Systemkonform. (POSITION #02/19)…

veröffentlicht am: 28 Jun, 2019

Systemkonform. (POSITION #02/19)
SPORT KANN IM KAPITALISMUS MILITARISTISCH UND REAKTIONÄR SEIN

Unsere heutige Welt steht ganz im Zeichen imperialistischer Konflikte, einer immensen Militarisierung, dem Profit und einer auf Leistung und Erfolg getrimmten Gesellschaft. Diese Entwicklungen sind in allen sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen zu beobachten, so auch im Sport.

DER MILITARISTISCHE SPORT
Die Bundeswehr betätigt sich schon seit Jahrzehnten in der Förderung von ProfisportlerInnen, obwohl auf ihrer Webseite nachzulesen ist, dass diese Förderung nicht zu ihrem „Kernauftrag“ gehöre, aber SportlerInnen ja die Funktion von „Vorbildern und Botschaftern“ hätten. Um dieser Funktion gerecht zu werden, hat das Verteidigungsministerium 2019 ganze 36 Millionen Euro locker gemacht – für rund 700 SportlerInnen. Dabei fordert die Bundeswehr volle Konzentration auf den Sport, sodass junge SportlerInnen keine Möglichkeiten haben, sich neben dem Leistungssport eine langfristige Perspektive in Form einer Ausbildung oder eines Studiums zu schaffen. Zivile Sportförderung hingegen, wie etwa bei der Deutschen Sporthilfe, wird von staatlicher Seite kaum finanziert, obwohl dort ganze 4000 SportlerInnen unterstützt werden.
Worum es dem Staat und seiner Armee wirklich geht, lässt sich an einem Beispiel sehr treffend zeigen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2016 in Brasilien hat die Bundeswehr für schlappe 11 Millionen Euro eine Werbekampagne mit Slogans wie „Wir kämpfen für die Freiheit. Und um Medaillen.“ gestartet. Dabei war aber nicht etwa Werbung für die Sportarten zu sehen, sondern lediglich für eine Karriere in der Bundeswehr. Was diese aber wirklich bedeutet – Auslandseinsätze, Krieg, körperliche und seelische Schäden bis hin zum Tod – wird dabei verschwiegen. Die gesamte „Sportförderung“ der Bundeswehr ist nichts weiter als ein heuchlerischer Versuch, neue Rekruten ganz im Zeichen der zunehmenden Militarisierung über den Sport zu gewinnen. Echte Sportförderung sieht anders aus.
Der deutsche Staat hat den Sport aber nicht nur über die Bundeswehr für sich entdeckt. Während in fast allen Bundesländern neue Polizeiaufgabengesetze verabschiedet werden und die Repression immer weiter zu nimmt, gibt sich die Bundespolizei im Internet jugendlicher denn je. In kurzen Video-Tutorials werden Fitnesstipps gegeben, fröhliche durchtrainierte Polizisten gaukeln dort vor, dass eine Karriere bei der Polizei gesund, sportlich und fit hält. Ganz nach dem Schema der Bundeswehr.

DER POLITISCHE SPORT
Doch der Sport wird nicht nur als Image- und Rekrutierungsmöglichkeit genutzt. Allzu gerne nutzen Politiker die sportliche Bühne, um internationale Konflikte anzuheizen. Im Vorfeld der Fußball-WM 2018 in Russland zum Beispiel wurde überall über einen möglichen Boykott der WM diskutiert. Wie könne man denn das größte internationale Fußball-Fest feiern, wenn der „böse Russe“ in der Ukraine oder in Syrien Krieg führt? Auch würden die notwendigen Modernisierungen der Stadien und andere Investitionen rund um die WM nur in die Taschen Putins fließen, der die WM als große Bühne zur Festigung seiner autoritären Macht nutzen würde. In der bürgerlichen Presse wurden die Staaten der Europäischen Union regelmäßig dazu aufgefordert, über einen WM-Boykott ein „starkes Signal des Westens“ zu senden. Dass dieser Boykott im Endeffekt nie stattgefunden hat und sich alle internationalen Staatschefs in Russland redselig auf Presseterminen die Hände schüttelten, interessiert jetzt niemanden mehr. Die monatelange mediale Dauerbeschallung hingegen bleibt in den Köpfen hängen. Und ganz nebenbei: Wer hat eigentlich beim „deutschen Sommermärchen“ 2006 an den Investitionen verdient? Und wo blieb der internationale Aufschrei über die sozialen Proteste während der WM 2014 in Brasilien?
Neben der Stimmungsmache während sportlicher Großevents werden diese aber auch gerne dafür genutzt, unliebsame Gesetze zu beschließen. So wurde beispielsweise das Parteienfinanzierungsgesetz geändert (WM 2018), die Mehrwertsteuer (WM 2006) und die Krankenkassenbeiträge (WM 2010) erhöht. Und auch die aktuell viel diskutierte Urheberrechtsreform wurde im EU-Parlament im Schatten der WM 2018 entworfen. Während die mediale Aufmerksamkeit auf die sportlichen Wettbewerbe und Scheindebatten über vermeintliche Feindbilder gerichtet ist, nutzt der Staat den Sport hier auch ganz praktisch geschickt für seine eigene Agenda.

SPORTLICHER LEISTUNGSDRUCK
Auch der stetig steigende Leistungsdruck, unter dem wir alle im Kapitalismus zu leiden haben, zeigt sich im Sport. ProfisportlerInnen greifen immer mehr zu Doping-Mitteln, um effektiver zu sein und neue sportliche Bestmarken aufzustellen, nach denen die Medien so sehr geiern, schließlich bringen nur sportliche Erfolge der Sportindustrie Profite, beispielsweise in Form neuer Werbe- und Fernsehverträge oder dem Verkauf von neuesten Sportartikeln. Bei schlechteren Leistungen werden Sportler öffentlich zerrissen und niedergemacht, was den Leistungsgedanken unserer Gesellschaft („Du bist nur gut, wenn du Erfolg hast!“) immer weiter festigt. Schließlich werden wir ja schon in der Schule bestraft, wenn wir die 100 Meter nicht schnell genug rennen können. Verlieren verboten!
Ein Blick in die Geschichte zeigt uns nun aber, dass eine andere Form des Sportes möglich ist. In der Arbeiterbewegung gab es viele Bestrebungen, etwa durch Arbeitersportvereine, einen solidarischen, fairen Sport zu schaffen, in dem Freizeit, eine gesunde Lebensweise und das Vergnügen tatsächlich an erster Stelle standen. Der kapitalistische Sport wird immer gegen unsere Interessen am Sport gerichtet sein, doch wir können Sport auch gemeinsam und selbst organisieren. In diesem Sinne: Sport frei!

[Theo, Frankfurt]

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2019
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