Verschmolzene Interessen

veröffentlicht am: 4 Apr, 2015

Triebkraft für Militarismus und imperialistischen Krieg: der Militärisch-Industrielle-Komplex
Jedes Jahr treffen sich auf der sogenannten Sicherheitskonferenz in München Regierungschefs und Minister sowie hochrangige Militärs insbesondere aus NATO und Europäischer Union (EU), um darüber zu diskutieren, wie sie ihre weltweite Vorherrschaft auch in Zukunft sichern können. Mit von der Partie sind dabei stets auch Vertreter der Rüstungsindustrie. 2014 beteiligte sich etwa an einer Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Europäischen Verteidigung“ neben diversen Verteidigungsministern auch ein Vertreter der Airbus Group. Das wichtigste passiert jedoch abseits des offiziellen Programms: Dort vernetzt man sich und bespricht Pläne für das kommende Jahr.

Für diese Verbindung von Industrie und Militär prägte der, der Kapitalismuskritik völlig unverdächtige, US-Präsident Eisenhower den Begriff des „Militärisch-Industriellen Komplexes“ (MIK). Dieser bezeichnet die neue Qualität der Zusammenarbeit von Konzernen, Teilen des Staats und Armeespitze. Dahinter steht ein gemeinsames Interesse – v.a. die Stärkung der Produktion von Kriegsgütern. Während erstere so ihren Profit maximieren wollen, streben letztere eine weitere Aufrüstung des Militärs an. Diese Ziele werden auf Biegen und Brechen durchgesetzt. Schon ein paar defekte Hubschrauber, die 2014 bei der Bundeswehr gefunden wurden, waren für den deutschen MIK Anlass genug, um weitere Aufrüstung und sogar den Rücktritt der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu fordern.

Namen und Gesichter
Die Vertreter des MIK lassen sich klar benennen. Ein Beispiel sind die Abgeordneten im Verteidigungsausschuss: Florian Hahn von der Christlich-Sozialen Union (CSU) ist unter anderem Vizepräsident der „Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe“ und kassiert außerdem als Aufsichtsrat ein Gehalt in der Industrieanlagen- Betriebsgesellschaft. Bernd Siebert von der CDU sitzt im Förderkreis Deutsches Heer und Wolfgang Hellmich von der SPD sitzt im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik. Dieser Organisation gehören gleich sechs Abgeordnete an. Die Gesellschaft wird mitfinanziert von großen deutschen Rüstungskonzernen wie Krauss-Maffei-Wegmann oder Rheinmetall sowie durch das größte europäische Rüstungsunternehmen EADS und dient vor allem dem Austausch zwischen und der Vernetzung von sogenannten Entscheidungsträgern. Ihre Brüsseler Abteilung, wo EU-Parlament und NATO sitzen, sieht ihre Aufgabe darin, „die Satzungsziele der Gesellschaft auch im internationalen Umfeld in Brüssel entsprechend den Erwartungen seiner Mitglieder, insbesondere der Fördernden Mitglieder, umzusetzen“. Auch der prall gefüllte Terminkalender des Förderkreises Deutsches Heer ist aufschlussreich. Monatlich gib es Info-Lunches und Parlamentarierabende, auch für Betriebsräte der „wehrtechnischen Industrie“ sind Treffen dabei. Das Ergebnis solcher Treffen: Im August traf sich eine Gruppe besorgter Betriebsräte der Rüstungsindustrie mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, um ihn von seinem angeblichen Vorhaben abzuhalten, weniger Waffen zu exportieren.

Alles Lobbyismus?
Derartige Lobby-Organisationen gibt es unzählige. Ist also der Einfluss der Rüstungsindustrie nur das Ergebnis von geschickter Marketing-Arbeit? Mit Sicherheit spielt diese eine zentrale Rolle. Der Abnehmerkreis von Waffen ist größtenteils auf Staaten beschränkt; somit kann wenig Werbung an der richtigen Stelle bereits einen großen Effekt erzielen. Dennoch kann der Einfluss des Militärisch-Industriellen Komplexes dadurch wohl kaum abschließend erklärt werden.

