Der Mordanschlag (POSITION 4/18)…

veröffentlicht am: 31 Okt, 2018

Der Mordanschlag (POSITION 4/18)
DISLIKE: RAF und Stasi treiben die Quoten in die Höhe, die Wahrheit bleibt auf der Strecke

180 Minuten packender Politthriller mit wirklich guter Besetzung sind in guter ZDF-Manier auch drei Stunden Umerzählung der Geschichte. Deswegen wird das Fernsehspiel im November von einer dazu passend produzierten Doku abgerundet. Mit einer satten Portion Fiktion und Emotion wird die Geschichte der RAF nachgezeichnet.
Dabei fokussiert sich der Filmemacher Miguel Alexandre auf die dritte Generation der selbsternannten Stadtguerilla mit „Rote Armee Fraktion“ und ihrem Anschlag auf Treuhand-Chef Rohwedder Anfang der 1990er-Jahre. Die Treuhand war damit beauftragt worden die ehemals volkseigenen Betriebe der DDR abzuwickeln und zu symbolischen Preisen an westdeutsche Investoren zu verkaufen. Rohwedder war der richtige Mann, er verstand sich in seiner Rolle nach eigenen Aussagen mehr als Unternehmer denn als Behördenleiter. Und so zog er den Hass vieler ostdeutschen Arbeiter auf sich und geriet in den Fokus der westdeutschen RAF, welche sich zum Mord an ihm bekannte. Der mutmaßliche Schütze wurde später von der Polizei in Bad Kleinen niedergestreckt.

++Realität nicht spannend genug?++
Doch für den Regisseur ist das nicht ausreichend, er will mehr wissen und präsentiert uns gleich zwei andere Optionen. Entweder es waren andere Kapitalisten, die den Treuhand-Chef um die Ecke gebracht hätten, weil er ihnen zu soft war. Oder aber es war – wenn auch schon zu dieser Zeit nicht mehr existent – die Staatssicherheit der – auch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existenten – DDR.
Alexandre ist nicht irgendwer, wenn es um Schauermärchen über das andere, antifaschistische, sozialistische Deutschland geht. Bereits vor über zehn Jahren beglückte er das ZDF mit einer zweiteiligen Propaganda-Kampagne: Mit der „Frau vom Checkpoint Charlie“ sollten Millionen TV-ZuseherInnen in den kalten Krieg zurückkatapultiert werden. Dafür wurden historische Tatsachen etwas aufgepeppt, wurde Nazi-Folter als DDR-Praxis dargestellt und DDR-Killerkommandos erfunden. Beweise für diese abenteuerlichen Anschuldigungen gab es natürlich keine.
So ist es auch mit den Behauptungen über den „Mordanschlag“. Auch der Film spricht nie den historischen Hintergrund der Fragen an, die er behandelt. Er diskutiert RAF und DDR als eins und vergisst dabei den weit verbreiteten alten Nazi-Sumpf, den Staatsterror gegen Andersdenkende usw.

++Kein Beitrag zur Aufklärung++
Dabei gehört auch das zur historischen Wahrheit um die Spaltung Deutschlands und dem linken Terror in der Bundesrepublik. Diese Geschichte ist noch lange nicht aufgearbeitet und voller falscher Fährten und Widersprüche. Sicher ist: Die Vergangenheit der BRD ist nicht aufgearbeitet, über viele alte Nazis, die zur ersten Führung des westdeutschen Staates gehörten, wird nicht gesprochen. Sicher ist auch: Die aktuellen Verstrickungen von Polizei und Geheimdienste in Morde gegen Andersdenkende und Ausländer zeigt, dass sich Methoden der Vergangenheit halten konnten und weder gestoppt noch aufgearbeitet wurden. Sicher ich erst recht: Darüber spricht der Zweiteiler „Der Mordanschlag“ nicht. Er beschränkt sich hingegen auf das Wesentliche: Die Stasi war schuld.

[Mark, München]
_____
Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org

Source

Dieser Artikel erschien in
POSITION #4/2018
Im Archiv ansehen »

Gruppenkarte

finde die SDAJ Gruppe in deiner Nähe!

mehr zum Thema

Das, was man bei uns so Freiheit nennt

Das, was man bei uns so Freiheit nennt

Freie Zeit, Freizeit & das JZ „Es versteht sich von selbst, daß die time of labour selbst, dadurch, daß sie auf normales Maß beschränkt, ferner nicht mehr für einen anderen, sondern für mich selbst geschieht, zusammen mit der Aufhebung der sozialen Gegensätze...

mehr lesen
Arbeitszeitverkürzung und die Realität

Arbeitszeitverkürzung und die Realität

Gewerkschaften und die Verkürzung der Arbeitszeit heute Historisch ist das Thema Arbeitszeitverkürzung sehr präsent in den Gewerkschaften. Sei es der Kampf um den 8 Stunden Tag, die 35 Stunden Woche der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie oder der arbeitsfreie...

mehr lesen