Nato.„Wenn die NATO sich erweitert, ist die Welt bereichert“ – Das neue Konzept der NATO

Seit 1991, also nach dem Wegfallen ihres bisherigen Hauptfeindes, des sozialistischen Lagers, hat die NATO eine längere Debatte über ihre strategische Ausrichtung durchgemacht. Diese Debatte schlug sich in den Dokumenten von Rom 1991, Riga 1996, Washington 1999, Prag 2007 und Bukarest 2008 nieder und lässt sich in aller Kürze so zusammenfassen:
Die weltweite Vorherrschaft des Westens soll gesichert werden durch überlegene militärische Technik und ihren Einsatz in Interventionskriegen, bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Das Ziel der NATO ist es dabei, sich als die globale Ordnungsmacht zu etablieren, die nicht nur Ressourcenkonflikte militärisch löst, sondern auch aktuelle globale Probleme, wie z.B. Klimawandel, Energieversorgungen, Immigrationsströme und Hungerkatastrophen.
Als neuer Feind der NATO wird – neben dem „globalen Terrorismus“ – immer mehr das zu einer selbstbewussteren Außenpolitik zurückgekehrte Russland ausgemacht. So erklärte der russische NATO-Botschafter Rogosin auf einer Tagung des NATO-Russland-Rates:“Ich würde gerne ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass von nun an Russland über eine neue Rolle verfügt. Von nun an werden wir uns in der Außenpolitik nur vom dem leiten lassen, was für uns nützlich ist“