Zentraler für den Einfluss der Rüstungsindustrie ist ihre Bedeutung für den Staat. Dieser nutzt die hergestellten Waffen, um Polizei und Armee zu bewaffnen und so seine Interessen weltweit auch mit Waffengewalt durchsetzen zu können. Durch Rüstungsproduktion im eigenen Land ist er nicht auf Importe aus anderen Staaten angewiesen. Für die Industrie ist die Rüstungsproduktion dagegen eine relativ sichere Bank im Vergleich zur Herstellung von Konsumgütern. Entgegen immer wieder vorgetragenen Willensbekundungen, die Verteidigungshaushalte zu senken und das ewige Wehklagen der Industrie, dass zu wenig in Kriegsgut investiert würde, wurde der Etat für 2015 um 539 Mio.€ auf insgesamt rund 33 Mrd.€ erhöht.

Die Angst davor, in der Rüstungsproduktion die Unabhängigkeit von anderen Staaten zu verlieren spiegelt auch auf EU-Ebene wieder. Die der Bundesregierung nahestehende Stiftung „Wissenschaft und Politik“ (SWP) erklärte 2012: „Europa verliert die Fähigkeit, jenseits seiner Grenzen militärisch zu handeln.“

Logische Entwicklung
Zu diesem Zweck streben Industrie und Politik derzeit eine umfassende Konzentration und Zentralisation an. Sabine Lösing von der Partei Die Linke und Jürgen Wagner von der IMI kommen zu dem Schluss, dass die Zersplitterung der Rüstungsindustrie in Europa „mittlerweile sowohl den politischen Ambitionen der ‚Weltmacht Europa‘ als auch den Profitinteressen der Rüstungskonzerne zunehmend im Wege“ stünde. Dem soll durch diverse Abkommen wie dem sogenannten „Verteidigungspaket“ entgegengewirkt werden. Dabei geht es nicht um eine EU-weit gleichberechtigte Kooperation. Für Deutschland, Frankreich und Großbritannien steht dabei fest, dass „ihre“ Konzerne am Ende den Sektor dominieren werden. Gebremst wird diese Entwicklung insbesondere durch Widersprüche zwischen diesen Staaten, die auch nicht bereit sind, den anderen Großmächten irgendeine Vormachtstellung innerhalb der EU einzuräumen.

Der Einfluss des Militärs ist nichts Neues, besonders nicht im Krieg. Bereits im Ersten Weltkrieg konnte sich Rüstungsproduzent Daimler entgegen dem Ansinnen der Obersten Heeresleitung hohe Extraprofite sichern – allein durch die Drohung, die Produktion zu drosseln. Der Begriff „Militärisch-Industrieller Komplex“ beschreibt dagegen, dass der Grad der Verschmelzung eine neue Qualität erlangt hat, die nicht durch Zufall oder bloß durch ausgearteten Lobbyismus erklärt werden kann. Sie ist eine Notwenigkeit des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Wo neue Einflusssphären für das Kapital tendenziell nur noch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden können, dürfen Rüstungsproduktion und Ausrüstung der Armee nicht mehr der Anarchie des Marktes überlassen werden. Genaue Planung, Absprache und gemeinsame Forschung werden unumgänglich. Gleichzeitig ist der MIK der wichtigste Antreiber in Sachen Waffenexporte, Militarisierung und Kriegseinsätzen.

Gruppenkarte

finde die SDAJ Gruppe in deiner Nähe!

mehr zum Thema

Das, was man bei uns so Freiheit nennt

Das, was man bei uns so Freiheit nennt

Freie Zeit, Freizeit & das JZ „Es versteht sich von selbst, daß die time of labour selbst, dadurch, daß sie auf normales Maß beschränkt, ferner nicht mehr für einen anderen, sondern für mich selbst geschieht, zusammen mit der Aufhebung der sozialen Gegensätze...

mehr lesen
Arbeitszeitverkürzung und die Realität

Arbeitszeitverkürzung und die Realität

Gewerkschaften und die Verkürzung der Arbeitszeit heute Historisch ist das Thema Arbeitszeitverkürzung sehr präsent in den Gewerkschaften. Sei es der Kampf um den 8 Stunden Tag, die 35 Stunden Woche der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie oder der arbeitsfreie...

mehr lesen