Chávez lebt, der Kampf geht weiter

veröffentlicht am: 13 Mrz, 2015

Venezuela: Bilder fälschen, Waren zurückhalten, Putsch planen – „wann macht das venezolanische Volk Schluss damit?“

Ein verrückter Diktator, brutale Repression gegen Studierendenproteste, Mangel an allen Ecken – so das Bild von Venezuela, dass in den großen deutschen Medien präsentiert wird. Und die imperialistischen Angriffe gegen die bolivarische Republik nehmen weiter zu. Deshalb organisiert der Weltbund der demokratischen Jugend (WBDJ) im 70. Jahr seiner Gründung eine Kampagne in Solidarität mit dem bolivarischen Prozess. Über 50 Delegierte aus 25 Ländern aller Kontinente beteiligten sich an einer Solidaritätsmission, die vom 20.-28. Februar in Caracas stattfand. Darunter auch die SDAJ.
Die Bilder der Proteste in Venezuela Anfang 2014 gingen um die Welt – Studenten auf der Straße, brutale Polizeigewalt. Das Problem: sie waren nicht echt. Die venezolanische Regierung hat eine ganze Sammlung gefälschter Bilder rausgegeben – oftmals wurden einfach entsprechende Aufnahmen aus anderen Ländern, zum Beispiel Chile, veröffentlicht.
Ich sitze in einem Café in einem der reicheren Teile Caracas’. Plötzlich findet sich eine Demo zusammen. Es sind vielleicht 50 Leute, die eine Stunde den Verkehr blockieren. 10 Nationalgardisten stehen daneben und schauen sich das an. In Venezuela ist das kein Grund einzugreifen. In Deutschland wäre das anders.
Eine Venzolanerin erzählt mir, dass die Proteste im vergangenen Jahr oft ähnlich groß waren. In gerade einmal 6 von über 300 Bezirken Venezuelas gab es sie. 43 Menschen verloren bei den „guarimbas“ ihr Leben. 6 davon durch staatliche Sicherheitskräfte. Die dafür verantwortlichen Polizisten sitzen alle in Haft.
„Wenn dieser Protest friedlich gewesen wäre, hätte ich heute einen Freund, der da ist, wenn ich aufwache“, berichtet eine Nationalgardistin, die ihren Mann verlor, weil er einen verletzten Jungen retten wollte. Andere starben, weil sie Barrikaden entfernen wollte. Ein Motorradfahrer wurde durch ein Stahlseil geköpft, dass über die Straße gespannt war.
Die guarimbas waren keine studentische Massenbewegung. Die venezolanische Reaktion hatte die Präsidentschaftswahl verloren, wollte aber die Zeit unmittelbar nach Chávez‘ Tod nutzen, um dem bolivarischen Prozess ein Ende zu bereiten. Sie griffen Gesundheitszentren für Kinder an, Demonstrationen der Linken und initiierten eine internationale Medienkampagne gegen Venezuela. USA, Spanien, Deutschland und andere imperialistische Staaten mischen kräftig mit – mit ihren Medienkonzernen, mit Geldern ihrer „Hilfsorganisationen“ oder mit Paramilitärs aus Kolumbien.
„Bis wann werden wir ihre Aktivitäten dulden? Wann macht das venezolanische Volk endlich Schluss damit?“, fragt ein Vater, der seinen Sohn verlor.
„Putschisten“ schallt es von den Besuchertribünen der Nationalversammlung. Thema ist ein Plan zur Transformation, der Bestandteil eines neuen Putschversuchs war. Inklusive der für den 12. Februar 2014 geplanten Bombardierung des Präsidentenpalasts. „Ihr werdet uns Maduro nicht nehmen – auch keine 48 Stunden“, macht die Regierung deutlich. 