Es gibt viel Geld im Land

veröffentlicht am: 11 Nov, 2018

 

In Russland soll das Renteneintrittsalter drastisch erhöht werden. Roman Kononenko vom kommunistischen Jugendverband Russland Komsomol hat uns dazu ein Interview gegeben:

 

Frage:  Wie funktioniert das russische Rentensystem?

Roman: Die arbeitenden Menschen zahlen Beiträge in die Rentenstiftung. Die Regierung sagt offiziell, dass jede Person, die jetzt arbeitet, für 1,7 Rentner bezahlt. Nach den wissenschaftlichen Berechnungen der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit Daten der russischen Statistikbehörde zahlt jeder Arbeiter jedoch für 2,3 Rentner. Es gibt also eine Differenz von 0,6, die irgendwo verschwindet. Das bedeutet, dass genug Geld vorhanden ist, um die Renten zu zahlen.

Frage: Aber die Putin-Regierung sagt, dass Geld nicht ausreichen wird, um die Renten in Zukunft zu zahlen. Stimmt das oder ist das nur ein Vorwand für den Angriff des Kapitals auf die Errungenschaften der Sowjetunion, wie in diesem Fall das Rentenalter?

Roman: Es stimmt nicht, dass es in Zukunft nicht genug Geld für die Renten gibt. Im Haushalt ist durchaus genug Geld vorhanden. Das kann man daran erkennen wie viel Geld für Großprojekte ausgegeben wird. Zum Beispiel die Stadien für die Weltmeisterschaft: Dies waren die teuersten Stadien, die hier je gebaut wurden. Es wurde alles getan, um einzelne „Schaufenster“ zu erschaffen, die das Bild eines offenen, entwickelten Landes zeigen. Wir können aber zum Beispiel auch sehen, dass die Regierungsbeamten einen luxuriösen Lebensstil pflegen. Es gibt also viel Geld im Land.

Frage: Der erste Vorschlag sah vor das Alter von Frauen von 55 auf 63 und von Männern von 60 auf 65 erhöhen. Im zweiten Vorschlag sollte das Alter von Frauen „nur“ auf 60 Jahre heraufgesetzt werden. Warum gab es diese Änderung?

Roman: Es war offensichtlich, dass der erste Vorschlag für Frauen zu diskriminierend war. Ich denke, dass es absichtlich gemacht wurde, damit sie später sagen können: „Okay, wir haben Sie gehört, wir haben Ihre Proteste gehört. Wir haben verstanden, dass es zu viel war. Jetzt bewegen wir uns auf Sie zu, wir erfüllen Ihre Forderung und jetzt erhöhen wir das Rentenalter der Frauen nur auf 60 Jahre.“

Frage: Stimmt es, dass mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters auch die Renten steigen werden?

Roman: Es ist wahr, dass die Renten steigen werden, aber die Steigerung ist so unbedeutend ist, dass wir sie nicht als Erhöhung betrachten können. Die Rente soll nach der Anhebung des Rentenalters um 1000 Rubel (ca. 12 Euro) pro Monat erhöht werden. Ist eine Steigerung um 12 Euro eine echte Steigerung? Ich denke es ist nicht so. Die Regierung und die Medien verweisen immer wieder auf diese Erhöhung, die aber keine ist.

Frage: Was ist die Position der KPRF zu dieser Frage? Wäre es möglich die Renten zu erhöhen, OHNE das Rentenalter anzuheben?

Roman: Wir sind natürlich gegen diese Reform. Die KPRF hat einen sehr klaren Vorschlag, wie eine Rentenerhöhung ohne Anhebung des Renteneintrittsalters möglich wäre: Erstens, die Verstaatlichung aller Mineralressourcen Russlands (Öl, Gas usw.). Nach der russischen Verfassung gehören alle Ressourcen dem Volk, tatsächlich gehören sie aber den Oligarchen, privaten Unternehmen und dem großen Kapital. Nur 35 oder 40% der Einnahmen aus Öl, Gas und anderen Ressourcen fließen in den Staatshaushalt. Der andere Teil geht an das große Kapital. Dies ist eine naheliegende Quelle, um Geld zu bekommen, nicht nur um die Renten zu erhöhen, sondern auch um viele andere soziale Probleme zu lösen. Dies ist der klare Vorschlag der KPRF. Eine andere einfache Maßnahme wäre ein staatliches Monopol für die Alkoholproduktion. In der Sowjetzeit waren etwa 40% des Budgets der UdSSR auf dieses staatliche Monopol für die Alkoholproduktion zurückzuführen. Russland ist ein Land mit einem hohen Alkoholkonsum. In der UdSSR war alles in den Händen des Staates: Produktion, Transport, Konservierung und Kommerzialisierung. Dies wäre eine weitere Quelle, um Geld zu bekommen um die Renten zu erhöhen.

 

Das Interview führte:

Max, Siegen

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