Organisierte Kriminalität im großen Stil (POSITION #5/18)…

veröffentlicht am: 25 Jan, 2019

Organisierte Kriminalität im großen Stil (POSITION #5/18)
HINTERGRUND: WAS STECKT HINTER DEM CUM-EX-SKANDAL?

Seit ein paar Jahren geistert immer wieder der Begriff „Cum-Ex“ durch die öffentliche Debatte, doch worum geht es dabei eigentlich? Erst einmal die Fakten: Mindestens 12 Milliarden Euro wurden der deutschen Bevölkerung durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte gestohlen. Davon hätte man den 10.000 Flüchtlingen, die seit 2014 im Mittelmeer ertrunken sind, jeweils 2.000 € im Monat zahlen können – und das 50 Jahre lang.
Der Kern von Cum-Ex-Geschäften besteht darin, sich vom Staat zweimal die Kapitalertragssteuer erstatten zu lassen – obwohl sie nur einmal bezahlt wurde. Wie geht das denn?

EIN RECHENBEISPIEL
Nehmen wir an drei Investoren tun sich zusammen. Dabei besitzt A Aktien eines Dax-Konzerns im Wert von 20 Mio. €. Nun kauft B Aktien im Wert von 20 Mio. € desselben Konzerns, kurz vor dem Tag, an dem der Konzern die Dividende (also den Profit für die Aktionäre) ausschüttet. Das nennt sich „cum-dividend“. B hat einen Anspruch auf die Dividende. B kauft die Aktien allerdings von C, der sie aber noch gar nicht besitzt. Diesen Handel nennt man Leerverkauf: Obwohl C die Aktien noch gar nicht besitzt, gilt B bereits als Eigentümer.
A erhält nun eine Dividende in Höhe von 1 Mio. €. Davon behält der Staat 250.000 € als Steuer und übergibt A eine Bescheinigung darüber. Mit dieser Bescheinigung kann A sich die Steuer erstatten lassen. Da C die Aktien noch an B liefern muss, kauft er nach der Dividendenausschüttung die Aktien von A – er zahlt aber nur 19 Mio. €, da die Aktien durch die Ausschüttung mittlerweile an Wert verloren haben. B hat aber die Aktien mit Dividendenanspruch gekauft, daher legt C noch 750.000 € mit drauf. Diesen Betrag hätte B ja als Dividende erhalten. Außerdem stellt die Bank von C eine Bescheinigung über die (nie) gezahlte Steuer aus. Diese Bescheinigung übergibt C auch an B.

RAUB AN ÖFFENTLICHEM VERMÖGEN
Das klingt zu kompliziert? Nur noch ein Schritt: Jetzt verkauft B noch die Aktien zurück an A. Damit ist alles wie vorher… Nur dass es jetzt zwei Steuerbescheinigungen gibt, obwohl nur A Steuern gezahlt hat! Wenn sich jetzt A und B beide die Steuer zurückerstatten lassen, hat der Staat 250.000 € verloren. Die Investoren teilen anschließend ihre Beute auf.
Diese Möglichkeit des Steuerbetrugs ist übrigens schon seit 1992 bekannt, doch die Herrschenden und ihre Finanzbehörden gucken munter weg. Schließlich lässt sich damit ja gut Geld „verdienen“: Cum-Ex stellt insgesamt eine neue Dimension des Steuerbetrugs dar. Immer wieder finden sich Schlupflöcher, die diesen organisierten Raub an öffentlichen Vermögen begünstigen.

FAULENDES WIRTSCHAFTSSYSTEM
Was aber bedeuten diese Geschäfte eigentlich? Der russische Revolutionär Lenin schrieb in seiner wichtigen Imperialismus-Analyse: „Der Imperialismus bedeutet eine ungeheure Anhäufung von Geldkapital in wenigen Ländern.“ und „Daraus ergibt sich das außergewöhnliche Anwachsen […] der Schicht der Rentner, d.h. Personen, die vom ‚Kuponschneiden‘ leben.“
Mit der Schicht der Rentner meint Lenin diejenigen, die keine Arbeit brauchen aber immer mehr Reichtum durch Dividenden erlangen. Sie sind völlig losgelöst vom Reproduktionsprozess und bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit. Diese Schicht ist Ausdruck des sich ins Gegenteil verkehrenden, verfaulenden Kapitalismus.
Was können wir also aus den Cum-Ex-Geschäften lernen? Es gibt keine Zukunft für und mit dem Kapitalismus. Er muss abgeschafft werden.

[Flo, Dresden]

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #5/2018
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