Kriegsgefahr in der Ukraine

veröffentlicht am: 16 Mai, 2014

EU_Ukraine

Imperialistische Widersprüche spitzen sich zu

Am 22. Februar 2014 wurde der ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukuwytsch in Anwesenheit von bewaffneten Faschisten vom Parlament abgesetzt. Seitdem regiert in der Ukraine eine „nationale Front“ aus proeuropäischen, nationalistischen und faschistischen Kräften. Die Kräfte, die heute die Regierung in Kiew stellen, wurden schon vor dem Putsch durch die USA und die EU finanziert. Auch jetzt, nach dem Putsch, unterstützen EU und USA die neuen Machthaber, der IWF-Kredit für die Ukraine soll 17 Milliarden Dollar umfassen. Die Folgen des Putsches für die Bevölkerung der Ukraine sind verheerend: faschistische Gruppen patrouillieren durch die Straßen, fortschrittliche Kräfte werden angegriffen (so wurden z.B. mehrere Büros der kommunistischen Partei zerstört und besetzt) und Gesetze zum Schutz von Minderheiten wurden aufgehoben.

Ukraine vor dem wirtschaftlichen Aus

Schon vor dem Putsch steckte die ukrainische Wirtschaft in einer tiefen Krise, zusätzlich ist das Land hoch verschuldet. Armut und Arbeitslosigkeit stiegen, ebenso die Vermögen der Oligarchen, was einer der Gründe für die Proteste der Bevölkerung war, die dann von den Putschisten genutzt und vereinnahmt wurden.
Vor dem Putsch hatte der russische Staat die ukrainische Wirtschaft durch verbilligte Erdgaslieferungen massiv subventioniert und Milliardenkredite bewilligt. Diese Unterstützung fällt nun weg. Putin: „Die Europäische Union nutzt die Wirtschaft der Ukraine als Lieferant für Lebensmittel-Grundstoffe, Metalle und Bodenschätze und als Markt zum Verkauf hochwertiger Waren wie Maschinen und Chemikalien. Das dadurch entstandene Handelsbilanzdefizit der Ukraine ist mittlerweile auf mehr als 10 Milliarden US-Dollar angewachsen; das sind fast zwei Drittel des gesamten Defizits der Ukraine für 2013.“ Russland hat nun beschlossen, der Ukraine Erdgas nur noch auf Vorkasse zu liefern. Der IWF prognostiziert für 2014 einen Wirtschaftsrückgang um 5%. Damit die Ukraine ihre Schulden an die Banken weiter abbezahlen kann, hat der IWF der Regierung einen Kredit von 17 Milliarden Dollar zugesagt. Die Bedingungen dafür sind die Durchführung eines Sparprogramms auf Kosten der Bevölkerung, der Ausstieg aus den Erdgassubventionen und ein flexibler Wechselkurs.

Im Visier des Imperialismus

Die Ukraine ist flächenmäßig nach Russland das größte Land Europas, bevölkerungsmäßig steht die Ukraine mit 45.500.000 Einwohnern auf Platz sieben. Schon alleine wegen dieses Absatzmarktes ist die Ukraine im Fokus imperialistischer Interessen. Dazu ist die Ukraine ein rohstoffreiches Land: Es gibt Vorkommen an Eisenerz, Kohle, Mangan, Erdgas und Öl, aber auch Graphit, Titan, Magnesium, Nickel und Quecksilber – und das sozusagen vor der Tür. Darüber hinaus ist die Ukraine ein wichtiges Transitland. Derjenige, der die Ukraine kontrolliert, hat auch die Kontrolle über die Transportwege für Öl, Gas und andere Rohstoffe.
Doch auch im politischen Sinne ist die Ukraine ein entscheidendes Land. Seit der Niederlage des Sozialismus vor 25 Jahren findet eine systematische Osterweiterung der NATO und der EU statt. 1999 sind Polen und Ungarn der NATO beigetreten, 2004 folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, 2008 dann Albanien und Kroatien. Ziel ist die Loslösung der ehemaligen Sowjetstaaten von Russland sowie dessen Einkreisung vom Baltikum zum Schwarzen Meer bis nach Mittelasien. Neben der NATO hat die USA auch bilaterale Verträge mit Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen, Georgien, Kosovo und Albanien abgeschlossen, zum Teil zur Errichtung amerikanischer Militärbasen, zum Teil als Standort des amerikanischen Raketenschilds.

