Uni & SDAJ

Für eine solidarische, demokratische und zukunftsorientierte Hochschulbildung!

Zur Situation der bundesdeutschen Hochschulbildung im gegenwärtigen Kapitalismus

Die Aufhebung des Verbots allgemeiner Studiengebühren durch das Bundesverfassungsgericht 2005 reiht sich in die allgemeine Abgabe von Hochschulkompetenzen des Bundes an die Bundesländer ein. Dabei begünstigt die geschaffene Konkurrenz zwischen den Bundesländern die Durchsetzung einer kapitalkonformen Infrastruktur. Zu Erwarten ist eine Entwicklung hin zu überfüllten staatlichen Universitäten und privaten Elite-Hochschulen. Ein Hebel dazu ist das Konzept der „Hochschulautonomie“. Hier gibt es deutliche Parallelen zum Bereich der Schulpolitik.

Aktuelle Entwicklungen, wie die bundesweite Einführung von Studiengebühren und die Modularisierung des Studiums mittels Bachelor- und Master-Studiengängen zeigen, dass die StudentInnen ähnlichen Angriffen ausgesetzt sind, wie SchülerInnen und Auszubildende auch. In allen drei Bereichen der Bildung und Ausbildung wird der Zugang beschränkt und die Qualität (zumindest für die breite Masse) gesenkt.

Während also Schulen und Universitäten immer mehr von Mittelkürzungen betroffen sind und unter einander in Konkurrenz gezwungen werden, andererseits Schmalspurausbildungen zunehmen und betriebliche Ausbildungsplätze durch schulische Ausbildung ersetzt werden, wird über forcierten Ausbildungsplatzabbau, Studiengebühren sowie steigendem Leistungs- und Prüfungsdruck die Selektion in der gesamten arbeitenden und lernenden Jugend verstärkt. Die große Masse der Jugendlichen ist einer verschärften Konkurrenzsituation und einer Verallgemeinerung von (Zukunfts-)Unsicherheit ausgesetzt.

Aber die SchülerInnen, Auszubildenden und Studierenden sind nicht nur von vergleichbaren Angriffen betroffen, sondern sie haben auch denselben Gegner. Es sind die großen Konzerne, die immer mehr Ausbildungsplätze abbauen. Und es ist ebenfalls das Monopolkapital, in dessen Interesse die Regierung die Mittel für die Bildung kürzt, um mehr Geld in die Rüstung zu stecken.

Weil auf Grund der fortschreitenden Produktivkraftentwicklung – bei stagnierender oder verlängerter Arbeitszeit – immer weniger Menschen für den Produktionsprozess benötigt werden, gibt es für das Großkapital keinen Grund, allen Jugendlichen die gleiche, qualitativ hochwertige (Aus-)Bildung zu ermöglichen. Die Schaffung einer hoch qualifizierten Elite für immer höhere technische und organisatorische Anforderungen des Produktionsprozesses einerseits und einer breiten, gering qualifizierten Masse andererseits, entspricht den Interessen des Kapitals auf dem gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte.

Die Durchsetzung von Schmalspurstudiengängen, hohen Zugangsbeschränkungen und der Dominanz der Forschung gegenüber der Lehre an Hochschulen ist die Umsetzung dieser Anforderungen an deutschen Universitäten.

Für die gemeinsamen Interessen kämpfen! – Mit der Arbeiterklasse verbünden!

Die Folgen des Bildungsabbaus und des verschärften Konkurrenzdrucks innerhalb der arbeitenden und lernenden Jugend sind auf der einen Seite die Verbreitung von Resignation und Ellenbogenmentalität als individualisierte Verarbeitungsformen der Offensive des Kapitals, andererseits aber auch eine steigende Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft. Davon zeugen nicht zuletzt auch die immer wieder aufflammenden Proteste der Studierenden. Erfolgreich werden sie allerdings so lange nicht sein, wie sie gesellschaftlich isoliert bleiben.

