Keinen Menschen, keinen Cent der Bundeswehr! Die Wehrpflicht, ihr Kontext und unsere Rolle

veröffentlicht am: 23 Apr., 2025

Die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden, da sind sich alle großen Parteien einig. Die AfD beantragte dies bereits 2020, die CDU forderte vor einem Jahr auf ihrem Parteitag die schrittweise Wiedereinführung. Im November brachte dann die Ampel-Regierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg. Beschlossen wurde der „Neue Wehrdienst“ noch nicht. Doch egal, wer die nächste Regierung stellen wird, die Wehrpflicht wird kommen – ebenso wie weitere Milliarden für Aufrüstung. Wir sollen kriegstüchtig gemacht werden und wir sollen Wehrdienst leisten.

 

Die Aussetzung der Wehrpflicht

Ausgesetzt worden war die Wehrpflicht im Jahr 2011. Nachdem die Bundeswehr seit 1990 auf aller Welt Kriege führt, brauchte es eine andere Armee. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler benannte die Aufgabe der Bundeswehr sehr deutlich, als er sagte, dass im Notfall auch militärische Einsätze notwendig seien, „um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“. Die Bundeswehr verteidigt die wirtschaftlichen Interessen des deutschen Imperialismus. Für Einsätze auf aller Welt, von Afghanistan über Mali bis Bosnien Herzegowina und ins Mittelmeer braucht es eine Armee von gut ausgebildeten BerufssoldatInnen, die schnell einsatzbereit ist. Die Anzahl der eingezogenen Wehrpflichtigen war deshalb schon vor der Aussetzung der Wehrpflicht deutlich zurückgegangen. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurde die Bundeswehr also vollständig auf eine spezialisierte Berufsarmee umgestellt, die die Interessen des deutschen Imperialismus auf aller Welt effizienter durchsetzen kann.

 

Personalprobleme bei der Bundeswehr

Seit der Aussetzung der Wehrpflicht klagt die Bundeswehr über Personalmangel – und das trotz immer aggressiverer Werbung auf Trams, an Schulen und auf Messen, trotz gut bezahlten NC-freien Studiengängen, trotz besserer Vergütung als beim FSJ oder in der Ausbildung. Die Bundeswehr nutzt den Ausbildungsplatzmangel und die Jugendarbeitslosigkeit aus, um Jugendliche zu gewinnen. Die Bundeswehr rekrutiert zwar jedes Jahr mehr KindersoldatInnen für die Armee, dennoch sinkt die Zahl der BewerberInnen insgesamt. Zugleich rüstet Deutschland jedoch für einen großen Krieg ,auch auf europäischem Boden. Denn der deutsche Imperialismus will seine Position im internationalen Konkurrenzkampf halten und ausbauen.Aber während die Wirtschaft insbesondere von China und Indien wächst, befindet sich der deutsche Imperialismus das dritte Jahr in Folge in der Rezession. Die Position Deutschlands und der NATO-Staaten soll im Zweifel in einem großen Krieg militärisch verteidigt und ausgeweitet werden. Wer aber einen großen Krieg auch auf europäischen Boden führen will, dem reicht keine spezialisierte Berufsarmee, der braucht, gerade wenn die USA ihre Drohung wahr machen und sich zunehmend militärisch aus Europa zurückziehen, zusätzlich große Bodentruppen, der braucht die Wehrpflicht. Die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist also keine Abkehr von spezialisierten, gut ausgebildeten und schnell einsetzbaren Truppen der Bundeswehr, sondern eine Ergänzung dieser um eine große Armee. Zunächst soll nur ein Teil eines Jahrgangs eingezogen werden, der aber schrittweise erhöht werden soll.

 

Der Kampf um die Köpfe

Doch bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht geht es nicht nur um Personalprobleme. Die AfD bemängelte schon 2020, dass seit der Aussetzung der Wehrpflicht „die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft signifikanten Schaden“ genommen hätte. Wer zu einem großen Krieg rüstet, der braucht eine Gesellschaft, die den Krieg und die Bundeswehr unterstützt, ob an der Waffe oder in der Produktion im Hinterland. Schon Karl Liebknecht wusste, dass der Militarismus aufs engste mit dem Kapitalismus verbunden ist, sowohl als Mittel zur Verteidigung der Interessen der imperialistischen Staaten nach außen als auch nach innen, zum Schutz der bestehenden, kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Deshalb will Boris Pistorius (SPD, ehemaliger „Verteidiungs“minister) die gesamte Gesellschaft kriegstüchtig machen. Mit der Wehrpflicht soll die Bundeswehr wieder tiefer in der Gesellschaft verankert werden. Damit sollen Jugendliche zu kritiklosen Befehlsempfängern erzogen werden – und im Zweifel für wirtschaftliche Interessen im Krieg sterben und im Zweifel auch gegen eine aufständischee Arbeiterklasse und ihre Verbündeten im eigenen Land kämpfen. Es reicht nicht mehr, nur in der Schule Werbung für die Bundeswehr zu machen und Kriegseinsätze zu rechtfertigen und zur Notwendigkeit zu erklären, der Militarismus soll viel tiefer in der Jugend und in der gesamten Gesellschaft verankert werden.

