Dark Romance

veröffentlicht am: 23 Apr., 2025

Dicke Taschenbücher deren schwarz-pinke Cover geziert werden von Blumenranken und Totenköpfen, meist sogar mit hübschen Farbschnitten. Sie zieren nicht nur die Bücherregale der großen Buchhandelsketten, in dafür eigens eingerichteten Abteilungen, sondern werden auch kichernd auf den Mädchenklos deutscher Schulen gehandelt. Die Rede ist vom neuen Kassenschlager der romantischen Literatur: Dark Romance.

Was ist Dark Romance? Warum ist es so beliebt?

Was bringt das relativ neue Genre mit, das weibliche, insbesondere jüngere Leserinnen geradezu magisch in den Bann zieht? Für alle die es nicht kennen, hier ein kurzer Einblick Zumeist wird aus weiblicher Perspektive von einer romantischen Beziehung zu einem Mann berichtet, der als klassischer Antiheld verkauft wird. Das kann von Mobbing gegenüber der Protagonistin, über Stalking, bis hin zu Entführung und Vergewaltigung reichen. Auch starke Altersunterschiede (Frau deutlich jünger) und Machtgefälle (Frau bspw. in direkter Abhängigkeitsposition)  spielen häufig eine Rolle. Die Protagonistin lehnt das negative Verhalten meist auch erst ab, fühlt sich dann aber doch von dem sehr attraktiv und dominant dargestellten Mann angezogen und geht dann eine meist sehr toxische Beziehung mit ihm ein. Die Männer betrachten sich als Besitzer der Frauen und zeigen auch in den Beziehungen, wie auch immer sie geartet sind, übergriffiges Verhalten. Im Verlauf der Geschichte werden die tragischen Hintergründe des Mannes aufgedeckt, die immer sehr düster, tragisch und heldenhaft sind. So jagt Zane (der Stalker von Adeline in Haunting Adeline) Menschenhändler und die Kings aus der „Very Bad Kings“ Reihe wollen einen satanistischen Zirkel stürzen, der die Welt manipuliert und beherrscht.

Die meisten der Bücher weisen eine hohe Dichte an sehr expliziten Sexpassagen auf, so dass Dark Romance als Porno für Frauen verstanden werden muss. Dark Romance geht dabei häufig an die Grenzen des moralisch vertretbaren, manchmal auch darüber hinaus und bietet somit im Gegensatz zu klassischen Romanzen oder Erotikromanen den Reiz verbotener Literatur.

 

Sex sells

Und das verkauft sich. Massenhaft. Nicht zuletzt, weil die „Booktok“-Community als Teil der Socialmediaplattform TikTok voll auf den Dark Romance Zug aufgesprungen ist. Dadurch werden einige Bücher geradezu gehyped, zuletzt das über 600 Seiten starke „Haunting Adeline“, in dem sich die Protagonistin Adeline in ihren Stalker und Vergewaltiger Zane verliebt. Anders als Filme haben Bücher keine explizite Altersfreigabe, auch wenn einige Verlage mittlerweile freiwillige Empfehlungen ihren Werken hinzufügen. Und so kommt es, dass schon 13-jährige pornografische Literatur lesen, in der Gewalt als normales Mittel der Begierde dargestellt wird. Die meisten Bücher enthalten sogenannte „Triggerwarnungen“, die bewusste LeserInnen dazu befähigen sollen zu entscheiden, ob das gelesene verarbeitet werden kann. Ob Kinder und Jugendliche diese Weitsicht immer haben, gilt zu bezweifeln. An dieser Stelle wäre tatsächlich der Jugendschutz gefragt, was aber natürlich die Umsätze der Verlage und Buchhandlungen schmälern würde. Für filmische Pornographie gibt es zwar offizielle Altersgrenzen, die aber spätestens seit dem Internet kinderleicht zu umgehen sind. Und während 13-jährige Jungs sich weiterhin Pornoclips im Internet anschauen, lesen Mädchen jetzt Dark Romance. Vielleicht wird hier also nur eine Entwicklung nachgeholt.

 

Alles halb so schlimm?