Die Angriffe der Konzerne richten sich sowohl gegen die breite Masse der Studierenden und die Arbeiterklasse. Die Studierenden können nur erfolgreich sein, wenn sie im Bündnis mit der Arbeiterklasse agieren. Nur sie kann über ihr ökonomisches Druckpotential eine Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit erkämpfen. Dies verbessert die Chancen für fortschrittliche Reformen auch an den Hochschulen und kann auch grundsätzliche gesellschaftspolitische Alternativen eröffnen.

1. Für einen freien Hochschulzugang!

Das Bildungssystem der BRD ist im höchsten Maße selektiv. Spätestens die Pisa – Studie zeigt, dass die soziale Herkunft den Bildungsweg maßgeblich vorbestimmt. Es erreichen höchstens 36 % eines Jahrgangs die Hochschulreife, davon schaffen letztendlich 19 % einen Hochschulabschluss. Der Anteil von Arbeiterkindern, die studieren, schwankt seit jeher um etwa 7 %.
Zusätzlich wird der Hochschulzugang administrativ eingeschränkt. Der „Numerus Clausus“, ursprünglich als eine Übergangslösung bei Kapazitätsengpässen gedacht, ist zu einem flächendeckend eingesetzten Instrument geworden. Studiengebühren, zunächst in Form erhöhter Rückmeldegebühren und Langzeitstudiengebühren eingeführt, sind inzwischen als allgemeine Studiengebühren mit etwa 500 Euro pro Semester in den meisten Bundesländern Realität. Der Vergleich mit Großbritannien oder gar den USA zeigt, dass die mögliche obere Grenze damit aber noch lange nicht erreicht ist.

Die Zugangsbeschränkungen an der Hochschule lassen auch andere Bereiche des Berufsausbildungssystems nicht unberührt. Die sinkende Zahl an Hochschulbewerbern bedeutet, dass noch mehr Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt drängen und damit die Konkurrenz unter Ausbildungssuchenden verstärken. Die Folge ist bereits jetzt eine zu beobachtende Erhöhung des Anforderungsniveaus der Unternehmen bei Einstellungen und eine höhere Jugendarbeitslosigkeit.

Zwar haben sich die Bundesländer im Hochschulpakt verpflichtet, bis 2010 90.000 zusätzliche Studienanfänger aufzunehmen. Wie sie finanziert werden und welche Perspektive sie anschließend, bspw. für ein Master-Studium haben werden, ist aber fraglich. Denn mit der Tendenz zur Zugangsbeschränkung tritt auch die Tendenz zu Schmalspur-Studiengängen, bspw. in immer strafferen Bachelor-Studiengängen, zutage. Die Zulassung zum weiterführenden Master-Studiengang für Bachelors ist bereits heute in vielen Universitäten stark eingeschränkt. Um Studierende noch schneller auf den Arbeitsmarkt zu drängen, setzt man sie mittels Selektion einem stärkeren Druck aus.

Forderungen:

Für ein bundesweites Verbot von Studiengebühren!

Bildung ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht. Der Zugang zur Hochschule darf nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden. Studiengebühren sind daher in jeder Form abzuschaffen!

Für die Abschaffung des „Numerus Clausus“ und anderer Zugangsbeschränkungen!
Die Aufgabe der Universitäten ist es, ein bedarfsgerechtes Angebot an Studiengängen zu schaffen. Daher kann die Antwort auf fehlende Mittel keine Zugangsbeschränkung, sondern nur die Erhöhung der Bildungshaushalte sein! Eine abgeschlossene betriebliche oder schulische Ausbildung muss zum Studieren an deutschen Hochschulen berechtigen. Unis dürfen keine eigenen Auswahlverfahren praktizieren.

Für eine Übernahme aller Bachelor – AbsolventInnen!

Der Sinn und Zweck dieses sehr kurz und sehr schulisch angelegten Studiengangs ist zu Recht umstritten. Gleichzeitig ist aber der nächst höhere Master-Studiengang darauf ausgelegt, dass nur ein Bruchteil der Bachelor-Studierenden anschließend ihren Master machen können. Damit nimmt man zukünftigen HochschulabsolventInnen einen großen Teil ihrer Qualifikation – und damit ihrer Berufschancen. Zusätzlich verstärkt die Selektion den Druck auf Studierende, in kürzester Zeit ihren Abschluss zu machen. Auf der Strecke bleibt wiederum die Ausbildungsqualität.