Solche Äußerungen – wie auch die berühmte Rede Wladimir Putins auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2006 – sind den NATO-Ländern ein Dorn im Auge, da Russland als Bedrohung der von ihnen angestrebten Weltordnung angesehen wird. Ein weiteres Ziel der NATO ist daher die Eindämmung des russischen Einflusses, bzw. die militärische Einkreisung Russlands durch NATO-Staaten. Dieses Ziel wird vor allem von den USA vorangetrieben, etwa durch den Aufbau des sogenannten Raktenabwehrschirmes in Osteuropa, oder die angestrebte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens.
Die Politik der Eindämmung soll auch gegenüber China angewandt werden, während beispielsweise Indien aktiv in die NATO-Politik einbezogen werden soll. Insgesamt lässt sich sagen, dass es die Tendenz gibt, die transatlantische Orientierung des Bündnisses aufzugeben, zugunsten einer „Liga der Demokratien“ (wie der gescheiterte amerikanische Präsidentschaftskandidat John McCain es formulierte). In ein solches Bündnis sollen dann auch Staaten wie Australien, Neuseeland, Japan oder Israel aufgenommen werden. Frei nach dem vom US-Senator Lindsay Graham ausgesprochenen Motto: „Wenn die NATO sich erweitert, ist die Welt bereichert“. Diese Orientierung ist letztlich der Versuch einer endgültigen Militarisierung der internationalen Politik und der Ersetzung der UNO durch eine Militärorganisation, die sich selbst als ein Bündnis der „wahren“ Demokratien und der Freiheit im Kampf gegen den Terror inszeniert. Befürworter betonen, ein solches Bündnis wäre auch ohne UN-Mandat – und dann auch unabhängig von störenden russischen oder chinesischen Vetos – dazu legitimiert, Präventivkriege zu führen.
Diese Zielsetzung ist bereits Teil der laufenden Debatte über ein neues strategisches Konzept, das nach Wunsch des amtierenden Generalsekretärs des Bündnisses, Jaap de Hoop Scheffer, bereits bis zum Gipfel anlässlich des NATO-Geburtstages 2009, verabschiedet werden soll. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte jüngst ein neues Konzept für die NATO, da angesichts neuer „Bedrohungen“ und Herausforderungen Klarheit über die zu verfolgende Strategie nötig sei. Mit dieser geforderten strategischen Klarheit ist wohl vor allem die Ausrichtung der Linie der NATO im Sinne des deutschen Imperialismus gemeint, der beispielsweise im Bezug auf Russland durchaus andere Interessen vertritt als die USA und dementsprechend gegenüber Moskau gesprächsbereiter auftritt, oder aber, was die Entsendung neuer Bundeswehreinheiten nach Afghanistan angeht, die ja von den USA vehement eingefordert wird. Nun liegt es in der Natur eines Bündnisses imperialistischer Staaten, dass auch innerhalb dieses Bündnisses die Konkurrenz nicht aufhört. Dennoch ist die NATO immer noch ein wichtiges Instrument für diese Staaten, da sie mit ihm ihre gemeinsamen Interessen gegenüber Dritten – „Störern“ ihrer globalen Ordnung, wie dem Iran beispielsweise –  effektiver durchsetzen können.
Eher unstrittig scheint wohl die künftig noch stärkere Orientierung auf so genannte „Stabilisierungseinsätze“, also Besatzungsmissionen, zu sein. Das auf dem NATO-Gipfel in Riga verabschiedete Planungsdokument, das die Richtlinien für die Neufassung des Strategischen Konzeptes vorgibt,  Comprehensive Political Guidance (CPG), betont die  „wachsende Bedeutung von Stabilisierungsoperationen und die militärische Unterstützung von Wiederaufbaubemühungen im Anschluss an einen Konflikt.“ Eine ganz ähnliche Orientierung gab auch 2006 schon das Weißbuch der Bundeswehr, in dem es heißt: „Die Anstrengungen der NATO werden sich künftig stärker auf Stabilisierungseinsätze und militärische Unterstützung für die Wiederherstellung staatlicher Strukturen richten. Dabei kommt es zunehmend darauf an, alle der NATO zur Verfügung stehenden politischen und militärischen Instrumente und Kapazitäten koordiniert zu nutzen.“
Das neue NATO-Konzept wird wohl noch weiter gehen, und nicht nur eine besonders enge Verbindung von militärischen und politischen, sondern ganz allgemein zivilen Instrumenten in den Vordergrund stellen. Die zivil-militärische Zusammenarbeit, das heißt die Einbindung ziviler Organisationen in die militärische Besatzungspolitik soll noch stärker forciert werden. Diese Art der Kolonialverwaltung ist bereits in Afghanistan erprobt, ein generelles Besatzungs- und Aufstandsbekämpfungskonzept fehlt der NATO allerdings bislang. Die NATO-Außenminister haben aber die Ausarbeitung eines solchen Konzeptes beschlossen, das dann auch in das neue strategische Gesamtkonzept miteinfließen soll.
Ebenfalls eine Rolle in den Überlegungen für das neue Konzept dürften wohl Vorschläge spielen, die bislang eher weniger offensiv in die Öffentlichkeit getragen wurden. Es handelt sich dabei um Vorschläge, die fünf hochrangige NATO-Strategen im Januar 2008 veröffentlichten, unter ihnen  der frühere Oberkommandierende der Allianz, John Shalikashvili und der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärkomitees, Klaus Naumann. Diese Herren wollen künftig auch nukleare Präventivschläge nicht mehr ausschließen. Außerdem fordern sie, den Rahmen für die völkerrechtlich legale Anwendung militärischer Gewalt um das Instrument der humanitären Intervention (Responsibility to Protect) zu erweitern und derartige Kriege – wie seinerzeit am Beispiel des Angriffskriegs gegen Jugoslawien vorexerziert – auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates durchzuführen.
Die NATO schickt sich also an, sich auch ganz offiziell vom Etikett der „Verteidigungsallianz“ zu verabschieden und sich weltweit um „moralisch befähigte“ Staaten zu erweitern, mit dem Ziel auch weltweit Präventivkriege nach eigenem Gutdünken durchführen zu können, ohne Rücksichtsnahme auf UNO und Völkerrecht. Die Weichen dazu sollen auf der Konferenz im Frühjahr 2009 in Straßburg und Baden-Baden gestellt werden. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass die Pläne dieser Liga der außergewöhnlichen Demokraten nicht unwidersprochen bleiben!

Aus: Position 6/08: Kein Frieden mit der Nato

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