Also doch kein Problem? Naja. Dark Romance bedient in den meisten Aspekten ein reaktionäres Rollenverständnis. Die Frau ist in einer Position der Schwäche und wird von einem dominanten und in irgendeiner Form mächtigen Mann (mit Sixpack) besessen und das findet sie ziemlich … geil. Dadurch wird sexuell übergriffiges Verhalten romantisiert und zunehmend normalisiert. Das macht natürlich etwas mit dem Bild von Sexualität und Beziehungen junger Frauen: Typen, die sich den Sex nehmen, den sie wollen, auch mit Einsatz von Messern, Waffen oder Chlorophorm, sind eigentlich missverstandene Romantiker und bei weniger Einsatz meint er’s vielleicht auch nicht ganz so ernst. Zugleich erleben wir in den Büchern durchaus Frauen, die den Sex, den sie haben, voll genießen, je nach Autorin sogar explizit einfordern. Die Darstellung ist also durchaus sexpositiv und stellt die Frauen nicht als Opfer von Sex dar. Das macht das Genre wohl so widersprüchlich und zeigt, dass es ein Spiegel der Rolle der Frau in der Gesellschaft ist: Powerfrauen auf der einen Seite, die sich nehmen, was sie wollen, aber doch insgeheim genießen gewaltsam erobert zu werden. Jetzt kann man natürlich den Leserinnen vorwerfen das nicht ausreichend zu reflektieren oder den Autorinnen, dass sie ihre Bücher als feministisch verstehen, schlussendlich aber doch klassische Rollenbilder und Unterdrückungsmuster bedienen. Das Kernproblem sind allerdings nicht die Bücher, ihre Leserinnen oder Autorinnen, die gesellschaftlichen Verhältnisse sind das Problem, in denen Frauen immer noch doppelt ausgebeutet werden und so in ökonomische und soziale Abhängigkeit zu ihren Partnern geraten. Diese Stellung der Frau im Kapitalismus resultiert daraus, dass die meisten Frauen zum einen Teil der Arbeiterklasse sind, also durch die Kapitalisten im Lohnverhältnis ausgebeutet werden und im Durchschnitt immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen (auch im selben Beruf). Auch übernehmen Frauen den größeren Teil der unbezahlten Reproduktionsaufgaben, wie Kinderbetreuung, Versorgung anderer Familienmitglieder oder Hausarbeiten. Aus dieser ökonomischen Stellung ergibt sich zum einen ein gewisser Girlboss-Feminismus, indem sich Frauen nehmen was sie wollen und Karriere machen können. Diese beliebte Erzählung sorgt natürlich auch für Leistungsdruck bei Frauen und Mädchen, was wiederum für einen Werterollback verantwortlich ist, der das männliche Rittertum wieder zu einem Ideal macht. Dark Romance bedient diese beiden Seiten in sehr zugespitzter Art und Weise.

Alles verbieten?

Am Ende stimmt vielleicht ein bisschen von allem. LeserInnen sollten einordnen können, dass es sich bei Dark Romance um fiktive und überspitzte Geschichten handelt, die zum Teil grotesk übertrieben dargestellt werden. Dafür braucht man Erfahrung mit der eigenen Sexualität und gesunden und ungesunden Beziehungen. Also Lebenserfahrung, die Jugendliche und Kinder einfach noch nicht haben. Ein wirksamer Jugendschutz wäre also sehr wichtig. Positiv herauszustellen ist die Darstellung der weiblichen Lust, die nicht nur durch rosa Blümchensex befriedigt wird. Hier tragen die AutorInnen tatsächlich etwas zur Enttabuisierung der weiblichen Sexualität bei. Zugleich behandeln die Bücher extrem schwere Themen, die aber zu unserem Leben gehören und äußerst widersprüchlich sind. Leider kann diese Lektüre zur Verklärung und Verharmlosung übergriffigen Verhaltens und sexualisierter Gewalt führen. Muss sie aber nicht. In Ballerspielen wird Töten und Krieg auch verherrlicht, auch das ist Ausdruck unserer gesellschaftlichen Verhältnisse, die abzulehnen sind. Und zurecht sind diese Spiele auch erst ab 18 Jahren zu bekommen. Dennoch werden die allermeisten Nutzer keine aggressiven Metzelmörder. So ist es wohl auch mit Dark Romance. Es ist ein Buchgenre für erwachsene Frauen, vielleicht auch irgendwann mal mehr für Männer und muss wie jede Kultur im Kapitalismus auch vor diesem Hintergrund gesehen und kritisiert werden.

Katha, Köln

 

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