Marxistischer Spickzettel: Die Weimarer Reichsverfassung – ein folgenschwerer Kompromiss

veröffentlicht am: 14 Aug, 2020

1918 endete der erste Weltkrieg. Im Geschichtsunterricht lernen wir oft, dass die politischen Entscheidungen der Herrschenden wohlwollend zum Ende des Krieges führten. Tatsächlich war es aber die Novemberrevolution, welche die Monarchie in ihrer bislang bestehenden Form stürzte. Obwohl absehbar war, dass das Deutsche Reich den Krieg nicht gewinnen würde, gaben die Herrschenden den Befehl, einen großen Teil der deutschen Truppen in ein weiteres Gefecht auf hoher See zu schicken. Die Bevölkerung, vor allem aber Teile der Armee wollten sich den tödlichen Befehlen der Herrschenden, welche bereits unzählige Todesopfer forderten, nicht mehr beugen. Es kam zum Matrosenaufstand, welcher die Novemberrevolution einleitete. Die Spaltung der Arbeiterbewegung durch die Mehrheit der Sozialdemokratie verhinderte allerdings, dass es zu einer grundlegenden Umwälzung der Eigentumsverhältnisse kam. Die Revolution scheiterte.
Die Debatte um die künftige Verfassung Deutschlands ist vor diesem Hintergrund zu betrachten. Es gab drei große politische Strömungen, die sie prägten. Die rechtskonservativen Parteien forderten die Rückkehr zur Monarchie. Die Anfang 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) strebte eine sozialistische Revolution an. Die bürgerliche Mitte, allen voran die SPD und die Zentrumspartei, orientierte auf eine Festschreibung von politischen Freiheiten bei grundlegender Beibehaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Die 1917 als Abspaltung von der SPD entstandene USPD schwankte zwischen den Positionen der KommunistInnen und denen der Sozialdemokratie, was schließlich zu ihrer Spaltung führte.
Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse wurden gesichert
Aufgrund der Novemberrevolution fanden sich demokratische Fortschritte, wie z.B. das hart erkämpfte Frauenwahlrecht, in der Weimarer Reichsverfassung wider. Zum ersten Mal war festgeschrieben, dass jeder und jede Deutsche ab dem 20. Lebensjahr an der Wahl des Reichstages, welcher sich für vier Jahre aus Abgeordneten der gewählten Parteien zusammensetzte, teilnehmen durfte. Auch der Reichspräsident wurde direkt vom Volk für sieben Jahre gewählt. Das Volk hatte außerdem per Volksentscheid die Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Das klingt doch erst einmal ganz gut. Doch wie demokratisch war die Weimarer Reichsverfassung wirklich?
Politisch war sie im Wesentlichen eine Absage an eine von der revolutionären Arbeiterbewegung geforderte Rätedemokratie, welche die Geschicke des Staates tatsächlich in die Hand der Bevölkerungsmehrheit gelegt hätte. Das ein Jahr später gesetzlich verankerte System von Betriebsräten war gegenüber dem Vorkriegszustand zwar immer noch ein Fortschritt, aber insgesamt kaum mehr als ein kümmerlicher Rest des Rätegedankens. Doch wesentlich für den Charakter der Verfassung und ihr Schicksal war vor allem die Sicherung kapitalistischer Produktionsverhältnisse durch Artikel 151, welcher das Wirtschaftsgeschehen regelte. Die wirtschaftliche Freiheit und das Recht auf Privateigentum des Einzelnen seien zu ,,schützen‘‘. Die Freiheit des Handels und des Gewerbes sollte durch die Reichsgesetzgebung gewährleistet werden. Trotz augenscheinlich mehr demokratischer Rechte manifestierte die Verfassung damit vor allem die wirtschaftlichen Profitinteressen der herrschenden Klasse.

Yannick

Dieser Artikel erscheint in der aktuellen Ausgabe der Position, dem Magazin der SDAJ.

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