Frauenarbeit Kampf

Aufbrechen von traditionellen Geschlechterrollen – Wie der Kampf um Arbeitszeitverkürzung und Emanzipation zusammenhängen

veröffentlicht am: 2 Jul, 2023

Obwohl Frauen genauso viel zum Leben und Überleben der Gesellschaft beitragen, setzen sich bis heute immer wieder Rollenbilder durch. Nach diesen hätten Mädchen und Frauen eine natürliche Neigung zur Reproduktionsarbeit könnten deshalb ihren Beitrag nur putzend und mit Kind auf der Hüfte leisten. Mit der Aufklärung, dem aufkommenden Kapitalismus und der Industrialisierung wurden diese Ideen und Normen aber nicht radikal verändert und überwunden. Im Gegenteil – diesen Spaltpilz galt und gilt es immer noch seitens der Herrschenden gegen die Arbeiterklasse, also uns, einzusetzen.

 

Frauenarbeit damals

In Schulbüchern lernen wir, dass Frauen früher den Haushalt geschmissen und die Kinder erzogen haben, während die Männer im Blaumann morgens in die Fabrik rein, abends wieder raus sind und das Geld mit nach Hause gebracht haben. Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt aber, dass dieses fragwürdige Familienidyll ein bürgerlich-kapitalistisches war. Proletarische Frauen verkauften ihre Arbeitskraft in Fabriken und Manufakturen, arbeiteten als Haushaltsgehilfinnen, weil ein Gehalt nicht zum Überleben ausreichte. „Bereits 1875 arbeiteten rund eine Million Frauen in der Industrie, dies entsprach etwa 20 Prozent aller dort Beschäftigten“. Vor allem in der Textilindustrie, die eine der größten und wichtigsten Industrien des 19. Jahrhunderts und damit des aufstrebenden Kapitalismus war, waren sie besonders stark vertreten, aber auch in anderen, „klassisch männlichen“ Berufen, arbeiteten sie Schulter an Schulter mit lohnabhängigen Männern, sogar mit Kindern. Dabei wurden Frauen (und Kinder) gezielt als billigere und angeblich weniger qualifizierte Arbeitskraft eingesetzt. Gemessen am Gehalt der männlichen Kollegen erhielten Frauen nur 35 bis 50 Prozent des Lohns. Dieser Lohnunterschied, den es heute mit dem Unterschied von 19 Prozent immer noch gibt, bedeutet damals wie heute, dass Frauen von den Kapitalisten als Lohndrückerinnen eingesetzt werden. Konkret hieß es, dass das niedrigere Gehalt, das Frauen ausgezahlt wurde, die Profite maximierten und den Besserverdienenden eine Warnung sein sollte: Die Arbeit ließe sich auch für weniger Geld verrichten.

Und als ob das nicht genug wäre, galt die Reproduktionsarbeit in der gesamten Gesellschaft, also auch in der arbeitenden Klasse, als Frauensache. Der Tag war für Mädchen und Frauen nach 12 Stunden in der Fabrik nicht vorbei, sondern ging für viele von ihnen dann unentgeltlich weiter.

 

8 Stunden

8 Stunden schlafen, 8 Stunden arbeiten, 8 Stunden (Kinderbetreuung, Angehörige pflegen, Haushalt, Care-Arbeit) „Freizeit“. Der Kampf der ArbeiterInnen um den 8-StundenTag war nicht zuletzt ein kollektiver und erfolgreicher Kampf der Klasse um eine Arbeitszeitverkürzung. Die gewonnene Zeit verbessert bis heute die Situation aller Werktätigen und ist ein wichtiger Hebel im Klassenkampf. Die 8 Stunden Freizeit ermöglichten die ersten Schritte hin zu einer nicht gerechten, aber gerechteren Aufteilung von Sorge- und Reproduktionsarbeit zwischen Frauen und Männern.

Die langsame Angleichung von Männern und Frauen der letzten 70 Jahre wäre bei höheren Arbeitszeiten undenkbar. Nicht nur, weil alle mehr Zeit haben sich in Haushalt und Kin- dererziehung einzubringen, sondern auch, weil kürzere Arbeitszeit mehr Zeit für politi- sche Tätigkeiten bedeutet. Die Veränderung des Bewusstseins dieser Rollenbilder ist ein andauernder politischer Kampf. Das Mehr an Zeit nutzten und nutzen viele Menschen, um genau diese und andere gesellschaftliche Verhältnisse zu erkennen, sich zusammenzu- schließen und etwas dagegen zu tun.

In der Arbeitswelt tut sich gerade auch viel. Nur etwa die Hälfte der beschäftigten Frau- en arbeiten in Vollzeit. Sie sind nicht nur öfter in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, Teilzeit oder nicht sozialversicherungspflich- tigen Arbeitsverhältnissen und geraten da- durch in Altersarmut, sondern sind überwiegend in den „systemrelevanten“ Berufen in Deutschland beschäftigt.

 

 

Der Niedriglohnsektor

Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege, Erziehung – das sind dazu auch alles Berufe, die oft schlecht bezahlt sind. Hausarbeit und anderweitige Reproduktionsarbeit kommen heute wie damals noch obendrauf. Bereits vor Corona haben Frauen im Schnitt drei Mal mehr Sorgearbeit geleistet als Männer. Die erkämpften 8 Stunden für Freizeit gehen bei Frauen viel zu häufig für genau diese Arbeit drauf.

Umso wichtiger sind vor allem die Entlastungsbewegungen der letzten Jahre in diesen Berufen. Seien es die Entlastungskämpfe an den Krankenhäusern, die aktuellen Streiks der Lehrkräfte in Berlin, die für kleinere Klassen, mehr Personal und höhere Löhne oder die ErzieherInnen, die für Gesundheitstarifverträge kämpfen. Sie alle kämpfen für mehr als nur ein höheres Gehalt. Unsere Aufgabe als KommunistInnen ist es, die Arbeitszeitverkürzung einzubringen, wo das nicht der Fall ist. Denken wir alle drei Komponenten zusammen, die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, erreichen wir mit diesem Mittel eine Stärkung der Arbeiterklasse, denn wir trotzen den Kapitalisten und ihrem Staat mehr von dem Reichtum ab, den wir produzieren, und bauen so die Kapazitäten für Sorge- und Reproduktionsarbeit auf gesellschaftlicher Ebene aus. Diese und über den Kapitalismus hinausweisende Losungen wollen wir in diesen Auseinandersetzungen mit allen diskutieren und im Bewusstsein der Klasse verankern.

Dabei schüren wir keine Illusionen in den Kapitalismus. Die Fortschritte, die wir machen, werden uns immer wieder abgetrotzt werden, wenn wir sie nicht mit aller Kraft verteidigen. Denn Spaltungsmechanismen sind ein wichtiges Mittel zur Herrschaftssicherung und werden uns immer wieder begegnen. Auch werden wir die doppelte Unterdrückung der Frau nur im Sozialismus überwinden können und eine gerechte Verteilung von Sorge- und Reproduktionsarbeit erlangen, denn die Spaltung der Geschlechter wird so lange aufrechterhalten werden, wie die herrschenden Gedanken die Gedanken der Herrschenden sind.

 

Anne, Essen

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