„Die Verhältnisse verschlechtern sich seit Jahren. Kriege werden häufiger und offensichtlicher, unsere Rechte werden immer offener angegriffen. Aber ich bin weiterhin optimistisch und fest davon überzeugt, dass es einen zweiten Versuch geben wird eine sozialistische Gesellschaft in Deutschland aufzubauen. Der Kapitalismus hat keine Zukunft. Es ist so wichtig, dass Menschen nachdenken und selbstbewusst handeln. Und die Jugend macht mir Hoffnung. Ich habe von den UZ-Friedenstagen in Berlin so viel mitgenommen, so viel Hoffnung, so viele sehen die Zusammenhänge, die Probleme und das macht mich glücklich.“, so sagte es Ellen in einem Interview mit der POSITION Ende letzten Jahres.
Sie hatte zuvor im Rahmen des Programms auf den UZ-Friedenstagen in Berlin in einer bewegenden Runde aus ihrem beeindruckenden Leben berichtet. Als junge, alleinerziehende Mutter und Krankenschwester fühlte sie sich wohl in der DDR und war stolze Sozialistin. Doch ihr Mann floh in den Westen, sie ging ihm hinterher und legte immer großen Wert darauf nicht vor der DDR geflüchtet zu sein – auch wenn ihr das das Leben in der BRD deutlich einfacher gemacht hätte.
Der Ehemann (in „irene binz.“ heißt er Thomas) stellte sich bald als Nazi heraus, der längst eine neue Familie im Westen hatte. Den Sohn jedoch konnte er nicht kaputt machen, auch wenn er ihm Hefte von Nazijugendorganisationen zuschickte.
Der Sohn wurde als Schriftsteller Ronald M. Schernikau nicht annähernd so bekannt, wie er es verdient hätte, doch Ellen hielt zu ihrem schwulen, kommunistischen Sohn gegen alle Anfeindungen. Ihm schenkte sie auch ihre bisherige Lebensgeschichte, er veröffentlichte sie als „irene binz. befragung.“
„Und als der Thomas da gelacht hat über Dds Abzeichen, das nahm ich gar nicht tragisch.
Vom Kommunismus wollt er tausend Farben. Ich hab verteidigt das, was es schon gab.
Die warn doch überall, die noch nichts taten und alles wollten. So war Thomas auch.“
Ellen wollte sich nicht zurückziehen oder verkriechen, sie blieb am Ball, organisierte Lesungen aus den Werken ihres viel zu jung gestorbenen Sohnes, richtete Runden auf dem „Festival der Jugend“ aus, verbreitete Optimismus und Mut, wo es nur ging.
Ellen Schernikau wurde am 17. Juli 1936 geboren und starb am 29. April 2025.
Das blutige 20. Jahrhundert, die Konterrevolution, der Verrat durch ihren Mann – das alles konnte ihr ihren historischen Optimismus nicht nehmen. Ellen lebte und starb als Kommunistin und wird als Mensch in diesen unmenschlichen Verhältnissen sehr fehlen.
Wir gedenken ihr, indem wir in ihrem Sinne eben gegen diese Verhältnisse weiter ankämpfen – für den zweiten Versuch der sozialistischen Gesellschaft in Deutschland.