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„Drogen sind Werkzeuge der Herrschenden“

veröffentlicht am: 30 Aug, 2020

Wir sprachen im Juli 2020 mit Alfonso Sabença von der Kommunistischen Jugend Portugals (JCP) über die liberale Drogenpolitik seines Heimatlandes, deren Auswirkungen auf die Jugend und eine marxistische Analyse von Drogen und deren Zweck und Nutzen in einer kapitalistischen Gesellschaft

POSITION: Die Regierung in Portugal propagiert seit Jahren eine liberale Drogenpolitik. Wie ist eure Position dazu?

AS: Die Gesetze, welche zurzeit herrschen, sind der Realität in Portugal angemessen. Das Ergebnis ihrer Umsetzung ist eindeutig positiv. Trotzdem muss hervorgehoben werden, dass der Kampf gegen die Sucht in Portugal aufgrund der rechten Politik der Regierung und den mangelnden Investitionen nicht weiter vorangeht. Mitte der 90er Jahre waren etwa 100.000 Portugiesen, meist in jungen Jahren, heroinabhängig. Es gab durchschnittlich 360 Drogentote pro Jahr (= 1 Todesfall pro Tag). Der Konsum war ein strafbares Verbrechen – Verhaftungen trugen keine Früchte und eine Strafverfolgung war nicht durchführbar. Die Reaktion des Staates auf die Drogenproblematik kam spät, war durch Ineffizienz sowie durch die „Verteufelung“ des Konsum geprägt: „Drogenabhängige sind Kriminelle“ war jahrelang der Tenor der herrschenden Debatten.

JCP und PCP (kommunistische Partei in Portugal) nahmen sich früh der Thematik an und forderten, dass Konsum und Sucht als Probleme der öffentlichen Gesundheit angesehen werden sollten. Nach einer umfangreichen Untersuchung einer Experten-Kommission im Jahr 2000 verabschiedete die Versammlung der Republik (bürgerliches Parlament in Portugal), was die PCP seit Jahren forderte: gesetzliche Entkriminalisierung des Konsum begleitet von einer breiten Palette von Maßnahmen zur Prävention, Behandlung und der sozialen Wiedereingliederung.

Welche Probleme im Zusammenhang mit Drogen und Betäubungsmitteln gibt es in der portugiesischen Jugend oder Gesellschaft aktuell? Provokant gefragt: Hat die liberale Drogenpolitik Erfolge gezeigt oder Drogentote produziert?

AS: Die Ergebnisse dieser Politik sind sichtbar: 2018 gab es in Portugal 50.000 Drogenabhängige, von denen sich 30.000 in Behandlung befanden. Seit dem Jahr 2000 sind die Zahlen – sowohl der Abhängigen, der Drogentoten und der Infektionen mit HIV/AIDS oder Hepatitis C zurückgegangen. Die Maßnahmen der staatlichen Kräfte gegen den Drogenhandel oder die Geldwäsche zeigen erste positive Effekte. Trotzdem – dies ermittelten neueste Studien – existieren weiterhin besorgniserregende Tendenzen: das durchschnittliche Alter beim Erstkonsum liegt bei 17 Jahren und in Folge der massiven Kürzungen der PSD/CDS-Regierung (rechtskonservative-sozialdemokratische Regierungskoalition von 2002-2005 & 2011-2015) bei der Prävention und Bekämpfung ist ein leichter Anstieg beim Cannabis-Konsum festzustellen. Dies ist insofern besorgniserregend, da 55 Prozent der Personen abhängig seien und mehr als 19 Prozent täglich konsumierten. Durch die gezielte Züchtung der Cannabis-Pflanze stieg der Anteil des psychoaktiven Stoffes THC an, zunehmende Notfälle waren die Folge. Als JCP machen wir daher keinen Unterschied zwischen „weichen“ und „harten“ Drogen und kämpfen diese falschen Vorstellungen Ideen an.

Opium des Volkes“ – was ist eure marxistische Analyse zu Drogen in einer kapitalistischen Gesellschaft?

AS: Drogen waren schon immer Werkzeuge der Herrschenden, um die Masse der Ausgebeuteten zu entfremden und mundtot zu machen. Die vorgenommene „Liberalisierung“ in Portugal scheint daher lediglich den Herrschafts- und Bereicherungsbestrebungen der großen Monopole zu entsprechen.

Vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse in Folge einer neuen Krise des Kapitalismus (nach 2007 ff. sowie in Folge der Covid-19 Pandemie) sind die Gefahren, die die „Liberalisierung“ mit sich bringt, in dieser Hinsicht, nicht abzuschätzen. Die Antwort muss in einer alternativen Politik bestehen: Stärkung des staatlichen Gesundheitssystemes, Beseitigung der sozialen Faktoren, die zum Drogenkonsum führen (wie der Arbeitslosigkeit), kurzum: eine politische Antwort, die die Produktion anregt, die nationale Souveränität gewährleistet und das Wohlergehen der arbeitenden Masse sichert – eine Antwort, die nur die PCP in Portugal anstrebt.

Das Interview führte Luca (Frankfurt).

Dieses Interview erschien in der aktuellen Position, dem Magazin der SDAJ.

Nochmal zur Info:

Die portugiesischen GuG sind nicht für eine Rekriminalisierung, kritisieren aber, dass mit der Liberalisierung keine ausreichende Stärkung des Gesundheitssystems einhergegangen sei und die Ursachen für Drogenkonsum nicht angetastet worden seien, weshalb die Liberalisierung in der Form auch dem Machterhalt der Monopolisten diene.

 

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