Israels Besatzungspolitik und der Krieg in Syrien (POSITION #02/18)

veröffentlicht am: 10 Jun, 2018

Seit Monaten kommt es im Gazastreifen und im Westjordanland zu Protesten der PalästinenserInnen. Seit Monaten reagiert die israelische Regierung mit brutaler, gewaltsamer Unterdrückung. Soldaten schießen auf unbewaffnete Protestierende. Immer wieder fliegt die israelische Armee Luftangriffe auf den Gazastreifen.

Worum geht es?

Vordergründiger Auslöser der Proteste war die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump. Doch dieses Symbol steht in Wahrheit für viel mehr. Israel hält die Stadt völkerrechtswidrig besetzt. Die PalästinenserInnen beanspruchen jedoch den Ost-Teil der Stadt als Hauptstadt eines künftigen, eigenen Palästinenserstaates. Wer Jerusalem als Hauptstadt allein Israels anerkennt, erteilt damit zugleich der Forderung nach nationaler Unabhängigkeit der PalästinenserInnen eine Absage. Er erkennt die israelische Kolonialpolitik als rechtmäßig an.

Es geht um das Kolonialregime

Diese bedeutet für die PalästinenserInnen im Gazastreifen und im Westjordanland politisch Gewalt, Unterdrückung und Willkür. Wirtschaftlich bedeutet sie Abhängigkeit, massenhaftes soziales Elend bis hin zum Kampf ums nackte Überleben.

Um die Zerstörung Gazas

Im Gazastreifen haben die fortgesetzten Anschläge der Kassam-Brigaden (des militärischen Arms der Hamas) und anderer bewaffneter Gruppen zwar dazu geführt, dass es 2005 zur Räumung der illegalen, israelischen Siedlungen und zum Abzug der israelischen Armee kam. Aber Israel verhängt seitdem eine umfassende Blockade über das Gebiet. 2008, 2012 und 2014 führte die israelische Armee zudem groß angelegte Militäroffensiven im Gazastreifen durch.

Das Ergebnis ist, dass der Gazastreifen bei UN-Vertretern als eigentlich unbewohnbar gilt. Über 70% aller Familien haben keine gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln. Es gibt kaum Trinkwasser. 90.000 Wohnungen fehlen. 18.000 sind allein bei dem israelischen Angriff 2014 zerstört worden. Aufgrund der Blockade fehlen die Baustoffe sie wieder zu errichten. Strom gibt es nur wenige Stunden am Tag. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei ca. 60%.

Und um die Besatzung des Westjordanlands

Gegen das Westjordanland gibt es zwar keine Blockade, aber trotzdem übt der israelische Staat auch dort weitgehende Kontrolle über die Wirtschaft aus. Der gesamte Außenhandel muss über Israel abgewickelt werden. Dies führt z.B. dazu, dass Waren wie Gas und Öl nicht zu Weltmarktpreisen eingekauft werden können, sondern künstlich verteuert werden. Israel gibt die Geld-, Währungs- und Steuerpolitik vor. Dadurch wird die wirtschaftliche Entwicklung blockiert und es herrscht auch im Westjordanland hohe Arbeitslosigkeit. Mangels Alternativen arbeiten ca. 80.000 PalästinenserInnen in Israel oder israelischen Siedlungen und müssen dort jeden noch so niedrigen Lohn akzeptieren.

Im Westjordanland ist zudem die israelische Armee ständig präsent. Ihre Willkür ist allgegenwärtig: Schikanen an Checkpoints. Willkürliche Verhaftungen oder auch zielgerichtet gegen missliebige, palästinensische PolitikerInnen und AktivistInnen, oft ohne Gerichtsbeschluss. Misshandlungen in der Haft. 40% aller männlichen Palästinenser waren in ihrem Leben schon einmal vom israelischen Staat inhaftiert. In 70% aller Familien gibt es mindestens ein Familienmitglied, das für politische Aktivitäten gegen die Besatzung schon einmal eingesperrt wurde.

Selbst nicht frei sein können

Doch auch die Arbeiterklasse in Israel bekommt auf andere Art und Weise die Besatzung zu spüren. Die Besatzung verschlingt Unsummen, die aus der werktätigen Bevölkerung nicht nur in den palästinensischen „Autonomiegebieten“, sondern auch in Israel herausgepresst werden. Die israelischen Militärausgaben machen ca. 6% der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Zum Vergleich: Das ist das Dreifache des NATO-Ziels von 2%, für welches die Bundesregierung gerade dabei ist schrittweise die Militärausgaben zu verdoppeln. Das Geld dafür kommt z.B. aus Massensteuern oder Kürzungen im Sozialwesen. Junge Männer müssen drei, junge Frauen zwei Jahre ihres Lebens als Wehrpflichtige in der Armee opfern.

Auf dem israelischen Arbeitsmarkt spielen die Unternehmer palästinensische ArbeiterInnen als Lohndrücker gegen ihre israelischen KollegInnen aus. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt zwar „nur“ bei 4,8%, aber gleichzeitig leben fast 22% unterhalb der Armutsgrenze. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt zudem bei beinah 18%. Wenn sich die israelische Arbeiterklasse wehrt, kehrt sich der hochgerüstete Repressionsapparat nach innen, wie 2011/2012 als Hundertausende gegen zu hohe Mieten und die Sozialpolitik der Regierung demonstrierten und begannen die soziale Frage mit der Friedensfrage zu verbinden.

Warum die aktuelle Zuspitzung?

Der israelische Staat verteidigt dieses Kolonialregime natürlich gegen jede Kritik und Widerstand, nötigenfalls auch mit Waffengewalt. Schließlich profitiert die israelische Wirtschaft davon. Für den israelischen Staat geht es aber auch um seine Stellung als Regionalmacht in der Region. Um diese zu halten und möglichst auszubauen, muss er im „eigenen Hinterhof“ Ruhe halten. Nachdem im Syrienkrieg Iran und die libanesische Hisbollah an Einfluss in der Region gewonnen haben, gewinnt das zunehmend an Bedeutung. Diese beiden betrachtet Israel als Hindernis für seine Regionalmachtansprüche. Deswegen hat es im Syrienkrieg bereits mehrfach Luftangriffe insbesondere gegen die Hisbollah geflogen. Mittelfristig bereitet sich Israel auf größere Schläge gegen die Hisbollah und den Iran vor. Höchste Zeit also etwas gegen die israelische Kriegspolitik zu unternehmen.

[Kerem, Nürnberg]

Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2018
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