Deutsche Bad Boys?

veröffentlicht am: 2 Jan, 2017

Hintergrund: Woher kommen die nationalistischen Töne im Deutsch-Rap?

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Photos © JCS / Wikimedia (CC BY 3.0); © MakksDamage posiert auf facebook gerne mit einem „Grenzschutz Damals wie heute“- Tshirt mit abgebildeten Wehrmachts-Soldaten; © Aggro Berlin / Wikimedia (CC BY SA 2.0); © Metropolico.org / Flickr CC BY SA 2.0)

Anlässlich der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern kam es Anfang September, am Rande einer Wahlparty der Münchner AfD zu einer Auseinandersetzung. Dabei griffen Anhänger der rechtsextremen Partei kurz vor Verkündung der Wahlergebnisse GegendemonstrantInnen und PressevertreterInnen an. Mit dabei waren neben dem Faschisten Lukas Bals, welcher seit dem versuchten Sturm auf das Dortmunder Rathaus im Mai 2014 im Umfeld der Partei „Die Rechte“ bekannt ist, auch ein Mitglied des „Bund deutscher Patrioten“. Dieser hat sich als Rapper „Chris Ares“ einen Namen gemacht.

»Bereicherung wird propagiert von ganz oben / Ich kann das nicht nachvollziehen, was sie gewissenlos in unser Land holen« »Früher wurden Völker und Länder von Grenzen geschützt – in Zukunft müssen wir es selbst tun« AfD-Rapper Chris Ares, auf dem Foto in Aktion als friedlicher Patriot. Photo © Anne Wild / twitter

»Bereicherung wird propagiert von ganz oben / Ich kann das nicht nachvollziehen, was sie gewissenlos in unser Land holen«
»Früher wurden Völker und Länder von Grenzen geschützt – in Zukunft müssen wir es selbst tun«
AfD-Rapper Chris Ares,
auf dem Foto in Aktion als friedlicher Patriot.
Photo © Anne Wild / twitter

Seine Musikvideos auf YouTube haben bereits hunderttausende Klicks. Außerdem durfte er bereits bei einer AfD-Kundgebung in Geretsried bei München auftreten, bei der er sich eine Anzeige wegen Waffenbesitz einhandelte. Bilder der Ereignisse am Wahlabend zeigen Chris Ares, der sich in seinen Texten als friedlicher Patriot ausgibt und sich brav von Rechtsextremismus distanziert, wie er gemeinsam mit seinen rechten Kameraden brutal gegen politische GegnerInnen und JournalistInnen vorgeht.

Historisches Vorbild?
Doch wie kommt es überhaupt, dass weiße Nationalisten ausgerechnet Hip-Hop als Mittel zur Verbreitung ihrer Propaganda entdeckt haben? Die Musik, die Ende der 70er Jahre in den Armenvierteln US-amerikanischer Großstädte entstanden ist und die vorwiegend afroamerikanische Jugendliche nutzten, um ihren Protest gegen rassistische Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit zu artikulieren.
Nationalistische Tendenzen sind besonders im Deutschrap keine neue Erscheinung, sondern bereits lange Vorhanden. Den Anfang dürfte der Berliner Rapper „Fler“ gemacht haben, der zusammen mit seinem Label „Aggro Berlin“ bereits seine deutsche Identität in der überwiegend migrantisch geprägten Berliner Hip-Hop Szene als Alleinstellungsmerkmal zur Vermarktung nutzte. So trug sein 2005 erschienenes Debutalbum den Titel „Neue deutsche Welle“. Der provokante Name war dabei Programm. Neben „alt-deutscher“ Frakturschrift, Schwarz-Rot-Goldenen Fahnen und Reichsadlern in seinen Videos, wurde das Album mit „Ab dem 1. Mai wird zurückgeschossen“, einem abgewandelten Hitler-Zitat, beworben.

Deutscha Bad Boy?
Auch inhaltlich bietet Fler‘s „Lyrik“ auf dem Album wenig Innovation. Seine Texte bestehen, wie für sein Label üblich, aus mackerhaften, sexistischen und homophoben Battle-Rap-Phrasen. Diese präsentiert er seinen Hörern dazu noch handwerklich deutlich schlechter, als man dies beispielsweise von seinen Kollegen Sido oder B-Tight kennt. Von denen grenzt er sich jedoch mit seinem Nationalstolz ab, was sich allein durch die Wahl seiner Songtitel erkennen lässt. In Texten wie: „Deutscha Bad Boy“ (2008), „Ich bin Deutscha“ (2008), „Das alles ist Deutschland“ (2010) oder „Stabiler Deutscher“ (2014), macht er klar, welche Eigenschaften ein „stabiler Deutscher“ in seinen Augen erfüllen muss. Heraus kommt am Ende nicht mehr als ein Klischee: blaue Augen, Stolz, Kraft, Kampfgeist und Ehre.