Gleiche Chancen für Frauen!

Die Forderung nach einer demokratischen Hochschule muss den gleichberechtigten Zugang für Frauen an alle Hochschulen, Fachbereiche und Studiengänge beinhalten. Einer nach wie vor präsenten Orientierung auf traditionelle „Frauenbereiche“ muss entgegenwirkt werden. Dafür muss es gezielte Einstellungen weiblicher Lehrender und wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern geben. Strukturen, die Frauen mit Kind diskriminieren, müssen beseitigt und gleiche Chancen geschaffen werden. Daher fordern wird den Erhalt und Ausbau von Uni-Kindergärten mit flexiblen, an die Seminarzeiten der Eltern angepassten Betreuungszeiten, sowie die Einrichtung und den Ausbau von Kinderkrippen, Kindergärten und Tagesstätten in Uni-Nähe. Studierenden Frauen muss durch ausreichende finanzielle Unterstützung und der Bereitstellung von genügend Wohnraum ein Studium auch mit Kind ermöglicht werden.“

Sofortige Einführung eines kostenfreien Orientierungssemesters!

Im Orientierungssemester wählt der/die Studierende drei Fächer, die er/sie zunächst gleichberechtigt studiert. Erst am Ende des Semesters wird eins davon zum Hauptfach gewählt. Dadurch sollen Fehlentscheidungen bei der Fächerwahl, die oft zu Studienabbruch, und schlechten Leistungen führen, vermindert werden. Ein Fachwechsel gilt heute als Scheitern und Fehlinvestition. Dieser Druck muss von den Studierenden genommen werden.

2. Für ein Einkommen zum Auskommen – und Studieren!

Durch die Einführung von Studiengebühren hat sich die finanzielle Situation der meisten Studierenden nochmals verschlechtert. Vergünstigungen und Angebote für Studierende, wie z.B. Studentenwohnheime oder Nahverkehrstickets werden immer mehr zurückgefahren. Schon vorher waren sog. Semestergebühren zu zahlen, die nicht selten um die 200€ liegen – die Studiengebühren kommen nun dazu.
Wer nicht von seinen Eltern unterstützt werden kann, muss neben dem Studium arbeiten gehen. Folglich fehlt dann die Zeit, sich ausreichend auf sein Studium zu konzentrieren. Anstatt sich ausführlich mit den Inhalten des Studiums zu beschäftigen, können nur noch die absoluten Mindestanforderungen erledigt werden. Die Qualität der Ausbildung geht flöten. Oftmals können aber auch diese Mindestanforderungen nicht in der Regelstudienzeit erledigt werden, was zu Verlust des BAföG oder und zur weiteren Verlängerung des Studiums führt – und weiteren Studiengebühren. Die Studierenden befinden sich somit in einem „Teufelskreis“, der sich negativ auf ihre beruflichen Chancen auswirkt.

Forderungen:

Ein elternunabhängiges BaföG-Stipendium – gekoppelt an einen gesetzlichen Mindestlohn!

Auch Studierende sind vom stetigen Ansteigen der Lebenshaltungskosten betroffen. Gleichzeitig steigen durch allerlei Gebühren und die notwendige Anschaffung von fehlender Fachliteratur ständig die Kosten des Studiums. Trotzdem stagniert der BAföG-Satz seit 2001 auf niedrigem Niveau. Auch die bisherige Rückzahlungspflicht des BAföG ist bei der unsicheren Perspektive von Studierenden zusätzlich belastend. Wir fordern daher die Abschaffung der bisherigen BAföG-Rückzahlungspflicht und die Koppelung an einen zu erkämpfenden gesetzlichen Mindestlohn.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Für eine tarifliche Bindung studentischer Beschäftigung!

