„Den Liebichs, Lederers und Bartschs einen Dämpfer verpassen.“

veröffentlicht am: 21 Mai, 2014

Warum Micha am 25. Mai DKP wählt

POSITION: Du warst mehr als 10 Jahre lang Mitglied der PDS bzw. der Linkspartei. Nachdem du im April dieses Jahres aus der Partei ausgetreten bist, rufst du nun zur Wahl der DKP bei den EU-Wahlen am 25. Mai auf. Warum wählst du diesmal die KommunistInnen?

Micha:

Weil ich glaube, dass die DKP bei dieser Wahl die einzige linke Kraft darstellt, die keine Illusionen in die EU verbreitet. Ich meine, man muss sich das mal vorstellen: An den Grenzen der Festung EUropa ertrinken die Geflüchteten, in Griechenland, Portugal, Spanien und anderswo jagt ein Sozialkürzungspaket das nächste und die Jugendarbeitslosigkeit steigt und steigt. In Athen sterben Leute, weil sie sich die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt nicht mehr leisten können, in Madrid stürzen sich Menschen in den Tod, weil ihnen die Zwangsräumung ihrer Wohnung droht. Nur für die Bankenrettung ist immer Geld vorhanden – indem man einfach die Allgemeinheit für deren Politik bezahlen lässt. Für die Banken und Konzerne lässt das vermeintliche Friedensprojekt EU außerdem weltweit Krieg führen, in Libyen und anderswo. Folgerichtig werden die einzelnen Mitgliedsstaaten im Rahmen der EU-Verträge ja auch zur immer weiteren Aufrüstung verpflichtet.

Die Linkspartei meint seit ihrem EU-Parteitag in Hamburg trotzdem, dass es sich bei der EU nicht um ein „neoliberales, militaristisches und weitgehend undemokratisches“ Projekt handelt. Die entsprechenden Passagen wurden ja auf Druck der Parteirechten aus dem Wahlprogramm gestrichen. Die DKP hingegen sagt ganz offen, dass diese EU ein Instrument für die Durchsetzung von Kapitalinteressen darstellt und dass sie in ih

rer jetzigen Form nicht reformierbar ist. Und sie verbindet diese grundsätzliche EU-Kritik mit der Perspektive eines solidarischen, antirassistischen, dem Frieden und dem Antifaschismus verpflichteten Europa. Sie macht aber deutlich, dass diese Perspektive eben nur mit einem Bruch mit den kapitalistischen Macht-und Eigentumsverhältnissen zu haben ist. Das so oft geforderte „andere“ Europa kann es nicht geben, wenn man es beim zaghaften „Rum-Reformieren“ im Rahmen des Kapitalismus belässt – diese Erkenntnis unterscheidet die DKP von der Linkspartei.

POSITION: War das auch der Grund für den Austritt aus deiner ehemaligen Partei?

Micha:

Zumindest hat das eine große Rolle gespielt. Auf dem EU-Parteitag in Hamburg haben sich ja diejenigen Kräfte durchgesetzt, die auf ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen hinarbeiten. Und da war es natürlich auch folgerichtig, dass die Linke nun keine grundsätzliche Kritik an der heute vor allem deutschen Machtinteressen dienenden EU mehr äußern soll. Ich halte das für fatal: Linke Politik kann in erste Linie dann etwas bewirken, wenn sie sie sich auf die Schaffung einer Gegenmacht konzentriert, wenn sie in die stattfindenden sozialen Kämpfe eingreift und dabei für eine demokratische Alternative zur Herrschaft der Banken und Monopole eintritt. Und der Ort, wo solche Kämpfe stattfinden, ist nicht in erster Linie das Parlament. Aber anstatt an den Arbeitsplätzen, in den Gewerkschaften, in den Schulen und anderswo für den Aufbau einer solchen Gegenmacht zu kämpfen, schielt man lieber auf ein paar Ministerposten und setzt alle Hoffnung in die Teilnahme an einer Regierung, die das bestehende kapitalistische Elend ein bisschen erträglicher machen soll. Den Konflikt zwischen diesen beiden Ansätzen gibt es in der Partei ja schon lange. Man denke dabei nur an die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg, wo die PDS und die Linke eine Politik des Sozialabbaus mitgetragen haben bzw. das immer noch tun. Und von der Zustimmung von fünf Abgeordneten zum Bundeswehreinsatz im Syrienkonflikt will ich jetzt mal gar nicht reden….

Auch die Spitzenkandidatin im EU-Wahlkampf, Gabi Zimmer, hat in der Vergangenheit mit unangenehmen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht: Sie wetterte im Chor der Rechten gegen die demokratischen Regierung Venezuelas unter Hugo Chávez und unterstützte 2007 eine Resolution des EU-Parlaments gegen das sozialistische Kuba.

POSITION: Glaubst du, die Linke ist jetzt nicht mehr zu retten?

Micha:

Na ja, das würde ich nun auch wieder nicht sagen. Es gibt dort ja immer noch etliche Genossinnen und Genossen, die für eine außerparlamentarisch orientierte, antikapitalistische Politik stehen –innerhalb der Bundestagsfraktion und erst recht an der Basis. Ich denke schon, dass dieses Land, dass diese Hegemonialmacht in Europa eine Partei braucht, die sich auch im Parlament ihren Kriegen, ihrem Demokratieabbau, ihrer wachsenden Aufrüstung nach Innen und nach Außen entgegenstellt. Und einige Abgeordnete dieser Partei tun dies ja nach wie vor. Die DKP kann diesen Platz (noch) nicht einnehmen, zu einer neuen linken Massenpartei hat sie ja noch einen weiten Weg vor sich. Auch finde ich in der DKP nicht alles toll und tadellos, dennoch finde ich es wichtig, dass es in diesem Land eine an der ArbeiterInnenklasse orientierte Partei mit einem klaren marxistischen Profil gibt. Wir brauchen eine Partei, die das kapitalistische Übel beim Namen nennt und die daran erinnert, dass es eben nicht gierige Zocker und Bankster sind, die einen an sich gut funktionierenden Kapitalismus ruinieren – sondern dass es der Kapitalismus selbst ist, der Armut, Elend, Krieg und Rassismus hervorbringt.

Ich denke auch, dass eine stärkere und lautere DKP in die Partei die Linke hineinwirken kann. Dass sie also Druck machen kann gegen eine weitere Rechtsentwicklung der PdL, und zwar indem sie zu einer echten politischen Alternative für immer mehr GenossInnen wird und sich die sogenannten „Reformer“ vor massenweisen Übertritten in die DKP fürchten müssen, wenn sie die Partei noch weiter in Richtung Sozialdemokratie schleifen wollen. Aber dafür muss die DKP deutlich stärker werden, als sie es jetzt ist. Auch deshalb sollten die WählerInnen der Linken sich diesmal für die DKP entscheiden und den Liebichs, Lederers und Bartschs in ihrer Partei einen kräftigen Dämpfer verpassen.

Micha, 29 aus Berlin ist Student und freier Journalist u.a. für die jungeWelt. Von 2003 bis April dieses Jahres war er PDS- und Linkspartei-Mitglied, von 2007-2009 außerdem Mitglied im LandessprecherInnenrat der Linksjugend.[’solid] Berlin. Heute ist Micha aktiv in der SDAJ

Das Interview führte

Jann, Essen

Diese Version des Interviews ist etwas gekürzt. Die Vollversion kannst du hier herunterladen:

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