2002 war ein Putschversuch durch das Volk in kurzer Zeit unterbunden worden. Und dennoch: die Angriffe des Imperialismus dauern an. Sanktionen werden verhängt, die Reaktion finanziert und faschistische Organisationen aufgebaut. Immer wieder hören wir in deutschen Medien, was man in Venezuela alles nicht kaufen könne: Kaffee, Seife, Toilettenpapier. Die Regierung habe abgewirtschaftet, was auch die enorme Inflation zeige. Es ist nicht alles falsch, was die Tagesschau zeigt. Es stimmt: Es gibt lange Schlangen in Supermärkten, mal fehlt eine Woche der Kaffee, mal die Milch, mal die Seife. Merkwürdig nur, dass in der Woche danach alles in großer Mengen wieder da ist. Denn was man hier nicht hört: Es gibt all diese Sachen. Aber sie liegen in den Händen weniger privater Hersteller und Händler. Von einem Wirtschaftskrieg spricht daher die Regierung, der mit einem Medienkrieg einhergeht. Und die Gefahr einer offenen Intervention, wenn die bisherigen Mittel nicht reichen, bleibt.
Viel wird in Deutschland über Linksregierungen diskutiert, ebenso viel von der sozialistischen Partei Venezuelas über Sozialismus geredet. Ohne Zweifel: die Erfolge des bolivarischen Prozesses sind beeindruckend. Millionen Menschen aus der Armut geholt, umfassender Aufbau sozialer Absicherung, Zugang zum Bildungssystem und zur medizinischen Versorgung für alle, Wohnungsbauprojekte. Heute gehen in Venezuela 10 Millionen Menschen zu Schule oder Uni, in Krisenzeiten werden der Mindestlohn angehoben und der Bau 3 Millionen neuer Wohnungen beschlossen. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 30 Millionen Menschen. „Wir wollen der Jugend der Welt eine Alternative aufzeigen.“, erklärt Bildungsminister Rodriguez. „Der Mensch kann unter anderen Bedingungen leben, als in der kapitalistischen Realität“. Und dennoch: Venezuela ist kein Beispiel für einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Im Gegenteil: Was Teile der nationalen Bourgeoisie am Anfang vielleicht noch mitgemacht haben, wird ihnen jetzt zu teuer. Und antiimperialistische Politik ohne Kontrolle über die ökonomische Basis gerät schnell an ihre Grenzen. Das venezolanische Volk hat den Weg begonnen, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Die Kommunisten, die sich bewusst nicht an der Regierung beteiligen, unterstützen die Regierung – es hängt viel ab von diesem Prozess, nicht nur für Venezuela. Aber sie verheimlichen ihre Position nicht. Sie stehen für den Aufbau einer breiten revolutionären Volksfront. Denn auch in Venezuela wird es eine wirkliche nationale Befreiung erst im Sozialismus geben.
Wir stehen vor Chavez’ Sarg. Es ist die Zeit der Wachablösung. Für viele sicherlich eine merkwürdige Tradition. Aber das hier ist beeindruckend, spätestens bei dem gemeinsamen Ruf „¡Chávez vive – la lucha sigue!“. „Ihr braucht keine Angst zu haben“, sagt die ältere Venezolanerin neben mir. Sie hat Tränen in den Augen. „Die Imperialisten haben Macht und Geld, aber sie haben keine Chance gegen uns“. „Wir lassen uns nicht unterkriegen“, ergänzt ihr Mann. „Die für das Leben sterben, kann man nicht tot nennen“, sang Ali Primera. Die venezolanischen Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen sind bereit, das Leben mit ihrem Leben zu verteidigen. „Wir sind auf alles vorbereitet – komme, was wolle“ erklären uns Kommunistische und Sozialistische Partei. Dafür brauchen sie unsere Solidarität. Die Solidaritätsmission in Caracas ist beendet, aber die Arbeit hat gerade erst begonnen: Dem venezolanischen Volk zu helfen, heißt den Imperialisten dort das Handwerk zu legen, wo sie zu Hause sind. Zum Beispiel in Deutschland.

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