Ein ungleiches Paar

Zwei deutsche Staaten: Nach der Befreiung vom Faschismus gingen die beiden Teile Deutschlands unterschiedliche Wege.

Als sich die Wehrmacht am 09. Mai 1945 bedingungslos den alliierten Streitkräften ergab, lagen der deutsche Faschismus und seine Hintermänner aus den Reihen des Kapitals geschlagen am Boden – Hunderttausende Tote in Westeuropa und Millionen Ermordeter in den z.T. völlig verheerten Gebieten der Sowjetunion und Südosteuropas sowie 6 Millionen industriell vernichtete Juden waren die Bilanz des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Um den Faschismus zu besiegen, musste v.a. die Sowjetunion einen hohen Blutzoll zahlen: 11,4 Millionen Soldaten und mehr als 15 Millionen getötete Zivilisten machen die UdSSR zum am stärksten vom Krieg zerstörten Land der Welt. Die Ausgangsbedingungen, unter denen sich an den Wiederaufbau gemacht werden konnte, waren in Ost und West also gänzlich verschieden: Die Sowjetunion war, anders als die Westallierten, großflächig zerstört – und benötigte daher eine große Menge an Reparationszahlungen. Diese wurden, nach der Aufteilung Deutschlands in 4 Besatzungszonen, jedoch allein von der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. der späteren DDR geleistet. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden dann auch – das Potsdamer Abkommen konsequent umsetzend – alle vormals führenden Nazis aus dem öffentlichen Leben verdrängt und juristisch verfolgt, Deutschland demilitarisiert und wirtschaftliche Trusts und Kartelle zerschlagen. In Westdeutschland wurde mit Entnazifizierung und Entmonopolisierung schnell Schluss gemacht, um einen westdeutschen Staat zu schaffen und diesen letztlich als Frontstaat gegen „den Ostblock“ zu nutzen. Vor diesem Hintergrund spielte sich die Gründung der DDR ab – wer das vergisst, kann die Entwicklung nicht sachlich beurteilen. Deshalb kann man die Geschichte der DDR nicht von ihrem Ende aus erzählen – man muss von vorn beginnen.

Front gegen die Sowjetunion

Der Krieg war noch keine zwei Jahre vorbei, da begannen Großbritannien und die USA bereits, wirtschaftspolitisch und rhetorisch gegen die Sowjetunion zu schießen: 1946 sprach Winston Churchill vom „Eisernen Vorhang“, der die „freie Welt“ vom Kommunismus trenne und davon, im Zweiten Weltkrieg „das falsche Schwein“ geschlachtet zu haben. Während Churchill die „westliche Welt“ dazu aufrief, sich gegen eine angebliche kommunistische Gefahr militärisch zu rüsten, drängten die USA seit 1947 auf einen westeuropäischen Staatenbund als Bollwerk gegen die Sowjetunion. Im Zuge der Politik des containment (Eindämmung) unterstützte man dann zum einen antikommunistische Regime mit Waffen und Personal, half anderen europäischen Ländern zum anderen mit „Fördergeldern“ des so genannten Marshallplans – jedoch nur unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, die für die Volksdemokratien und die SBZ von vorne herein unannehmbar waren.
Während also in den westlichen Besatzungszonen Entnazifizierung und Reparationszahlungen eingestellt wurden, sogar der – durch den massiven Einsatz von Zwangsarbeitern im Krieg – sowieso starken westdeutschen Wirtschaft zusätzlich unter die Arme gegriffen wurde und ranghohe Nazis in allen Bereichen des politischen und wirtschaftlichen Lebens wieder führende Funktionen einnahmen, musste die SBZ die Reparationslasten für die UdSSR völlig allein tragen. Die Westalliierten und die Gruppe um Konrad Adenauer taten alles dafür, einen westdeutschen Staat zu schaffen, der mit den westlichen, kapitalistischen Ländern verbündet sein sollte – bis hin zur späteren NATO-Mitgliedschaft. Um eine „deutsche Einigung“ ging es ihnen dabei nie. Wie ging man in der SBZ und der UdSSR damit um?

