Der Wahnsinn hat System

veröffentlicht am: 30 Sep, 2024

Wer ist Javier Milei?

Seit dem 10. Dezember 2023 hat die Ultra-Rechte in Südamerika ein neues Gesicht: Javier Milei. Der neue argentinische Staatspräsident hat seinem Land einen so radikalen Sparkurs auferlegt, dass selbst die etablierten Medien wie Tagesschau etc. ihn als „schwierigen Gast“ betiteln. Dennoch wird er von den europäischen Staatschefs wie unter anderem Olaf Scholz mit einem Lächeln und offenen Armen begrüßt. Zudem sind seine größten Unterstützer keine unbekannten Gesichter – ganz offensichtlich kann man hier Donald Trump, Elon Musk und Ähnliche anführen. Auch der israelische Premierminister Netanjahu empfing ihn feierlich aufgrund seines Engagements für Waffenlieferungen an Israel. Doch woher kommt dieser manchmal doch sehr widersprüchliche Ton, wenn man über den Staatschef Argentiniens spricht? Das wollen wir uns genauer anschauen.

Peso statt Dollar

Nach dem von den USA unterstützten Militärputsch 1973 in Chile wurde das Land zu einem Testobjekt für eine neoliberale Wirtschaftsform, die zu dieser Zeit ihres Gleichen gesucht hat. 50 Jahre später versucht Javier Milei mit Gesetzesentwürfen und Reformen, jenes in den Schatten zu stellen, was auf der anderen Seite der Anden geschehen ist. Mit dem Vorschlag des Gesetzespakets „Ley Bases“ welches über 600 Artikel enthielt, wollte er sich beispiellose Befugnisse ergattern, die kein anderer gewählter Präsident derzeit genießen darf. Eine Hürde in der Durchsetzung seiner Ziele sind die fehlenden Mehrheiten in den beiden Kammern des Abgeordnetenhauses sowie des Senats. Darum hat man sich keine Chancen ausgerechnet, dass dieser Vorschlag ohne Weiteres so angenommen wird. Südamerika-Experten gehen jedoch davon aus, dass dieser Entwurf gezielt so vorgeschlagen wurde, um eine schwächere, aber dennoch weitreichende Version davon durch die Kammern zu bekommen.

In den ersten Monaten seines Wirkens hatte er auf legislativer Ebene noch nichts erreicht. Dennoch nutzte er seine Exekutivmacht, um öffentliche Ausgaben maximal zu kürzen, über 6000 Beamtenstellen für das Jahr 2024 nicht zu verlängern und die Zahl der Ministerien von 18 auf 9 zu kürzen. Wir erinnern uns an das Video von ihm, welches viral gegangen ist, in dem er Zettel von all jener Ministerien abreißt, welche er für überflüssig hält. Darunter waren unter anderem die Ministerien für Bildung, Kultur, Arbeit, soziale Entwicklungen und der Zuständigkeitsbereich für Frauen, Diversität und Geschlechter. Die Liste ist erschreckend lang. Jedoch ist nicht überraschend, was er daraus gemacht hat. Alle hier genannten Ministerien wurden vereint zu dem Superministerium „Humankapital“. Dies sei notwendig, „um die Handlungen des Nationalstaates zu rationalisieren und effizienter zu gestalten“, hieß es in einer Bekanntmachung der Regierung. All das ist nicht verwunderlich. Denn im Wahlkampf hatte er unter anderem angekündigt, Ministerien abzuschaffen und Sozialausgaben drastisch zu kürzen.

Nachdem im April bereits das Abgeordnetenhaus einem abgespeckten Entwurf des „Ley Bases“ mit 230 Artikeln zustimmte, hat auch der Senat grünes Licht gegeben. Hier mussten jedoch Zugeständnisse gemacht werden, dass die staatliche Airline und das Postwesen nicht privatisiert werden. Zu den umstrittensten Teilen von Mileis Gesetzesentwurf gehört die Absicht, praktisch jede öffentliche Einrichtung und jeden öffentlichen Dienst zu privatisieren, Arbeitsrechte auszuhöhlen und RenterInnen die Möglichkeit zu nehmen, fehlende Beitragsjahre zu zahlen, um Zugang zum staatlichen Rentensystem zu erhalten. Zudem würde er Notstandsbefugnisse über zentrale Sektoren wie Wirtschaft-, Energie- und Finanzfragen erhalten. So schlimm diese Maßnahmen auch sind, der wohl schädlichste Teil der Gesetzgebung ist der „Anreiz für Großinvestoren“, der ausländische Investoren in den Bereichen Forstwirtschaft, Bergbau, Energie, Technologie, Tourismus, Stahl, Gas und Benzin zulassen würde und erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber inländischen Unternehmen ermöglicht. Sollten diese angefochten werden, würde der argentinische Staat im Streitfall ihr Recht anerkennen und sie auch gegen lokale oder ausländische Klagen verteidigen. Unbestreitbar ist jedoch, dass dieser Prozess nicht in der Lage ist, irgendeine Form einer kontrollierten Entwicklung zum Nutzen der gesamten Bevölkerung zu fördern, sondern eher die Plünderung natürlicher Ressourcen durch multinationale Konzerne verstärkt. Das Gesetzespaket „Ley Bases“ wird sich somit negativ auf die wirtschaftliche Souveränität Argentiniens auswirken und lediglich die Abhängigkeit von ausländischem Kapital verschärfen.

Zwangsläufig und glücklicherweise hat seine Politik heftigen Widerstand von Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen ausgelöst, und zwar in Form von massiven Märschen und Demonstrationen im ganzen Land. Mit einem landesweiten Generalstreik des argentinischen Gewerkschaftsverbandes CGT kam es bereits häufiger, dass der Ausnahmezustand herrschte und der komplette öffentliche Nah- sowie Flugverkehr zum Stehen kam.

Als am 12. Juni über das Grundgesetz debattiert wurde, wurden die Tausenden DemonstrantInnen, die sich vor dem Kongress versammelt hatten, von paramilitärischen Polizisten angegriffen und geschlagen – ein offener Angriff auf die arbeitende Bevölkerung.

Robin, Kassel

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