„Der Deutsche“ alias „Fler“ wirbt gern mit abgewandelten Hitler-Zitaten. Photo © Nico Jenner (CC BY SA 3.0)

„Der Deutsche“ alias „Fler“ wirbt gern mit abgewandelten Hitler-Zitaten.
Photo © Nico Jenner (CC BY SA 3.0)

Nur National, nicht rechts?
Kritiker, die ihm vorwerfen, dass seine Texte rechtsextremes Gedankengut fördern, kontert Fler geschickt mit dem Hinweis, dass er ja auch ausländische Freunde habe und begibt sich wie jeder „missverstandene“ Patriot in die Opferrolle. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er es, wenn auch ungewollt, mit seiner Line: „Bei mir hängt die Fahne nicht nur zur Fußball WM“, 2014 in den Europawahlkampf der Nazi-Partei NPD geschafft hat.
Ist Fler also ein Nazi? Nein, das ist er nicht, im Unterschied zu organisierten Faschisten, wie z.B. bei der NPD, ist Fler nicht dabei, wenn sogenannte „national-befreite Zonen“ ausgerufen werden, wenn Ausländer bedroht oder Flüchtlingsheime angezündet werden. Doch sein Nationalismus trägt genauso wie die Hetze der NPD zur Spaltung in Deutsche und Ausländer bei und verschleiert die realen Trennlinien in dieser Gesellschaft: zwischen den herrschenden Kreisen, den Banken und Konzernen, und uns. Seine Musik ist damit die Hintergrundmusik zu den brennenden Heimen und den brutalen Schlägern, die sich selber als Herrenrasse betrachten. Ob Fler sich dessen bewusst ist und ob er Kontakt zu den Nazis hat oder haben möchte, ist dabei nicht entscheidend und macht seine Musik kein Stück besser.

Gegen das System?
Das Schlimme ist, dass Fler mit seinen nationalistischen Ansichten innerhalb der deutschen Hip-Hop-Szene nicht alleine da steht. Da wäre sonst zum Beispiel Bushido, der bereits seine gesamte Laufbahn hindurch mit provokanten und chauvinistischen Texten auf sich aufmerksam machte. Er sorgte in einem Blog auf Youtube Ende Mai diesen Jahres erneut für Schlagzeilen, als er verkündete, dass er vorhabe in Berlin die AfD zu wählen.
Als sein Rapperkollege Ali Bumaye daraufhin einwendete, dass es sich dabei doch um eine Nazi-Partei handele, entgegnete Bushido lachend: „Ja, einfach so Alter. Ist mir scheißegal, ich wähle nie wieder CDU, diese Bastarde, alter!“ Seine Begründung ist dabei bezeichnend. Für ihn, wie auch für viele andere Wähler der AfD, handelt es sich bei der Wahl dieser Partei um einen reinen Akt des Protestes gegen die etablierte Politik.
Dieser scheinbare Protest äußert sich darin, dass es die politische Rechte – trotz reaktionären Inhalten, die den Interessen eines großen Teiles der lohnabhängigen Bevölkerung entgegen stehen – geschafft hat, sich als einzig scheinbare Alternative zum bestehenden System zu präsentieren.

 »Die deutschen Helden kämpften, töteten und starben für UNS! (...) Ihr soldatisches Opfer ist ein glänzendes Vorbild für uns alle! Denn auch heute stehen wir wieder mitten in einem Existenzkampf, in dem uns Gewalt aufgezwungen wird und wir uns und unsere Familien verteidigen müssen um nicht zu Sklaven Fremder zu werden! (...) DEUTSCHLAND ÜBER ALLES« Julian Fritsch alias Makss Damage gedenkt gerne den „gefallenen Helden der Nation“ Photo © Julian Fritsch posiert auf seinem Facebook-Account vor ei- nem Kriegerdenkmal und prophezeit: „Der Adler wird wieder fliegen!“.