Klassische studentische Beschäftigung, wie HilfswissenschaftlerInnen an Universitäten oder Nebenjobs im Sinne von Aushilfstätigkeiten, ist in der Regel weder tarifvertraglich abgesichert noch regulärer Beschäftigung gleichgestellt. Dabei ist eine studentische Hilfskraft gerade in Branchen mit niedriger Einstiegsqualifikation (bspw. Gastronomie) in der Regel ein Ersatz von regulärer Beschäftigung.
HilfswissenschaftlerInnen verrichten an der Universität unverzichtbare Arbeiten zur Erhaltung des Lehrbetriebs, oftmals für einen Hungerlohn.
Auch WerksstudentInnen, also StudentInnen, die in ihrem Beruf schon während des Studiums und in den Semesterferien arbeiten, werden in der Regel unterbezahlt und genießen nicht die gleichen Rechte wie Kernbelegschaften. Oftmals nutzen Unternehmen WerkstudentInnen für reguläre Arbeiten und schaffen damit in Konkurrenz zur Kernbelegschaft einen parallelen Arbeitsmarkt innerhalb des Betriebes.

3. Für eine qualitativ hochwertige Hochschulausbildung!

Das Kaputtsparen der staatlichen Hochschulen hat bereits zu einer katastrophalen Studiensituation für viele Jugendliche geführt. Die Verteilung der Pro-Kopf-Mittel ist inzwischen mehr als unzureichend. Hunderte Studierende sitzen im Hörsaal auf dem Boden, weil kein Platz für sie da ist. Qualität und Quantität der Lernmittel sind z.T. mangelhaft. Besonders die Bibliotheken sind chronisch unterfinanziert, mit der Folge, dass immer mehr teure Lernmittel und Literatur von den Studierenden gekauft werden müssen. Dies steht im krassen Widerspruch zur Lernmittelfreiheit und wirkt extrem sozial selektiv.
Staatliche Universitäten, die bereits jetzt mit Kürzung der staatlichen Mittel zu kämpfen haben, werden durch die stattfindende Umschichtung der Mittel zugunsten von Privatuniversitäten und Exzellenzinitiativen in Zukunft noch schärferem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt.

Forderungen:

Für das Verbot von Privatuniversitäten! Keine Eliteuniversitäten! Mehr Geld für öffentliche Hochschulbildung!

Unter den Bedingungen der geschaffenen Konkurrenz zwischen Hochschulen steigen die Möglichkeiten der Konzerne, ihren direkten Einfluss zu vergrößern. Die von rechter Seite geforderte erweiterte Selbstbestimmung der Hochschulen führt unter den Bedingungen der Konkurrenz zu ihrem Gegenteil, zur Unterwerfung unter wirtschaftlichen Zwang. Das Ergebnis ist die sinkende Ausbildungsqualität und der stärkere Druck, der auf Studierende ausgeübt wird.

Für mehr HochschullehrerInnen!

Mehr HochschullehrerInen mit unbefristeten, festen Verträgen einzustellen würde für Studierende eine qualitative Steigerung bedeuten: Auf zehn Studierende muss jeweils ein/e HochschullehrerIn kommen. In Seminaren darf eine Zahl von 20 Studierenden nicht überschritten werden. So wäre gewährleistet, dass der Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden funktioniert, und dass die individuelle Betreuung der Studierenden durch ihre HochschullehrerInnen überhaupt möglich ist.

Gegen Schmalspurstudiengänge!

Weil nicht alle Bachelor-AbsolventInnen den Master machen dürfen, befinden sich die Studierenden in einer künstlich erzeugten und unmittelbaren Konkurrenzsituation. Somit wird Entsolidarisierungspotenzial erzeugt und die Einheit der Interessen verdeckt.
Es gibt immer enger ausgerichtete Bachelor-Studiengänge, die auf konkrete Tätigkeiten im Betrieb zugeschnitten sind. In einigen Bereichen, z.B. in der Informatik, steht die Hochschulausbildung damit in unmittelbarer Konkurrenz zur betrieblichen. Für die Unternehmer bedeutet dies eine Senkung der Ausbildungskosten, für die Jugendlichen, dass sie – durch Studiengebühren und Aufbringen der Reproduktionskosten – diese Kosten tragen müssen.
Die Qualität der Bachelor-Studiengänge darf nicht hinter die Standards der „alten Studiengänge“ zurückgehen, um der „Verschulung“ und „Verschlankung“ entgegenzuwirken. Ein erster Schritt hierbei wäre die Anhebung der Regelstudienzeit auf das Niveau des jeweiligen Diplom- oder Magister-Studiengangs.

