Vernetzung oder Sozialpartnerschaft?

veröffentlicht am: 7 Jan, 2013
Generalstreik in Sevilla (Foto: Ana Rey, CC)

Generalstreik in Sevilla (Foto: Ana Rey, CC)

Solidarität heißt Klassenkampf. Die Kämpfe in Südeuropa und wir

14. November. Portugal. „Raus mit der Troika!“ Mit einem Generalstreik wehren sich die Beschäftigten im ganzen Land gegen die Kürzungen, gegen die Politik der Verarmung. Spanien. 80 Prozent der Beschäftigten beteiligen sich nach Gewerkschaftsangaben auch hier am Streik. Festnahmen, Prügelorgien, Verletzte – der Staat ließ kein Zweifel daran, wie er zu den Protesten steht. Griechenland. Drei Stunden lang legen die Beschäftigten die Arbeit nieder. Die klassenorientierte Gewerkschaftsfront PAME hat dazu aufgerufen, Versammlungen durchzuführen, um die Erfahrungen und die Weiterentwicklung der Kämpfe zu diskutieren. Erst in der Woche davor hat ein zweitägiger Generalstreik stattgefunden. Italien. Streiks und Proteste. Belgien. Die Züge stehen still. Frankreich. Massendemonstrationen. Deutschland. Demonstrationen in einigen Städten, meist ein paar hundert TeilnehmerInnen. Das übliche also: Widerstand im Süden, Solidaritätserklärungen der deutschen Linken. Die kämpferischen Kräfte in der Arbeiterbewegung sind schwach.

Symbolisch

Zu dem Aktionstag am 14. November hatte der europäische Gewerkschaftsbund (EGB) aufgerufen. Der EGB ist nicht gerade dafür bekannt, kämpferische Mobilisierungen der Arbeiterklasse zu fördern. Auch diesmal musste er von den Gewerkschaften der so genannten Schuldenstaaten dazu gedrängt werden, den Aktionstag auszurufen. Die Initiative ging von den Gewerkschaften und Organisationen aus, die in ihren Ländern die Mobilisierung zum Streik vorantrieben. In seinem Aufruf zum Aktionstag fordert der EGB eine Politik, die „den sozialen Zusammenhalt“ und ein „nachhaltiges Wirtschaftswachstum“ fördert. Das Ziel: Das „europäische Sozialmodell“, das nach dem 2. Weltkrieg entstanden sei, soll erhalten bleiben. Der EGB setzt nicht auf die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Politik der Herrschenden. Er setzt auf Appelle an die EU, an die Regierungen, an die Unternehmer. Der EGB und auch die Mehrheit in den deutschen Gewerkschaften wollten am 14. November nicht mehr als einen symbolischen Aktionstag. Für die kämpferischen Massenaktionen in vielen Ländern sind sie nicht verantwortlich.

Ausgebremst

Für den Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, war selbst ein solcher Aktionstag zu viel. Der Generalstreik sei „Unfug“, die spanischen Gewerkschaften seien selbst schuld an der Situation – sie hätten mit zu hohen Lohnforderungen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft behindert. Die Gewerkschaften des DGB unterstützten den Aktionstag nur halbherzig. Eins ist klar: Der sozialpartnerschaftliche Kurs, den große Teile der deutschen Gewerkschaften fahren, verhindert jede wirkliche Solidarität mit den Kämpfen in Südeuropa.

Vor allem vernetzen

Aber wie geht es dann? Am selben Tag, in ganz Europa, legten Beschäftigte die Arbeit nieder, demonstrierten, verliehen ihrer Wut Ausdruck. Die europäische Vernetzung der Kämpfe – das erscheint vielen von uns als die große Hoffnung für die Weiterentwicklung des Widerstands. Denn wir wissen: Unser Gegner – die Bourgeoisien der europäischen Länder, die Regierungen, die EU – arbeitet auf internationaler Ebene zusammen. Wir müssen es auch tun. Wir haben dieselben Interessen wie die Arbeiterklassen in Griechenland, Portugal, Spanien: Weg mit dem Spardiktat. Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals. Internationale Solidarität ist die stärkste Waffe der Arbeiterklasse. Aber wie können wir diese Solidarität verwirklichen? Eine verbreitete Antwort ist: Wir müssen uns vernetzen, z.B., indem wir am selben Tag auf die Straße gehen oder in ganz Europa dieselben Slogans auf unsere Transparente schreiben. Oder auch, indem wir die internationale Solidarität zum Motto unserer Aktionen machen: „Wir sind alle Griechen!“, „Solidarität mit dem Generalstreik in Südeuropa!“, so soll der Zusammenhalt verstärkt werden.

Richtige Richtung

Aber das Datum, an dem wir auf die Straße gehen, ist nicht das Wichtigste. Das Entscheidende ist die Weiterentwicklung der Kämpfe in jedem Land, die Orientierung, die wir uns für die tägliche Kleinarbeit geben. Denn eins ist klar: Mit der sozialpartnerschaftlichen Orientierung von Huber, Sommer und Co. ist internationale Solidarität nicht zu machen. Wer nur darauf setzt, hohe Löhne und sichere Arbeit für Festangestellte der eigenen Branche durchzusetzen, hat überhaupt keinen Grund, mit irgendwem anders solidarisch zu sein – sei es nun ein Leiharbeiter im eigenen Betrieb oder eine spanische Arbeitslose. Sozialpartnerschaft spaltet. Die beste Solidarität ist, dass wir hier in Deutschland den Kampf gegen Entlassungen, Leiharbeit, Lohnkürzungen führen. Damit unterstützen wir die Arbeiterklasse in anderen Ländern, und dabei können wir von ihnen lernen und werden von ihnen unterstützt.

Inhalt: International

„Der Form nach ist der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler“, schrieben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest. Das heißt auch: Was die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung der Kämpfe sind, zeigt sich vor allem auf nationaler Ebene. In Griechenland geht es z.B. darum, in einer starken Massenbewegung darüber zu diskutieren, was die Ursache der Krise ist, was die Perspektive der Kämpfe sein kann. Hier sind wir weit von einer Massenbewegung entfernt. Wir setzen uns dafür ein, jede betriebliche Auseinandersetzung zu einer Mobilisierung zu nutzen, jeden Kampf zu politisieren. Die Form ist verschieden. Aber der Inhalt ist derselbe: Klassenkampf. Internationale Solidarität heißt nicht nur, am selben Tag zu demonstrieren. Eine wirkliche, inhaltliche Vernetzung der Kämpfe in ganz Europa gibt es nur mit einer kämpferischen Orientierung.

Olaf, Frankfurt

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