 

Bundeswehr von Nazis aufgebaut

Da verwundert es nicht, dass es immer wieder Meldungen über rechte Netzwerke in der Bundeswehr gibt. Im Gegenteil, Nationalismus, militärischer Drill, Rassismus und Antikommunismus sind die Begleitideologie, mit der der Imperialismus die Durchsetzung seiner Interessen ideologisch rechtfertigt und fortschrittliche Kräfte bekämpft. Nationalismus und Rassismus dienen dazu, die mit dem Imperialismus untrennbar verbundenen Kriege gegen „minderwertige Rassen“ zu rechtfertigen und ein angebliches gemeinsames, nationales Interesse zu proklamieren. So zum Beispiel, wenn die „Wissenschaftlerin“ Florence Gaub in der ZDF-Sendung Markus Lanz behauptet, dass Russen keine Europäer seien und ein grundsätzlich anderes Verhältnis zu Gewalt hätten. Mit Antikommunismus und Hetze gegen die „Spaltung der Nation“ soll zugleich Widerstand innerhalb des Landes geschwächt werden und darauf vorbereitet werden, Proteste und Streiks im Zweifel auch militärisch zu bekämpfen.

Die Schlagzeilen zu Nazis in der Bundeswehr und geklaute Munition sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Rechte Netzwerke leiste ganze Arbeit den Drill und die Einpeitschstruktur zu verstärken und die Reihen auch ideologisch zu schließen. Dabei ist die angebliche Entrüstung von Bundeswehroffizieren und Regierenden über die rechten Netzwerke heuchlerisch. Denn die Bundeswehr wurde wesentlich von ehemaligen NSDAP-Funktionären aufgebaut: Die Wehrmachts-Generäle Hans Speidel und Adolf Heusinger waren die ersten Befehlshaber der Bundeswehr, in den ersten Jahrzehnten bestand die Führung der Bundeswehr fast ausschließlich aus ehemaligen Wehrmachts-Veteranen und SS-Leuten. Wie gut der Bundeswehr faschistische Ideologie passt, zeigt sich auch an der Änderung des sogenannten Traditionserlasses im letzten Juli: Generäle und Offiziere der Nazi-Wehrmacht werden nun auch offiziell als „traditionsstiftend“ und „identifikationsschaffend“ für die Bundeswehr begriffen.

 

Seit über 100 Jahren gegen Militarismus und Krieg

Die kommunistischen und Arbeiterjugendverbände verstehen ihre Aufgabe seit jeher darin, gegen den Militarismus zu kämpfen. Auf dem ersten Kongress der sozialistischen Jugendinternationale vor fast 120 Jahren, im Jahr 1907, wurde die Bekämpfung des Militarismus neben dem Kampf gegen die Ausbeutung der jungen Arbeiter überhaupt als Hauptaufgabe der revolutionären Jugendverbände formuliert. Militarismus und Krieg sind untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden – und somit ist der konsequente Kampf gegen Militarismus und Krieg auch ein unmittelbar revolutionärer und antikapitalistischer Kampf. Denn alle kapitalistischen Großmächte streben nach der Kontrolle von billigen Rohstoffquellen, Handelswegen und Absatzmärkten. Deutschland rüstet massiv auf, um seine Rolle innerhalb der NATO wie der NATO-Staaten im internationalen Konkurrenzkampf zu stärken, um aus diesem Konkurrenzkampf siegreich hervorzugehen. Und dieser Konkurrenzkampf führt notwendigerweise zu aggressiver Politik wie bspw. in Sanktionen und findet seine Fortsetzung im Krieg. Deshalb wird aufgerüstet, deshalb wird der NATO-Stellvertreterkrieg in der Ukraine geführt, deshalb soll die Wehrpflicht eingeführt und US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden.

 

Die Jugend als Achillesferse

Was bedeutet es nun, heute gegen den Militarismus zu kämpfen? 2011 sprachen wir uns gegen die Aussetzung der Wehrpflicht aus – denn dies war der Weg hin zum Aufbau einer spezialisierten Berufsarmee, die den Interessen des deutschen Imperialismus noch besser dient. Jetzt, wo der deutsche Imperialismus zusätzlich zur spezialisierten Berufsarmee eine Wehrpflicht wiedereinführen will, um ausreichend Kanonenfutter zur Verfügung zu haben und die Jugend weiter zu militarisieren, stellen wir uns gegen diese Wehrpflicht. Wir wollen kein Jahr unseres Lebens zu militärischem Drill erzogen werden – wir wollen weder auf die Bevölkerung Deutschlands noch anderer Länder schießen. Wir nutzen den Kampf gegen Wehrpflicht, Stationierung von Mittelstreckenraketen und Aufrüstung, den Kampf gegen Militarismus, um den Kampf gegen den Kapitalismus zu führen. Der Druck auf die Jugend wird mit Militarisierung und Wehrpflicht höher. Doch die Klagen darüber, dass die Bundeswehr nicht ausreichend in der Gesellschaft verankert sei, dass die Jugend der Gesellschaft etwas zurückgeben müsse, sie zeigen auch, dass die Jugend die Achillesferse für die Kriegsfähigkeit ist. Sie zeigen, dass wir real etwas gewinnen können, wenn wir gegen Wehrpflicht und Militarismus kämpfen.

Andrea, Frankfurt am Main

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