„Lieber das halbe Deutschland ganz“

Wäre es nach der UdSSR und Stalin gegangen, wäre es 1948 nie zu einer deutschen Teilung gekommen. Stalin wäre ein neutrales, einheitliches Deutschland lieber gewesen als eine DDR auf kleinem Territorium und in direkter militärischer Frontstellung zu einer aufgerüsteten und in westlichen Strukturen organisierten BRD. In der so genannten Stalinnote bot die UdSSR dem Westen noch 1952 die Wiedervereinigung eines neutralen Deutschlands an – was vom Westen und der westdeutschen Regierung Adenauers jedoch strikt abgelehnt wurde. Nicht erst nach der Gründung der BRD bzw. der DDR, sondern schon kurz nach dem Krieg wurde alles versucht, das westdeutsche Territorium für die Bekämpfung des Sozialismus zu nutzen. Ein neutrales, blockfreies Deutschland hätte dem im Weg gestanden und war daher keine Option. Außerdem stand diese Forderung vor allem. der CDU entgegen, die sich bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für eine „Heimholung der deutschen Ostgebiete“ einsetzte. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) brachte auf den Punkt, worauf seine Politik hinauslief: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb.“ Im Zuge dieser Strategie begannen die westlichen Besatzungszonen und die spätere BDR früh damit, gezielt qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Osten abzuwerben, um diesen wirtschaftlich ins Mark zu treffen: Allein zwischen 1945 und 1961 verloren die SBZ bzw. die DDR so 3 Millionen Arbeitskräfte.

Im Zusammenhang sehen

Als Reaktion auf dieses wirtschaftliche Ausbluten und die Westintegration (die in der Gründung der BRD 1949 gipfelte) setzten die Führung in der SBZ und die UdSSR verstärkt auf eine Politik der harten Hand und verstärkte Repression: Aufgebaute demokratische Strukturen wurden eingedämmt, die Außenpolitik weitgehend sowjetischen Imperativen untergeordnet. Diese Politik war zu einem guten Teil eine Reaktion auf die Politik des Westens – das macht sie nicht unbedingt richtig, aber es gehört zur historischen Wahrheit dazu. Diese Politik drängte Ulbricht und die Sowjetunion letztlich dazu, auf die Gründung der BRD mit der Gründung der DDR zu antworten und – als das wirtschaftliche Ausbluten und die drohende Kriegsgefahr immer noch nicht gestoppt wurden bzw. werden konnten – dem Bau der Mauer im August 1961. Die Mauertoten, auf der Flucht getötete DDR-Bürger, stehen oft im Mittelpunkt bürgerlicher Beschäftigung mit der DDR. So wird versucht, die Geschichte des Staats auf Tote und Verbrechen zu beschränken, ohne ein Wort darüber zu verlieren, welche konkreten Ereignisse und Umstände zum Bau der Mauer, zur Gründung der DDR und der verhärteten Blockbildung geführt haben. Die antikommunistische Geschichtsschreibung verschweigt, dass die Regierung und das Kapital der Bundesrepublik alles daran setzten, um den Osten Deutschlands wieder unter ihren Einfluss zu bringen.

Zerstörung in den Köpfen

Die DDR war in jeder Hinsicht gezwungen, die Zerstörungen zu beseitigen, die Faschismus und Krieg hinterlassen hatten. Dazu gehörte nicht nur, dass Betriebe wiederaufgebaut und Reparationen gezahlt werden mussten. Dazu gehörte auch, dass große Teile der Bevölkerung bis 1945 der Propaganda der Nazis ausgesetzt waren, dass Antikommunismus und rassistische Hetze an vielen nicht spurlos vorübergegangen waren. Viele identifizierten sich sogar mit dem Naziregime und hatten Angst, wenn „der Russe kam“. Mit Terror und Mord hatten die Hitlerfaschisten gegen die Arbeiterbewegung gekämpft, selbst unter Arbeitern war das sozialistische Bewusstsein nicht besonders ausgeprägt. Einen Staat der Arbeiter und Bauern aufzubauen, wenn ein großer Teil der Arbeiter und Bauern diese Notwendigkeit noch nicht vollständig einsieht, war eine gewaltige Aufgabe. Aber die einzige Alternative wäre gewesen, den gleichen Weg zu gehen wie der Westen Deutschlands: Die alten Nazis wieder als Staatssekretäre, Minister und Generäle einzusetzen und den alten Konzernen, die Hitler an die Macht gebracht hatten, wieder die Betriebe zu überlassen.

Moritz, Bochum