»Die deutschen Helden kämpften, töteten und starben für UNS! (…) Ihr soldatisches Opfer ist ein glänzendes Vorbild für uns alle! Denn auch heute stehen wir wieder mitten in einem Existenzkampf, in dem uns Gewalt aufgezwungen wird und wir uns und unsere Familien verteidigen müssen um nicht zu Sklaven Fremder zu werden! (…) DEUTSCHLAND ÜBER ALLES«
Julian Fritsch alias Makss Damage gedenkt gerne den „gefallenen Helden der Nation“
Photo © Julian Fritsch posiert auf seinem Facebook-Account vor ei- nem Kriegerdenkmal und prophezeit: „Der Adler wird wieder fliegen!“.

Offener „NS-Rap“
Doch neben den oben genannten „Reihenhausrebellen“ haben auch offene Faschisten in den letzten Jahren angefangen, sich als Rapper zu betätigen. Von ihnen dürfte der aus Gütersloh stammende Julian Fritsch aka „Makss Damage“ der einzige sein, der auch ausserhalb der Szene einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Interessant ist, dass er seine politische Laufbahn nicht in der extremen Rechten begonnen hat, sondern sich zunächst in linken Gruppen, also bei uns, politisierte. Aus diesem Grund verarbeitete er zu Beginn seiner „Karriere“ auch noch antikapitalistische und antiimperialistische Themen, welche jedoch damals schon innerhalb der linken Szene sehr kontrovers aufgenommen wurden. Anstelle von Analyse und Kritik von gesellschaftlichen Missständen setzte Fritsch auf Antisemitismus und Verharmlosung des deutschen Faschismus. So heißt es in seinem Track „Antideutsche Hurensöhne“: „Ich würde eher Adolf Hitler, Heinrich Himmler oder Ernst Röhm als euch links nennen.“ In „Arabisches Geld“ rappt Makss Damage: „Ich leite Giftgas lyrisch in Siedlungen, die jüdisch sind“.

Der Sohn Mannheims Xavier Naidoo tritt für die Reichsbürger auf, die sich einbilden noch im Deutschen Reich zu leben. Photo © maniadb.com (CC BY SA 2.0)

Der Sohn Mannheims Xavier Naidoo tritt für die Reichsbürger auf, die sich einbilden noch im Deutschen Reich zu leben.
Photo © maniadb.com (CC BY SA 2.0)

Keine reine Szene-Angelegenheit
Eben dieser Fritsch, aka Makss Damage schaffe es nun kürzlich sogar eine halbe Stunde in den Berliner Radiosender KissFM, als sei seine faschistische Einstellung etwas spannendes, worüber er mal locker berichten könne. Überhaupt scheinen die politischen Überzeugungen von Musikern nicht immer öffentlich hinterfragt zu werden. Xavier Naidoo z.B. gehört mit seiner Karriere bei den „Söhnen Mannheims“ zu einem der bekanntesten deutschen Musikern. Er hat Charts- und PR-Geschichte geschrieben, bei der Fußball-WM in Deutschland lief sein Song auf und ab. Kaum ein Musiker hatte so viel Kontakt zu Promis und Politikern wie er. Und doch zweifelt er an der Existenz dieses Staates und paktiert mit der faschistoiden Reichsbürgerbewegung, welche sich einreden, noch im „Deutschen Reich“ zu leben, welches 1945 von den antifaschistischen Siegermächten zerschlagen wurde. Sein fundamentalistischer, christlich-evangelikaler Glaube schien Jahre lang niemanden zu stören, bis letztes Jahr seine Kandidatur zum Eurovision Song Contest zurückgezogen wurde. Dabei hatte er schon 2012 bewiesen, wo er steht, als er in einem Track zusammen mit Kool Savas darüber phantasiert hat, einen Pädophilen zu verstümmeln. Verschwörungstheorie, Fundamentalismus und Gewaltphantasien: So wäre er fasst Deutschlands Botschafter für den ESC geworden.

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org

Nicht auf den Leim gehen
Die durch den Rechtsruck immer stärker werdende Übermacht reaktionärer Ideen wird auch im musikalischen Bereich auf fruchtbaren Boden treffen. Das ist der Grund, warum nun auch Personen wie Chris Ares oder Makss Damage mit ihren nationalistischen Texten besonders junge Zuhörer begeistern und für ihren Kulturkampf gegen die vermeintliche Islamisierung rekrutieren können. Dabei wäre die notwendige Aufgabe kein Kulturkampf, sondern Klassenkampf. In der Schule gegen die Kürzungspolitik der Ministerien, im Betrieb gegen die Bosse und ihre Profite, auf der Straße gegen die herrschende Ordnung und in der Liedzeile gegen ihre Ideologie und Propaganda.

Oliver, München

 

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #6/2016
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