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75 Jahre Befreiung vom Hitlerfaschismus

veröffentlicht am: 25 Mai, 2020

Wie die Herrschenden die Geschichte umdeuten und warum wir heute noch kämpfen müssen

Am 08. Mai 2020 jährt sich zum 75. Mal der Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches und damit der endgültigen Niederlage des deutschen Faschismus im 2. Weltkrieg. Lange vertraten die Herrschenden in der BRD die Position, die Kapitulation der Wehrmacht sei keine Befreiung, sondern eine Niederlage gewesen.
Zwar wird seine historische Bedeutung heute nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt, der 08. Mai ist in Deutschland jedoch weiterhin kein Feiertag und auch heute noch erleben wir den Versuch, AntifaschistInnen als „antidemokratisch“ zu diffamieren und die Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus.

Die Rote Armee im 2. Weltkrieg

Auffällig ist die bei der in Deutschland vorherrschenden Geschichtsschreibung vorherrschende Gewichtung der Anteile der Alliierten am militärischen Sieg über das Deutsche Reich. Die Rolle der Roten Armee wird zwar nicht totgeschwiegen, jedoch so gut wie immer relativiert und in einem Atemzug mit dem „barbarischen“ Verhalten der RotarmistInnen genannt. Besonders gern erzählt und mit einem wohligen Schaudern ausgeschmückt werden hierbei die Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten.
Dabei wird „vergessen“ dass die Sowjetunion und insbesondere die Rote Armee in jeder Hinsicht die Hauptlast des Krieges zu tragen hatten: Erstens führte das Deutsche Reich in Russland einen an Barbarei unübertroffenen Vernichtungskrieg. Mit insgesamt über 25 Millionen Kriegstoten (davon etwa die Hälfte ZivilistInnen) hatte die Sowjetunion mehr als zwanzigmal so viele Tote zu beklagen, wie alle weiteren Alliierten zusammengenommen. Zweitens wurden die militärischen Operationen der „West-Alliierten“ in Italien und später Frankreich nur dadurch möglich, dass es der Sowjetunion unter diesen enormen Opfern entgegen aller Prognosen gelang, große Teile der Wehrmacht an der Ostfront zu binden. Schließlich war es die Rote Armee, die unter unvergleichlichen Verlusten an Menschenleben und Ressourcen die Wehrmacht zurückdrängte, Osteuropa vom deutschen Joch befreite und die deutsche Hauptstadt Berlin eroberte.
Diese Geschichte des 2. Weltkrieges, die zu großen Teilen eine Geschichte des Kampfes der Sowjetunion gegen den Faschismus ist, passte damals genau so wenig in den antikommunistischen Zeitgeist der „Blockkonfrontation“ wie heute in den nicht minder antikommunistischen Zeitgeist der Einkreisung Russlands und Chinas durch die NATO.

„Erinnerungskultur“ in Deutschland und der EU – Geschichtsrevisionismus und Diffamierung von AntifaschistInnen

Der Antikommunismus der Herrschenden und damit einhergehende Geschichtsrevisionismus beschränkt sich nicht auf die Leugnung der Bedeutung der Roten Armee.
Im September 2019 beschloss das EU-Parlament (darunter auch sämtliche Abgeordnete der Grünen sowie der SPD) eine Resolution, in der die Geschichte des Zweiten Weltkrieges kurzerhand umgeschrieben wird. Darin heißt es unter anderem „dass der Zweite Weltkrieg (…) als unmittelbare Folge des auch als «Hitler-Stalin-Pakt» bezeichneten berüchtigten Nichtangriffsvertrags zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der (…) ausbrach“. Die Schuld für den 2. Weltkrieg wird damit der Sowjetunion zugeschoben, die einen Nichtangriffspakt mit dem Nazireich unterzeichnete. Diese infame Lüge kann hier nicht umfassend entkräftet werden, daher seien nur die wichtigsten Punkte kurz genannt: Die Sowjetunion befand sich in ständiger Bedrohung durch das Deutsche Reich und unternahm bereits seit 1933 zahlreiche Versuche, ein Anti-Hitler-Bündnis mit den Westmächten zu schließen. Diese lehnten immer wieder ab oder vertrösteten die sowjetischen DiplomatInnen. Dabei erklärte Hitler die Unterwerfung Osteuropas bereits in „Mein Kampf“ zum militärischen Hauptziel. Bereits mit den Kriegsvorbereitungen ab 1933, spätestens jedoch mit dem Angriff auf die Tschechoslowakei 1938 war klar, dass es sich hierbei nicht nur um Propagandafloskeln, sondern um eine strategische Konzeption handelte. Dennoch entschieden die westeuropäischen Mächte Großbritannien und Frankreich sich im „Münchner Abkommen“ dazu, den deutschen Faschismus zunächst gewähren zu lassen. Erst als es keine andere Wahl mehr gab, um das eigene Überleben zu sichern, sah die Sowjetunion sich zu dem viel zitierten Pakt mit dem Teufel gezwungen.
Ebenfalls im letzten Jahr wurde der wichtigsten und traditionsreichsten Vereinigung von WiderstandskämpferInnen gegen den deutschen Faschismus, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), durch das Finanzamt Berlin die Gemeinnützigkeit entzogen. In der VVN-BdA organisieren sich v.a. ehemalige WiderstandskämpferInnen, Holocaustüberlebende und deren Nachkommen. Die Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht für die Opfer des Naziregimes. Begründet wird sie maßgeblich durch die Auflistung der VVN-BdA im Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes als extremistische Organisation. Dieser begründet seine Auflistung ganz offen damit, dass in der Vereinigung viele KommunistInnen organisiert seien.
Allein diese Beispiele zeigen die Verlogenheit der deutschen „Erinnerungskultur“. Zwar wird der deutsche Faschismus als „schlimme Zeit“ abgelehnt, die Geschichte aber im selben Atemzug antikommunistisch umgedeutet und die KämpferInnen gegen den Faschismus diffamiert. Der Grund dafür liegt in der Ablehnung des Kapitalismus, die aus einem konsequenten Antifaschismus notwendigerweise erwächst. Antifaschistische Organisationen und die Würdigung des kommunistischen Kampfes gegen den Faschismus sind immer auch eine Bedrohung für die herrschende kapitalistische Ordnung. Die Erkenntnis, dass der Kapitalismus die Bedingungen für den historischen Faschismus schaffte, wird gezielt unterdrückt.

Der 8. Mai – ein Grund zu feiern!

Vielerorts werden Veranstaltungen und Partys organisiert, um die Befreiung vom deutschen Faschismus zu würdigen. Der 8. Mai kann außerdem ein guter Anlass sein, die Rolle der Roten Armee im 2. Weltkrieg in der Schule und im Betrieb zu thematisieren und den Umgang der Bundesrepublik mit AntifaschistInnen zu skandalisieren. Eine Möglichkeit, den Kampf gegen den Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist die Forderung nach einem gesetzlichen Feiertag am 8. Mai. Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano und die VVN-BdA fordern genau das in der Petition: „8. Mai zum Feiertag machen! Was 75 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!“.

Leon, Hamburg

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