Frauen im Streik

Der Kapitalismus trägt die Frauenunterdrückung in sich – wie die Wolke den Regen.

veröffentlicht am: 26 Feb, 2023

Was haben Krieg, Umweltzerstörung und die Unterdrückung der Frau gemeinsam? Sie alle lassen sich aus dem System erklären, in dem wir leben und großwerden. Frauen werden schlechter bezahlt, sexistisch behandelt und sind gesellschaftlich schlechter gestellt, weil der Kapitalismus darauf angewiesen ist. Aber wenn man verstanden hat, woher das kommt, dann fällt es auch leichter einen Ausweg zu finden. Also wollen wir uns einmal etwas tiefer mit den Ursachen der Unterdrückung der Frau beschäftigen:

Der gesellschaftliche Rahmen

Unsere kapitalistische Gesellschaft ist mehr und mehr in zwei Klassen geteilt: In eine sehr kleine kapitalistische Klasse und in eine sehr viel größere arbeitende Klasse. Erstere besitzt Produktionsmittel, also Fabriken, Maschinen, Büros und Letztere ist gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um überleben zu können. Dieser grundlegende Unterschied ist das Fundament für alle heutigen gesellschaftlichen und strukturellen Prozesse. Auch die Frauenfrage wird unmittelbar durch diesen Unterschied bestimmt. Wesentlich ist dabei, dass Kapitalisten sich an der Arbeit der Arbeiterklasse bereichern, dass sie diese also ausbeuten. Um den Zusammenhang deutlich zu machen, hier in aller Kürze und deutlich verkürzt: Während deines 8-Stunden-Tages hast du beispiels- weise bereits nach fünf Stunden den Wert geschaffen, der deinem Tageslohn entspricht, die restlichen drei Stunden arbeitest du für den Kapitalisten. Von deinem Lohn bezahlst du die Dinge, die man zum Leben braucht: Essen, Kleidung, Bildung, Erholung – Ausgaben, die in gewisser Weise notwendig sind, damit du am nächsten Tag überhaupt wieder zur Arbeit gehen kannst. Den Rest der Werte, die du innerhalb der restlichen 3 Stunden geschaffen hast, krallt sich dein Chef und wird damit reich. Diese Tatsache ist ein so zentrales Element des kapitalistischen Systems, dass die Kapitalisten sich ständig mit den Möglichkeiten der weiteren Verschärfung der Ausbeutung, etwa durch produktivere Arbeitsprozesse oder durch Lohndrückerei, auseinandersetzen müssen.

 

Die doppelte Unterdrückung

Aber was hat das jetzt mit der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft zu tun? Für den Kapitalismus erfüllt die Frau gleich mehrere wichtige Funktionen: Sie ist selbst Lohnarbeiterin, über-nimmt entscheidende Aufgaben in der „Hausarbeit“ und bringt Kinder und da- mit die Arbeitskräfte von morgen zur Welt. Allein durch das Bezahlen der Dinge, die man zum Leben braucht, ist die sogenannte Reproduktion der Arbeitskraft nicht geleistet, denn jemand muss das gekaufte Essen auch zubereiten, sich um die Erziehung der Kinder kümmern und den Haushalt machen. Das sind aus gesellschaftlicher Sicht notwendige Arbeiten, die im Kapitalismus unbezahlt meist durch Frauen erledigt werden und die das ganze System am Laufen halten. Gleichzeitig sind Frauen längst nicht mehr „nur“ Hausfrauen, sondern auch fester Bestandteil des Lohnarbeitssystems. Mit der Entstehung des Kapitalismus und der großen Industrie wurde auch in großem Maßstab die Möglichkeit und Notwendigkeit von Frauen-Erwerbsarbeit geschaffen. Geblieben sind historisch gewachsene und verbliebene Vorstellungen über die Wertigkeit der Frau und darüber, wer der Alleinernährer der Familie ist, sowie deutlich schwierigere Kampfbedingungen in den „klassischen Frauenberufen“ Reproduktionssektor, der von Vereinzelung, Aufsplitterung der Arbeitsschritte und einen geringeren ökonomischen Druck geprägt ist. Etwas, das die Kapitalisten ausnutzen, um die Arbeitskraft von Frauen geringer zu entlohnen und damit die Löhne aller Arbeitenden zu drücken. Sie verdienen im Schnitt 18% weniger als Männer und arbeiten überdurchschnittlich häufig in prekären Berufen. Dazu kommt noch eine sehr hohe Teilzeitquote, weil die Lohnarbeit der Frau gesellschaftlich noch immer eher als „Zuarbeit“ verstanden und ihre Haupttätigkeit, gemäß der kapitalistischen Ideologie, in der Hausarbeit gesehen wird, was wiederum einfach der ideologische Ausdruck davon ist, dass die Reproduktionsarbeit halt geleistet werden muss. Eine Vergesellschaftung der privat verlaufenden Reproduktionsarbeit kommt nämlich den Kapitalisten teurer zu stehen, als es einfach durch die Hausfrauen machen zu lassen. Die Frau wird im Kapitalismus also doppelt unterdrückt: Durch die Abwälzung der Reproduktionsarbeit auf ihren Rücken (als Mutter und/oder Hausfrau) und einmal in ihrer Rolle als Lohnarbeiterin, in der sie durch die Schlechterbezahlung den Konzernen Extraprofite sichert. Dadurch werden sie häufig noch immer in die ökonomische Abhängig- keit von Männern gezwungen.

