Antifaschistischer Widerstand in der Nachkriegs-Justiz (POSITION #02/18)

veröffentlicht am: 10 Jun, 2018

Im Geschichtsunterricht lernen wir auch, wie es nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland weiterging. Als wichtiges Ereignis wird dabei das Potsdamer Abkommen genannt, das mit seinen „5 Ds“ die Zukunft der BRD sichern sollte: Demilitarisierung, Demontage, Dezentralisierung, Demokratisierung und Denazifizierung. Wie es mit der Denazifierung in der BRD voranging, kann sehr gut am Beispiel des Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer nachvollzogen werden, dessen Todestag sich am 01.06. zum 50. Mal jährt.
Fritz Bauer, geboren 1903, wurde 1920 Mitglied der SPD. Während des Dritten Reichs wurde er daher inhaftiert, nach seiner Freilassung emigrierte er nach Dänemark. Als er 1949 nach Deutschland zurückkehrte, nahm er seine Tätigkeit als Staatsanwalt auf und wurde 1956 sogar zum Generalstaatanwalt von Hessen ernannt. Fritz Bauer zeichnete sich dadurch aus, dass er kompromisslos die Täter aus der Nazi-Zeit verfolgte und vor Gericht brachte. So wurde 1959 schließlich der erste Prozess gegen die Mörder in Auschwitz geführt, wobei Bauer die Anklage vertrat. Sein Interesse an der Verfolgung der Nazis war so groß, dass sie auch an der Ländergrenze keinen Halt machte: er versuchte diejenigen Faschisten, die nach 1945 aus Deutschland flohen, ausfindig zu machen. Doch er machte seine Rechnung ohne die deutschen Behörden, die zu einem großen Teil selbst noch aus NSDAP-Mitgliedern bestanden: ihm wurde die juristische Tätigkeit erheblich erschwert. Zum Beispiel gaben die deutschen Geheimdienste ihm keine Informationen zu den Aufenthaltsorten der Exil-Nazis und es verschwanden sogar Akten aus seinem eigenen Büro.
Eine weitere wichtige Straftverfolgung, die Bauer aufnehmen wollte, war die des Nazis Adolf Eichmann. Um ihn verurteilen zu können, musste er aber zuerst aufgefunden werden. Eichmann war maßgeblich an der Ermordung der über 6 Millionen Juden beteiligt, hatte sich aber nach Argentinien geflüchtet. Als Bauer den Hinweis bekam, dass sich Eichmann in Argentinien aufhält, wurde ihm Hilfe bei der Festnahme durch die deutschen Behörden verwehrt. Doch davon ließ sich Bauer nicht entmutigen: er wandte sich an den Mossad, den israelischen Geheimdienst, und bat um dessen Mithilfe. 1960 wurde Eichmann in Israel verurteilt .
Bauer war in der Justiz der deutschen Nachkriegszeit als Antifaschist ein Einzelkämpfer („In der Justiz lebe ich wie im Exil“). Ihm ist es jedoch zu verdanken, dass es zu den Prozessen gegen die Mörder von Auschwitz kam, womit er sich in der damaligen Gesellschaft sehr unbeliebt machte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, weiter zu machen. Er zeigt damit auch auf, wie ernst man es damals in Deutschland mit der „Denazifizierung“ meinte – nämlich gar nicht.

Tipp: Das politische Leben Fritz Bauers nach 1945 wurde in dem Spielfilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ festgehalten.

Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2018
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