Likes & Dislikes (POSITION #05/19)

veröffentlicht am: 4 Dez, 2019

Guten Morgen, Du Schöne 

„Wir können uns eigentlich nicht wundern, dass in der sozialistischen Gesellschaft Konflikte ans Licht kommen, die jahrzehntelang im Dunkeln schmorten und Menschenleben vergifteten. Konflikte werden uns erst bewusst, wenn wir uns leisten können, sie zu bewältigen. Unsere Lage als Frau sehen wir differenzierter, seit wir die Gelegenheit haben sie zu verändern. Wir befinden uns auf unerforschtem Gebiet und sind noch weitgehend uns selbst überlassen.“ So leitet die in Österreich geborene und ab 1958 in der DDR lebende Schriftstellerin Maxie Wander ihr Buch ein. In 17 Gesprächsprotokollen gibt sie einen Einblick in das Leben von Frauen in der DDR, in eben diese Konflikte und wie sie versuchen diese zu bewältigen, aber auch in die neuen Möglichkeiten, die das demokratische Deutschland bietet. Die sechzehnjährige Schülerin kommt ebenso zu Wort wie die Großmutter, die Hausfrau, die Hochschulprofessorin. Sie geben uns authentische Einblicke in Alltag, Arbeit, Beziehungen, in ihre Hoffnungen und Träume und in die Wut über verstockte Verhältnisse, die sich nun mal auch im Sozialismus nicht von jetzt auf gleich verändern lassen. Die häufig lustigen und berührenden Schilderungen der Frauen sind nicht nur grandiose Unterhaltung, sie regen auch zum Nachdenken darüber an, wie wir eigentlich leben wollen und geben Kraft für den Kampf um genau diese Gelegenheit eines anderen Deutschlands. 

Eva, Nürnberg 

 

 

„The Boys“ 

Und es gibt sie doch! In der Serie „The Boys“ gehören Superhelden zum Alltag in den Vereinigten Staaten. Egal ob auf der Müslipackung, als Spielfigur oder im Fernsehen: Sie sind allgegenwärtige Promis, welche für das Wohl des Volkes sorgen. Starlight ist das neueste Mitglied der Seven, dem höchsten Gremium der Superhelden. Voller Tatendrang will sie die Welt verbessern, wird jedoch schnell enttäuscht und auf den Boden der kapitalistischen Realität zurückgeholt: ihre Mitsuperhelden sind korrupte Narzissten und der Konzern „Vought International“ vermarktet diese, um so möglichst viel Profit und Macht zu generieren. Das erfährt auch der Elektrofachverkäufer Hughie, nachdem seine Freundin durch ein Mitglied der Seven umkommt und dieses nur Spott für das Opfer übrighat. Daraufhin schließt er sich mit dem angeblichen FBI-Agenten Butcher zusammen, um die schmutzigen Machenschaften der Superhelden und Vought International zu beenden. Die Serie ist ein Hybrid aus Drama, Superheldfilm und einer Prise Splatter. Dabei zeigt sie immer wieder gesellschaftliche Missstände auf und vermag an einigen Stellen sogar Kritik an diesen zu üben. Von dieser muss man aber nicht allzu viel erwarten: Die Serie ist von Amazons eigenem Filmstudio produziert. Eine Empfehlung bekommt sie trotzdem, einerseits aufgrund der packenden Handlung, andererseits hat es seinen ganz eigenen Charme zwischen zig Produktplatzierungen und etlichen Seitenhieben gegen den Konkurrenten ebay von Amazon zu hören, was laut ihnen in der Werbeindustrie alles falsch läuft. 

Davy, Halle 

 

 

Wer hat meinen Vater umgebracht“

– Édouard Louis spricht Tatsachen aus

Karl Marx schreibt, dass Leid, wenn es bewusst wird, zur Leidenschaft wird. Erst dann wird man sich gegen das Leid auflehnen, das der Tauschwert, die Ware, das Kapital dem eigenen Körper und Geist zufügt. Die Leidenschaft protestiert gegen das Leid. Sie ist nicht nur ein Klagen. Sie ist revolutionär. Das Ziel jeder Leidenschaft ist, das Leid zu überwinden. In dieser Achse bewegt sich die Literatur des 26-jährigen französischen Schriftstellers Édouard Louis. In seinem 2018 auf deutsch erschienenen, schmalen Buch geht er der Frage nach: »Wer hat meinen Vater umgebracht«. Und er kommt zu einer Antwort: „Hollande, Valls, El Khomri, Hirsch, Sarkozy, Macron, Bertrand, Chirac. Für deine Leidensgeschichte gibt es Namen.“ Es sind die Namen der herrschenden Klasse. In klaren und präzisen Sätzen folgt er den Spuren der Ausbeutung, die sich in Gesetzespaketen und Reformen, etwa im Gesundheitssektor, verhüllen. Sein Schluss: „Die anderen, die Welt, die Justiz, alle wollen uns unaufhörlich rächen, ohne sich klar zu sein, dass diese Rache uns nicht hilft, sondern uns zerstört. Sie denken, sie würden uns retten, aber sie zerstören uns.“ Die Befreiung kann nur das Werk der Ausgebeuteten selbst sein. Im Vater-Sohn-Gespräch entfaltet sich keine Erzählung. Vielmehr tritt eine Tatsache allmählich hervor, der Klassenkampf von oben nach unten. Aus Louis‘ Büchern ist der Aufruhr der Gelbwesten zu vernehmen. Es lohnt sich, sie aufzuschlagen. Sie haben die Frische der Konfrontation.

Mesut, Ludwigsburg

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #5/2019
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