Lernmittelfreiheit durchsetzen!

Kostenfreie Bildung ist ein Grundrecht, das wieder neu erkämpft werden muss.

4. Für eine demokratische Hochschule!

Der gegenwärtige Trend der Ökonomisierung an den Hochschulen ist ein Schlag der Konzerne gegen die demokratischen Strukturen an den Unis. Die Überführung der Entscheidungsfähigkeit in den Hochschulen an management-artige Strukturen führen schon jetzt zu einer wettbewerbs-zentrierten Ausrichtung der Hochschule. Die Lehre leidet an eingeschränkter und vermeintlich „leistungsorientierter“ Mittelvergabe, also Vergabe von Geldern nach wirtschaftlichen Interessen der Konzerne.
Mit der Ausrichtung und Hinwendung an die Wirtschaft und damit an die herrschende Klasse werden strategischen und gewinnorientierten Entscheidungen hochschulfremder Gremien Vorschub geleistet. In den meisten Bundesländern wurden bereits Hochschulräte aus Vertretern der Wirtschaft und abgehalfterten Politikern eingeführt und nach und nach mit Entscheidungskompetenzen auf die Ausrichtung der Unis ausgestattet. Die bisher schon unzureichend entwickelten Selbstbestimmungsrechte der Studierenden in Form von Institutionen wie der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA), der Unabhängige Studierenden Ausschuss (UstA) oder der Studierenden Rat (StuRa), aber auch der akademischen Selbstverwaltung im Bereich der Lehrenden werden damit direkt angegriffen. Die Möglichkeiten der Menschen, die über Ausbildung oder Beruf an die Hochschule gebunden sind, diese mitzugestalten und aktiv ihre Interessen zu vertreten, wird so weiter eingeschränkt!
Für uns ist klar, die Hochschule ist in der Klassengesellschaft kein demokratischer Raum! Aber es ist unsere Aufgabe die Entwicklung, den Ausbau und die Verteidigung demokratischer Strukturen als Klassenkampf zu verstehen und aktiv zu verwirklichen!

Forderungen:

Weg mit der Hochschulautonomie!

Der unter dem Schlagwort der „Hochschulautonomie“ forcierte Wettbewerb der Hochschulen untereinander um Gelder aus der Wirtschaft verstärkt die allgemeine Ausbreitung kapitalistischer Konkurrenzverhältnisse. Hier wird gezielt auf eine „Profilierung“ der Hochschule hingearbeitet. D.h. das Profil wird an bestimmten, natürlich wirtschaftlichen Gewinn versprechenden, Fächern ausgerichtet. Lehrmeinungen und Inhalte, die nicht in dieses Profil passen, stehen dementsprechend auf der „Abschussliste“.
Wenn die „Wettbewerbsfähigkeit“ der Hochschule zum neuen Credo wird, stehen autonome wissenschaftliche Auseinandersetzungen unter Beschuss, wird schlussendlich wissenschaftliches Engagement und Innovation von Studierenden und Lehrenden eingeschränkt. Selbstständige Anwendung und Entwicklung wissenschaftlicher Methoden als demokratischer Grundsatz eines fortschrittlich-kritischen Wissenschaftskonzepts werden zu Gunsten ökonomischer Rentabilitäts-Gesichtspunkten abgekanzelt.
Die Freiheit der Forschung kann nicht durch einen Zwang zu wirtschaftlicher Nutzbarkeit ersetzt werden. Schon jetzt werden unter dem Mantel der Evaluation von Forschung und Lehre hauptsächlich ökonomisch-verwertbare Kriterien gemessen. Statt Mitsprache der Studierenden werden sie selbst, ihre Abschlüsse, ihre Studiendauer, die angeworbenen Drittmittel zu Planzahlen einer nur an Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Bürokratie, die an den tatsächlichen Bedürfnissen der studierenden und Lehrenden vorbei geht.