Woher kommen die Rollenbilder?

Unsere Lebensumstände entscheiden darüber, was wir denken und was wir fühlen. Wir dürfen nicht den Fehler machen und glauben, dass unsere Gedanken, Eindrücke und Gefühle frei von äußeren Einflüssen geformt würden. Mädchen sind nicht automatisch eher sanftmütig, umsorgend und wollen Krankenschwester werden, Jungs nicht automatisch grob, dominant und wollen Bagger fahren. Erst durch das Aufwachsen in einer Gesellschaft, durch Erziehung(auch in der Schule) und indem sie sich die Verhaltensweisen ihrer Eltern abschauen, formen sich diese Eigenschaften und Interessen heraus, die von ihnen gesellschaftlich erwartet werden. Diese gesellschaftlichen Erwartungen sind nicht nur durch unsere jetzige Gesellschaftsformation bestimmt, die Unterdrückung der Frau gab es auch schon vor dem Kapitalismus, patriarchale Strukturen sind fast so alt wie die Klassengesellschaft an sich. Im Laufe der Geschichte haben sich die herrschenden Klassen immer die Ideologieelemente zu Eigen gemacht, die historisch gerade notwendig und sinnvoll waren, andere Elemente hat man überwunden oder weiterentwickelt. Im Kapitalismus ist es zum Beispiel mitunter das Bild von der sanftmütigen und um-sorgenden Mutter, die sich zuhause um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert, damit der Eindruck entsteht, sie würde das aufgrund ihrer „natürlichen“ weiblichen Eigenschaften tun und nicht, weil es für den Reproduktionsprozess notwendig ist. Oder das Bild von der schwachen Frau, die auf Hilfe angewiesen ist und nicht in der Lage ist, sich durchzusetzen – um schlechtere Löhne zu rechtfertigen, da die geleistete Arbeit ja angeblich weniger wert sei. Dem stehen natürlich auch Gegenrollenbilder gegenüber, die jedoch bspw. das gleich- zeitige Schaffen von Reproduktionsarbeit und Karriere als „Powerfrau“-Ideal predigen, die doppelte Unterdrückung auch zum Ideal erheben. Schon lange vor unserer Geburt findet eine Zuweisung der Geschlechterrollen statt und damit ein ganzes Konstrukt an Verhaltensweisen, Eigenschaften und Erwartungen, die man unter männlich oder weiblich definiert. Von klein auf werden wir dann damit überschüttet, wie wir uns diesen Geschlechtern entsprechend zu verhalten haben. Die Schlechterstellung von Frauen im Kapitalismus erfüllt also die Funktion, die unbezahlte Reproduktionsarbeit auf die Frau abwälzen zu können, das ideologisch rechtfertigen zu können und über dieses Bild der Kleinfamilie auch noch zu rechtfertigen, warum Frauen weniger verdienen. Diese Tatsache wird ständig durch das herrschende System reproduziert: Wir bekommen es vorgelebt, beigebracht, das Alles begegnet uns in Medien und Gesetzen. Aus die-sen reproduzierten Stereotypen folgen dann auch Sexismus, Gewalt an Frauen und Dominanzgehabe von Männern.

 

Was also tun?

Wir wissen also, dass die Ursache für die Unterdrückung der Frau im Kapitalismus liegt. Das hilft dabei, nicht auf Trugschlüsse her- einzufallen, dass zum Beispiel mehr Frauen in Politik und Führungsverantwortung etwas Grundsätzliches an der bescheidenen Lage der Frau ändern würden. Wer etwas gegen die Frauenunterdrückung unternehmen möchte, muss sich mit der Frage beschäftigen, welche Forderungen real die soziale und ökonomische Frau verbessern und, darüber hinaus, wie das System überwunden werden kann. Dabei spielt der eingangs benannte Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse die entscheidende Rolle. Die Unterdrückungsmechanismen im Kapitalismus, die proletarische Frauen doppelt trifft, treffen die gesamte Arbeiterklasse. Langfristig muss es darum gehen, für eine andere Gesellschaft zu kämpfen, wie es die ehemals sowjetische Ministerin Alexandra Kollontai treffend formuliert hat: „Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus – Kein Sozialismus ohne Befreiung der Frauen!“. Dieser Kampf um den Sozialismus wird getragen vom sogenannten revolutionären Subjekt, also der gesamten Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten.

Kurzfristig ist jeder gemeinsame Tarifkampf um höhere Löhne, zum Beispiel in klassischerweise frauendominierten Branchen wie dem Gesundheitswesen, ein Schritt hin zur ökonomischen Unabhängigkeit der Frau, ein Schritt zur Schaffung des Klassenbewusstseins aller. Sinnvoll verknüpft kann in solcher Auseinandersetzung dann auch anhand der praktischen Erfahrungen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, warum Sexismus uns als Arbeiterklasse in unseren Kämpfen spaltet und solchen Tendenzen entgegengewirkt werden.

 

Domi, Neumarkt

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