Sport in der Kommune: Ein Spaß, den man sich leisten können muss (POSITION #02/1…

veröffentlicht am: 27 Jun, 2019

Sport in der Kommune: Ein Spaß, den man sich leisten können muss (POSITION #02/19)

Der lokale Sportverein ist nach wie vor eine wichtige Institution in jeder Kommune. Es geht dabei nicht nur um sportliche Ertüchtigung für Jung und Alt. Der Verein ist Sozialarbeiter, Erzieher, manchmal sogar die Ersatzfamilie. Die Stunden, die Kinder und Jugendliche wöchentlich nicht isoliert zu Hause, sondern mit ihren FreundInnen auf dem Sportplatz oder in der Halle verbringen, sind von unschätzbarem Wert für ihre Sozialisierung. Auch nicht zuletzt in der Integrationsarbeit von MigrantInnen und Geflüchteten kann eine Mitgliedschaft im lokalen Fußballteam den Unterschied machen. Die meist ehrenamtlichen und häufig nur sporadisch bezahlten TrainerInnen, Vereinsvorstandsmitglieder sowie alle HelferInnen auf den diversen Wettkämpfen, Vereinsfesten und lokalen Sportveranstaltungen betreiben einen Aufwand für „ihren“ Sport, den sich keine Kommune leisten könnte. Soweit sind sich die Meisten einig, die schon einmal im Vereinssport engagiert waren. Da ist es egal, ob Fußball, Handball oder die Leichtathletik der Sport der Wahl ist.

OHNE EHRENAMT GEHT NICHTS
Ganz ohne Unterstützung geht es aber nicht. Darüber habe ich mich mit Ehrenämtlern und Aktiven aus meinem Jugendverein SKV Mörfelden unterhalten. Der Unterschied zu einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio ist schnell erklärt. Ein Fitnessstudio muss wirtschaftlich sein, also verlangt es einen entsprechend hohen Beitrag von seinen Mitgliedern. Würde Vereinssport ähnlich agieren, wäre er schnell die meisten Mitglieder los. Hier sind es häufig ganze Familien, die im Verein aktiv sind. Die Kinder bei den Junioren, die Eltern bei den Amateuren und hoffentlich auch das eine oder andere Mal als Mitfahrgelegenheit für andere SportlerInnen oder beim Brezelverkauf am Heimspiel. Trotzdem wurde durch die massive Unterfinanzierung der Kommunen der Vereinszuschuss in Mörfelden-Walldorf wiederholt gekürzt. Die Stadt ist verschuldet, also muss gespart werden, so heißt es:
„Zur Konsolidierung […] waren in den vergangenen Jahren, neben umfangreichen […] Einsparungen, auch spürbare Anhebungen von Abgaben (Steuern, Gebühren) notwendig. Zur Kompensation der Schutzschirmverfehlungen aus den Jahren 2013 und 2014 wurden im Haushalt 2017 […] eine Kürzung der Vereinsbezuschussung um weitere 10 Prozent umgesetzt.“
Das erklärt die Problematik aber nicht in ihrer Gänze. Drei Probleme wurden mir besonders häufig genannt.
Erstens: Kinder und Jugendliche sind heutzutage nicht selten bis 15:00,16:00 Uhr in der Schule, wenn sie dann überhaupt noch Motivation für Sport haben, laufen ihre Trainingszeiten häufig parallel zu denen der älteren Teams. Traditionell trainierten die jüngeren Mannschaften früher, um Engpässe in Hallen und auf Sportplätzen zu vermeiden, das geht nun oft nicht mehr. Auch die TrainerInnen sind häufig schon in Vollzeitjobs und können die frühen „Slots“ nicht mehr wahrnehmen.

OHNE MOOS NICHTS LOS
Zweitens: Ebenso wie ihre Kinder, sind Eltern seit Jahren von stagnierenden Löhnen und anderen Austeritätsmaßnahmen betroffen, die es für sie und ihre Kinder schwierig machen, im örtlichen Verein aktiv zu werden. Eine Vereinsmitgliedschaft in meinem Jugendverein kostet jährlich 120 €. 84 € mit Ermäßigung für die üblichen Gruppen (Kinder, RentnerInnen, Studis, Azubis usw.) Dazu kommen noch monatliche Spartenbeiträge einzelner Vereinsstrukturen. Z.B. 61,20 € im Jahr bei Mitgliedschaft im Fußballverein. Dabei steigt der Beitrag auf maximal 264 € pro Familie, egal wie viele Familienmitglieder (Eltern und Kinder bis 21 Jahre) mit dabei sind. Das ist im Vergleich mit ähnlichen Vereinen alles andere als teuer. Da fehlen dann nur noch die Sportausrüstung, die Fahrten zu Spielen – das sind gut und gerne mehrere hundert Euro im Jahr – und das muss man sich leisten können.
Drittens: Der moderne Verein muss sich durch ein „Wirr Warr“ aus Steuerrichtlinien und Vorgaben kämpfen, das kein ehrenamtlicher Vereinsvorstand neben den eigenen Vollzeitjobs schultern kann. Deshalb war man auch beim SKV Mörfelden gezwungen, Vollzeitstellen für diese Jobs auszuschreiben.

„WAS TUN?“
Die Kommunen sind häufig nur noch Armutsverwalter. Das Steuergeld aus dem Bund sickert häufig nur noch tropfenweise zu ihnen durch. Es kann ihnen also nur bedingt ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie Kultur- und Sportvereinen die Zuschüsse kürzen. Dennoch waren sich meine Gesprächspartner einig, dass ein größeres Engagement seitens ihrer Mitglieder die meisten Katastrophen verhindern könnte. Nun sind viele Menschen in Deutschland nicht in der Lage sich diese freie Zeit zu nehmen. Es reicht vorne und hinten nicht und bei aller Empathie für den Sport des Kindes, wenn das Geld und die Zeit nicht da sind, kann auch nicht geholfen werden.
In diesem Sinne; Geld gibt‘s genug, Zeit es uns zu holen!
Egal ob es um Löhne, Infrastruktur, Bildung oder eben den lokalen Sportverein geht: Wer die Bevölkerung und Kommunen gleichermaßen ausquetscht, muss sich über steigende Steuern, Abgaben und unerschwingliche Sportvereine nicht wundern.

[Tim, Würzburg]

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2019
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