Für eine unabhängige, starke und demokratische Selbstvertretung der Studierendenschaft!

Die Hochschule bindet eine Vielzahl an Menschen über Ausbildung oder Beruf an sich. Eine umfassende Absicherung des Mitspracherechts über die eigenen Belange, sei es bei Personalentscheidungen oder den Angelegenheiten der Studierenden ist das absolute Minimum an Demokratie. Besonders das Mitspracherecht der Studierenden ist ein wesentliches Element einer demokratischen Ordnung an den Hochschulen. Derzeit werden die Errungenschaften der Demokratisierung an den Hochschulen mit allen Mitteln rückgängig gemacht. Ist die Hochschule bereits durch frühe Selektion von bspw. Arbeiterkindern eine einseitige Institution der Herrschenden in unserer kapitalistischen Gesellschaft, geraten jetzt auch die Formen demokratischer Mitbestimmung innerhalb dieser Institution unter Beschuss. Wir dürfen die erkämpften Errungenschaften nicht aufgeben, vielmehr müssen wir sie voranbringen. Die selbstständige Vertretung der Studierenden muss an allen Hochschulen gestärkt, ausgebaut und ausreichend entwickelt werden.
Der Grundpfeiler einer demokratischen Hochschule ist eine ausreichende Mitbestimmung durch die Gesamtheit der Studierenden selber. Eine Selbstvertretung der Studierenden, die als Korrektiv für die verfehlte Bildungspolitik der herrschenden Klasse und damit geförderte Mittelknappheit herhält kann ihre wirklichen Aufgaben nur noch unzureichend wahrnehmen. Eine Rechenschaftspflicht gegenüber den leitenden Institutionen der Hochschule wie in Baden-Württemberg ist kein tragbarer Zustand und führt gerade im Zuge der fortschreitenden Ökonomisierung zu weitreichenden Abhängigkeiten, die mit dem Selbstvertretungsanspruch unvereinbar sind. Nur eine unabhängige Interessensvertretung garantiert die vollständige Vertretung aller Studierenden.

Erkämpft das Allgemeinpolitische Mandat!

Das Allgemeinpolitische Mandat für die studentischen Selbstvertretungsorgane ist unser Ziel.
Hochschulen sind Teil der kapitalistischen Gesellschaft, auch hochschulpolitische Aktivitäten lassen sich nicht aus diesem Zusammenhang lösen. Das Allgemeinpolitsche Mandat wird den verfassten Studierendenschaften jedoch verwehrt und äußern sie sich allgemeinpolitisch oder gesellschaftskritisch, werden sie häufig mit Disziplinarmaßnahmen überzogen. Studierende und ihre Vertretungen müssen das Recht haben sich auch zu den Themen zu äußern, die sie als Teil der Gesellschaft betreffen, auch wenn sie nicht unmittelbar mit der Hochschule verknüpft sind.
Demokratische Aktivitäten und Meinungsäußerungen dürfen nicht sanktioniert werden. Weder unmittelbar durch das Verbot des allgemeinpolitischen Mandats noch durch spätere Berufsverbote.

