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veröffentlicht am: 29 Dez, 2016
Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org

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Die Präsidentin – düsterer Comicroman aus Frankreich mit gut recherchierten Hintergründen
Mai 2017: Marine Le Pen, Führerin der rechtsradikalen Front National, gewinnt die Präsidentenwahl in Frankreich. Jetzt werden revolutionäre Neukaledonier, auf den französischen Inseln im Pazifik, von der Pariser Zentralarmee gekillt. Im Lehrplan sollen Kolonialverbrechen dem Nationalstolz weichen. Le Pen droht den Medien und intensiviert die Überwachung. Arbeitslose, die aus dem Maghreb stammen, werden deportiert.
Da folgen Massendemos gegen Sozialabbau, Abschiebung und den Spitzelstaat. Teil dieser Bewegung ist Steph, der bald den Blog résistance.fr gründet – zu Ehren seiner Oma Antoinette, einer Partisanin. Es kommt, wie es kommen muss: eines Tages stürmen die Bullen Stephs Bude. Und im Hintergrund stehen Identitäre bereit, die Macht im Staat zu übernehmen.
François Dupraire und Farid Boudjellal legen mit Die Präsidentin einen düsteren Comicroman vor. Grundlage des Plots bildet das Parteiprogramm der Front National, besonders ihre Vorhaben für die ersten hundert Tage im Elysée-Palast. Die meisten Charaktere gibt es wirklich, die Hintergründe sind gut recherchiert, die Zeichnungen und Graphiken detailverliebt wie realistisch. Dupraire und Boudjellal kritisieren auch François Hollande, der Ausnahmezustand und Austerität nach Charlie Hebdo hip machte.
Trotz einiger überholter Fakten ist das Werk lesbar. Allein die Randstory um Steph wirkt gestelzt, was das Vergnügen deutlich mindert. Fazit: Borgen statt bezahlen.
Tim, Marburg 👉
François Dupraire/Farid Boudjellal | Die Präsidentin | Jacoby&Stuart, 2016 | 19,95€ oder bei Bekannten ausleihen

Valiant Hearts – historisch korrektes Computerspiel zum Ersten Weltkrieg
Seit 2014 beschäftigen sich viele Medien mit dem 1. Weltkrieg. Auch Computerspiele: Mit Battlefield 1 und Verdun sind gleich zwei Ego-Shooter rausgekommen, die sich den „Great War“ vornehmen. Den Beginn machte das spielbare Graphic Novel Valiant Hearts, das im Jahr 2014 auf den Markt kam und einen anderen Ansatz verfolgte, als die Spieler mit dem Ziel möglichst vieler „Killls“ in die Schützengräben zu schicken.
Die Geschichte, im Stil des französischen „bédé“ animiert, folgt Menschen in die Wirren des Krieges und zeigt, wie Familien auseinander gerissen werden. Nationalität, „Rasse“ und Klasse trennt die Menschen im Krieg, aber lässt sie auch vereint (leider nur auf individuellem Level) in Freundschaft und Liebe für Menschlichkeit und ums Überleben kämpfen.
So spielen wir einen deutschen Landarbeiter in Frankreich, der von seiner jungen Familie getrennt gegen die Franzosen eingezogen wird und wir folgen einem Fremdenlegionär kreolischer Abstammung, der gegen Rassismus und für die Rache an deutschen Bomben kämpft.
Fazit: Wer mal Pause von der mal mehr, mal weniger realistischen Balleraction braucht oder wem es nicht reicht, eine Geschichte nur zu lesen, dem sei dieses Anti-Kriegsspiel ans Herz gelegt. Die Logikrätsel sind nicht die aller schwersten, aber die mal heitere, mal äußerst tragische Geschichte mit ihren liebenswerten Charakteren wiegt das alle mal auf. Und eine Historikerkommission hat dem Spiel sogar einen Preis für seine historische Exaktheit verliehen.
Alan, Siegen 👍
Simon Chocquet-Bottani/Yoan Fanise | Valiant Hearts – The Great War | Ubisoft, 2014, ab 12 Jahren | Zum Download für 14,95€

52-2_6-16_cb-likes-alle2Einfach das Ende der Welt – intensives Filmdrama mit starken Charakteren
Nach jahrelanger Abwesenheit kommt Louis zu seiner Familie. Er will ihnen mitteilen, dass er mit 34 Jahren, beruflich erfolgreich und gefeiert, nicht mehr lange zu leben hat. Obwohl er mit seiner Familie kaum Kontakt hält, möchte er sich persönlich verabschieden. Obwohl der wortkarge Individualist so gut und zielstrebig durchs Leben und seine Karriere ging, fesselt auch ihn das fremde Zuhause. Nicht harmonisch oder gemütlich ist es da, sondern laut, cholerisch und unangenehm.
Der 27-jährige Regisseur Xavier Dolan schafft es ohne Romantik und Sentimentalität das vertrakte Verhältnis zur eigenen Familie, die aufgezwungene und unausweichliche Enge der familiären Bindung, darzustellen. Abgeklärt und ergreifend inszeniert er fünf Charaktere, die sich hinter Selbstzweifel und Aggression verstecken. Die Facetten der Figuren sind zwar dick aufgetragen, jedoch nicht zu überzeichnet.
Mit der Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Jean-Luc Lagarce hat Dolan erneut einen großen Film gemacht. Viele Kommentatoren lassen nichts gutes an dem Streifen, nennen ihn enttäuschend und unbefriedigend. Zwar bricht Dolan mit dem Stil seiner bisherigen Filme wie „I killed my mother“, „Herzensbrecher“, „Mommy“ und anderen Teeni-Dramen. Doch er zeigt mit der selben Intensität die schönen und schmerzlichen Seiten von Beziehungen. Der Film ist sicher nicht immer angenehm, wozu die ständigen Nahaufnahmen auch beitragen, aber sicherlich intensiv und sehenswert.
Mark, München 👍
Xavier Dolan, nach einer Geschichte von Jean-Luc Lagarce | Einfach das Ende der Welt | Kanada/Frankreich 2016, ab 12 Jahren | 1 Std. 39 Min. | Kinostart: 29. Dezember 2016

Dieser Artikel erschien in
POSITION #6/2016
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