Marxistischer Spickzettel (POSITION #05/19)

veröffentlicht am: 5 Dez, 2019

Die sogenannte „Soziale Marktwirtschaft“

Ob im SoWi-, Wirtschafts-, oder Politikunterricht: Immer wieder läuft uns der Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ über den Weg. Voller Begeisterung erzählen uns die Bücher in der Schule genau wiedie Wirtschaftsexperten im Fernsehen, dass Dank dieses Systems in Deutschland niemand hungern müsse. Als ideologischer Vater dieser „sozialen Marktwirtschaft“ gilt im Allgemeinen Ludwig Erhard, Gründer des „Instituts für Industrieforschung“, das bis 1945 von der „Reichsgruppe Industrie“ gefördert wurde, und später Wirtschaftsminister sowie Bundeskanzler. Uns wird gesagt, dass dieses Wirtschaftssystem eine sozialere Form des Kapitalismus sei. Aussagen wie „Kapitalismus?! Wir leben doch in einer sozialen Marktwirtschaft!“ haben wir wohl alle schon gehört. Wesensmerkmal sei ein freier Markt, jedoch mit staatlicher Regulierung, bspw. durch Konjunkturpolitik sowie einen aktiven Sozialstaat. Dadurch sei nun alles anders als noch zu Zeiten des „entfesselten“ „Manchesterkapitalismus“. Doch was ist da dran? Ist die „soziale Marktwirtschaft“ tatsächlich ein Zeichen des „sozialen Friedens“ und des guten Willens der Kapitalisten?

Ganz „gewöhnlicher“ Kapitalismus

Fest steht: Gewisse Abmilderungen der Ausbeutung der Arbeitenden, wie das Sozialversicherungssystem, gab es schon unter Bismarck, der damit auf die erstarkende Arbeiterbewegung reagieren und diese durch kleine Zugeständnisse schwächen wollte. Das heißt: Rentenversicherung und Co. sind die Ergebnisse einer Phase zunehmenden Klassenkampfes. Wie begrenzt diese „Fürsorge“ des Staates ist, zeigt sich bis heute am HartzIV-Sanktionsregime, Zwei-Klassenmedizin oder millionenfachen Armutsrenten. Mit der staatlichen „Regulierung“ des Marktes durch Kartellamt, Konjunkturpolitik etc. sieht es bei genauerem Hinsehen auch nicht besser aus. Die Konjunkturpolitik, also Investitionstätigkeiten des Staates zur „Rettung“ der Wirtschaft und damit verbunden, so die Schulbücher, auch der Arbeitsplätze, ist kein netter Einfall eines dem Wohl der arbeitenden Bevölkerung dienenenden Staates, sondern ab einem gewissen Zeitpunkt zur Aufrechterhaltung des Systems notwendig geworden. Die ständig wiederkehrenden Wirtschaftskrisen werden heftiger, die „Selbstreinigungskräfte“ des Marktes greifen immer weniger. Die Folge: Regelmäßig müssen riesige Geldsummen in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden, damit VW, Deutsche Bank & Co die Krisen überstehen und „wettbewerbsfähig“ bleiben. In der letzten Weltwirtschaftskrise wurden zig Milliarden Euro in die Banken gesteckt – Geld, das über Steuern zum allergrößten Teil von der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebracht und nun den Banken und Konzernen geschenkt wurde. Arbeitsplätze wurden und werden trotzdem wegrationalisiert oder in Leih-, Zeit-, oder Kurzarbeitsplätze verwandelt. Diese vermeintlich „soziale“ Marktwirtschaft ist am Ende auch nur die hier und da verschleierte Umverteilung von Unten nach Oben, die Verarmung immer größerer Teile der Werktätigen trotz kleiner Zugeständnisse. Ganz „gewöhnlicher“ Kapitalismus eben.

Max, Solingen

 

 

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POSITION #5/2019
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