5. Nach dem Studium: Zukunft statt Perspektivlosigkeit!

Von der hohen Arbeitslosigkeit sind auch HochschulabsolventInnen immer stärker betroffen. Die Zeiten, in denen eine hohe Qualifikation als Garantie gegen Arbeitslosigkeit galt, sind längst vorbei. Selbst Jugendliche mit Hochschulabschluss sind zunehmend von Hartz IV betroffen. Dies betrifft schon lange nicht mehr nur Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen, sondern immer mehr auch andere Bereiche, wie z.B. Wirtschafts- und NaturwissenschaftlerInnen.
Die verschärfte Konkurrenz, auch auf dem AkademikerInnen-Arbeitsmarkt führt dazu, dass immer mehr HochschulabsolventInnen sich aus Angst vor Arbeitslosigkeit oder Lücken im Lebenslauf genötigt sehen un- oder unterbezahlte Praktika, auch nach Abschluss ihres Studiums zu absolvieren. Die Vergütung liegt – wenn überhaupt – nicht selten bei unter 100€.
Immer mehr Unternehmen werben mit einer angeblichen Aussicht auf „eventuelle Übernahme“ für Praktika, für die ein abgeschlossenes Studium teilweise sogar schon Voraussetzungen ist; auch Zeiträume von 6-12 Monaten sind nicht selten. Sie nutzen die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen aus, um ihre Profite zu maximieren, in dem sie Personalkosten einsparen. Es hat sich ein regelrechter „PraktikantInnen-Arbeitsmarkt“ herausgebildet, der dazu dient tariflich geregelte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch junge, hochqualifizierte und motivierte PraktikantInnen zu ersetzen. Eine Übernahme ist von vornherein nicht geplant – nicht wenige (vor allem Klein-)Unternehmen bestehen zu 70% aus PraktikantInnen! Nicht selten werden ganze Forschungsprojekte an Universitäten von WissenschaftlerInnen auf 1-Euro-Job-Basis durchgeführt.
Damit wird auch den hochqualifizierten Jugendlichen ein eigenständiges, elternunabhängiges Leben verwehrt. Oft hangeln sie sich von Praktikum zu Praktikum – immer in der Hoffnung irgendwann doch einmal übernommen zu werden. Doch anstatt sich weiterzuqualifizieren, werden sie als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, geraten in die „Praktikumsfalle“ und verringern ihren „Marktwert“ mit jedem Praktikum. Sofern, sie überhaupt bezahlt werden, reicht das Geld nicht zum Leben. Wenn sie nicht von ihren Eltern finanziert werden, müssen sie sich mit „Nebenjobs“ über Wasser halten. Am Ende einer solchen „PraktikantInnen-Karriere“ steht oft prekäre Beschäftigung im Wechsel mit Arbeitslosigkeit. Somit ist ihnen eine langfristige Zukunftsplanung – etwa mit Familiengründung – erschwert.

Forderungen:

Verbot aller Praktika, die nicht dem Ausbildungszweck dienen!

Die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgesetzes (vom 13.3.03) besagt klar, dass ein Praktikum lediglich dazu dienen darf, sich die „zur Vorbereitung auf einen – meist akademischen – Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen.“ Danach steht ein Ausbildungszweck im Vordergrund. Es dürfen keine regulären oder fest eingeplanten Stellen durch PraktikantInnen ersetzt werden!

Für ein Praktikumsgesetz!

Um die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze durch un- und unterbezahlte Praktika ernsthaft zu unterbinden, fordert die SDAJ ein Praktikumsgesetz, das mindestens folgende Punkte umfasst:

  • Beschränkung der Praktikumszeit auf 3 Monate (Ausnahme sind Praktika während des Studiums, hier gilt die jeweilige Studienordnung)
  • Praktika während des Studiums müssen mit mind. 300 € (Forderung der Gewerkschaften) vergütet werden.
  • Verpflichtung der Unternehmen ausreichend hochwertige Praktikastellen zur Verfügung zu stellen
  • Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der auch für PraktikantInnen mit abgeschlossenem Hochschulabschluss gilt
  • Praktikumsvertrag, der Ausbildungsplan, -Inhalte und -Ziele, Beginn und Dauer des Praktikums, Arbeitszeit und Vergütung (auch für Überstunden), sowie Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsvoraussetzungen enthält
  • Zeugnis am Ende des Praktikums
  • Betreuung durch eine zuständige Anleiterin oder Anleiter
  • Unternehmen dürfen PraktikantInnen nur einmal in Form eines Praktikums beschäftigen
  • Praktika als verbindlicher Ausbildungsteil in allen Studienordnungen
  • Einberechnung aller Vor- oder Nachpraktika laut Studienordnung in die Regelstudienzeit, damit eine Förderung durch BAföG möglich ist
Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

Der Hauptgrund, warum HochschulabsolventInnen im steigenden Maße auf Praktika angewiesen sind, ist die hohe Arbeitslosigkeit. Nur durch eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit können Arbeitsplätze geschaffen und die Konkurrenz entschärft werden.