Wirtschaftliche Konkurrenz

Durch die Assoziierungsabkommen mit der EU werden die Staaten als Investitions- und Absatzmärkte gesichert. Sie sollen als verlängerte Werkbänke des EU-Kapitals ausgebaut und so zugleich in die EU-Einflusszone integriert werden. Auf diese Weise will die EU gleichzeitig auch ihren Zugang zu den natürlichen Ressourcen des Raumes sichern und die Errichtung und Absicherung ihrer Vorherrschaft gegen die anderen Konkurrenten (USA und Russland) gewährleisten. In den Verhandlungen zwischen dem ehemaligen Präsidenten Janukowytsch und der EU stellte die EU folgende Forderungen: Privatisierung des Staatseigentums, massiven Schuldenabbau durch Sparprogramme, Anpassung der Industrie und Landwirtschaft an die Normen und Standards der EU und Anpassung der Rechtslage an die Gesetze der EU, z.B. eine Reform des Wahlsystems. Zu vielen dieser Maßnahmen war Janukowytsch auch bereit, Teile davon hatte das ukrainische Parlament schon beschlossen. Janukowytsch forderte jedoch eine finanzielle Unterstützung für die Umrüstung der ukrainischen Wirtschaft hin zu europäischen Normen und Standards. Die Kosten für die Umrüstung bezifferte er auf 165 Mio. €. Die aktuelle Putschregierung in Kiew scheint diese Forderung nicht weiter zu erheben.

Ideologische Intervention

Parallel zu den offiziellen Verhandlungen werden aber auch Maßnahmen zur ideologischen Beeinflussung der Bevölkerung getroffen. Zu diesem Zweck haben die USA mehr als 5 Milliarden Dollar „investiert“, um die Opposition der Ukraine im Kampf um ihre Ziele zu unterstützen. Auch Deutschland versuchte, auf informellen Wegen seinen Einfluss zu sichern: Am 05.02.99 wurde durch das Auswärtige Amt und die deutsche Wirtschaft das Deutsch-Ukrainische Forum geschaffen, das an der „Westbindung“ der Ukraine arbeitet. Ihm gehören einflussreiche Organisationen wie die Bertelsmann-Stiftung an, aber auch zahlreiche Konzerne wie Ruhrgas (E.ON), Commerzbank, BMW, MBB, Siemens, Daimler usw. sowie deutsche Städte, Wirtschaftsfunktionäre, Bundestagsabgeordnete und der deutsche Botschafter in der Ukraine.
Doch mittlerweile hat sich auch Russland zu einer starken imperialistischen Macht entwickelt. Während Russland bis jetzt die Osterweiterung Europas und den westlichen Einfluss auf seine Nachbarstaaten – zwar murrend – hinnahm und auf diplomatischen Wegen versuchte, dem Machtzuwachs der EU und den USA entgegenzuwirken, ist man nun nicht mehr bereit einfach zuzuschauen.

Widersprüchliche Interessen

Die systematische militärische Einkreisung durch die NATO stellt für Russland eine Bedrohung dar. Durch den Putsch in der Ukraine wurden dessen „nationalen Interessen“ massiv angegriffen. So wurde z.B. die Militärbasis in Sewastopol am Schwarzen Meer gefährdet. Darüber hinaus geht es um den Absatzmarkt in der Ukraine. Außerdem könnte die Anpassung der ukrainischen Industrie an EU-Standards zu einem massiven Handelsrückgang zwischen der Ukraine und Russland führen.
Im Umgang mit Russland werden auch Widersprüche zwischen der von Deutschland dominierten EU und den USA deutlich. Während die USA gerade weitere Sanktionen gegen Russland verhängt, tut sich die EU mit weiteren Sanktionen schwer. Ein Grund dafür sind die Handelsbeziehungen dieser zu Russland sein. Das Handelsvolumen mit Russland ist seitens der EU etwa zehnmal höher als das Handelsvolumen zwischen Russland und den USA. Den Löwenanteil macht dabei Deutschland aus und insbesondere dem „Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft“ ist an diesem Anteil sehr viel gelegen.

Gegen den Hauptfeind

Der Aggressor im Ukraine-Konflikt ist nicht Russland, sondern die EU und die USA, die zugunsten der eigenen Banken und Konzerne den russischen Konkurrenten die Ukraine entreißen wollen. Wer in Deutschland gegen die drohende Eskalation zwischen den imperialistischen Staaten aktiv werden will, ist daher gut beraten, sich vor allem auf die Kriegstreiber im eigenen Land zu konzentrieren. Alles andere birgt mindestens die Gefahr, sich letztendlich für den deutschen Imperialismus instrumentalisieren zu lassen. Die derzeitige anti-russische Medienkampagne dient genau dem Zweck, im eigenen Land eine, wie auch immer geartete, weitere Konfrontation mit Russland zu legitimieren und nützt damit der deutschen Wirtschaft, die mit der Ausbeutung der Rohstoffe der Ukraine und der dortigen Arbeiterklasse Profite machen will.

Anne, Essen

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