6. Geld ist vorhanden: Her mit der Kohle!

Zentrales Argument gegen demokratische und soziale Verbesserungen an den Hochschulen sind nach wie vor die leeren öffentlichen Kassen.
Mit dem Argument, der Staat müsse „sparen“, versuchen die Herrschenden der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend ständig neue Opfer abzuverlangen. Schlagworte wie „Globalisierung“ oder „Standort Deutschland“ sollen einschüchtern und gefügig machen, während das deutsche Monopolkapital als wiederholter „Exportweltmeister“ selbst der größte Gewinner im „internationalen Wettbewerb“ ist.
Diese Propaganda hat die Funktion, die Riesensummen, die der Staat im Interesse der direkten oder indirekten Stabilisierung und Stärkung der Profite und der Macht des großen Kapitals ausgibt, als „naturgegeben“ erscheinen zu lassen und zu tabuisieren.
Im Kapitalismus bedeutet die Auseinandersetzung um die Verwendung staatlicher Gelder ein Verteilungskampf zwischen gesellschaftlichen Klassen, zwischen Kapital und Arbeit. Deshalb ist die Frage, wer für öffentliche Hochschulbildung aufzukommen hat, genauso wie die Ausrichtung von Hochschulbildung, ihrer Inhalte und der Aufbau des Studiums ein Bestandteil von Klassenauseinandersetzungen. Die gegenwärtigen Umbauten des Hochschulwesens gliedern sich damit in den gegenwärtigen Sozialabbau, den Klassenkampf von Oben, ein.
Steuergeschenke und offene oder versteckte Subventionen an die Großkonzerne sowie kontinuierlich steigende Rüstungsausgaben – das sind die Kanäle, in die ein großer Teil des von der werktätigen Bevölkerung erarbeiteten Reichtums der BRD geht, während das Bildungssystem und der Sozialstaat kaputt gespart werden.
An dieser Umverteilung von Unten nach Oben wird sich grundlegend erst dann etwas ändern, wenn es den Herrschenden nicht mehr gelingt, breite Teile der arbeitenden Bevölkerung zu verunsichern, gegeneinander auszuspielen und vom gemeinsamen Gegner, dem Monopolkapital, abzulenken. Solange den großkapitalistischen Millionären nichts genommen wird, sind echte Zugeständnisse der Herrschenden an die Forderungen und Interessen der Millionen arbeitenden Menschen und der Jugend nicht möglich. Dies gilt auch für die bildungspolitischen und sozialen Forderungen der Studierenden.

Forderungen:

Für Umverteilung von Oben nach Unten!

In unserer Gesellschaft herrscht kein Mangel. Der Reichtum wird nur ungleich verteilt. Die meisten von uns werden ärmer, damit ein paar Reiche noch reicher werden. Allein zwischen 2000 und 2005 wuchs das private Geldvermögen um 700 Milliarden Euro (20 Prozent). Dahinter stehen die Profite der Kapitalgesellschaften, die in derselben Zeit sogar um 42 Prozent zulegten.

Rüstungsausgaben kürzen!

An Bildung und Sozialem wird gespart, wo es nur geht. Aber für Kriege, um die Habgier der Großkonzerne zu befriedigen, ist immer Geld da. Allein die Milliarden für neue Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und andere Angriffswaffen strafen jede Behauptung Lügen, für unsere Hochschulen sei kein Geld da.

Subventionen und Steuergeschenke an die Großkonzerne streichen!

Sosehr die großen Konzerne über die Steuerlast jammern, sie bekommen ein Milliardengeschenk nach dem anderen vom Staat obendrauf. 2004 brachten die Lohn- und Verbrauchssteuern 76,5 Prozent der Steuerlast, die Gewinnsteuern der Unternehmen nur noch 15,1 Prozent. Die Nutznießer von Armut, Arbeitslosigkeit, Ausbildungsplatzmangel und Bildungsabbau stehlen sich aus der Verantwortung.

Beschlossen vom SDAJ Bundesvorstand am 20. Mai 2007 in Essen.