Wessen Welt? (POSITION #02/16)

veröffentlicht am: 30 Mrz, 2016

Willkommenskultur 1

In Heidenau wird der Bürgerdialog gepflegt

Manch einer mag bei der erhöhten Schlagzahl rechter Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte inzwischen den Überblick verlieren. Immerhin entfielen auf das Jahr 2015 laut BKA 1.027 derartige Angriffe. Die Aufklärungsquote der Fälle schwerer Brandstiftung (222 Stück) lag bis November bei gerade mal 5 %. Die Gemeinde Heidenau im Freistaat Sachsen war im letzten Sommer eine der ersten, in der ankommende Flüchtlinge durch rassistische Beleidigungen und Beschimpfungen „begrüßt“ wurden. Als sichtbaren Ausdruck der Gegenwehr einiger Heidenauer wurde daraufhin vor der Unterkunft in großen Stahlbuchstaben das Wort „MITEINANDER“ installiert. Dieses Kunstobjekt wurde nun Opfer rechter Schmierereien und einheitlich schwarz, weiß, rot bemalt. Der Bürgermeister von Heidenau sah darin jedoch keinen Grund zur Beunruhigung, geschweige denn zu einer Anzeige: Die Installation sei schließlich dafür gedacht gewesen, den Dialog im Ort anzuregen. In Zeiten, in denen rechte Hassparolen als freie Meinungsäußerung verteidigt werden, dienen natürlich auch rechte Schmierereien auf Mahnmälern dem künstlerisch-sozialen Dialog. Eine geradezu bestechende Logik, der auch Bernd Merbitz folgt. Er ist Polizeipräsident in Leipzig und Leiter des „operativen Abwehrzentrums“, das immer dann ins Spiel kommt, wenn es sich um politisch motivierte Straftaten handelt. In seinem Bundesland stieg die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten 2015 im Vergleich zum Vorjahr um fast das dreifache von 182 auf 509. Es gab bisher 65 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen. Herr Merbitz kommentierte das mit den Worten „Bei der Integration von Flüchtlingen sind wir beispielhaft“, um gleich darauf auf die Gefahren durch die links-autonome Szene in Leipzig zu verweisen.

 

Frauenfeindlich

In der Türkei werden alte Traditionen wiederentdeckt

Der türkische Präsident Erdogan macht keinen Hehl daraus, wie er zu gewissen Fragen steht. Die Demonstrationen anlässlich des internationalen Frauenkampftags am 8. März ließ er kurzerhand verbieten. Um seiner Ansicht „Frauen haben in erster Linie Mutter zu sein“ Nachdruck zu verleihen, beschoss seine Polizei diejenigen Frauen, die sich dennoch versammelten, mit Tränengas und Gummigeschossen. Sie erhielten von den Polizisten die weisen Ratschläge, doch „nachhause zu gehen und ihre Männer kämpfen zu lassen“. Erdogans Frau hat nun, sicher nicht ohne Zustimmung ihres Mannes, nachgelegt und die Harems des Osmanischen Reiches als Schule des Lebens und Ort der Literatur und Kultur angepriesen. Ein Professor der Universität Istanbul kommentierte das mit den Worten: „Das einzige was im Osmanischen Reich des 16. Jhd. wohl nie in einen Harem gelangt ist, waren Bücher!“

 

Willkommenskultur 2

In Clausnitz arbeiten Bürger und Behörden Hand in Hand

Clausnitz: ein grölender Mob, der den Bus mit ankommenden Flüchtlingen blockiert, 30 Polizisten, die zwei Stunden nicht wissen, was sie tun sollen und dann nach der Aufforderung der Rechten: „Holt das Gesindel doch endlich raus da!“ einen Jungen im Polizeigriff vom Bus in die Unterkunft schleifen. Wie gut, dass es das Neutralitätsgebot für Polizeibeamte gibt, man käme ja sonst auf völlig falsche Gedanken. Im Bus zurück bleibt eine verängstigte, ältere Frau mit Kopftuch, und zwei jüngere, die weinend Halt aneinander suchen. Von außen ertönen „Wir-sind-das-Volk“-Rufe. Später beurteilen Vorgesetzte das harte Durchgreifen des Polizisten als völlig angemessen. Es wird spekuliert, woher nur die ganzen Leute wussten, dass die Flüchtlinge an diesem Tag ankommen. Mit dem Leiter der Flüchtlingsunterkunft, der AfD-Mitglied ist, hatte das Ganze sicher nichts zu tun.

 

Vorausschauend

In Syrien soll bald deutsch gesprochen werden

Für imperialistische Staaten empfiehlt es sich vielseitig zu sein. Dass es Deutschland gelungen ist, sich militärische Interventionen zur Sicherung von Einflusssphären, Absatzmärkten und Rohstoffen als Mittel zur Interessendurchsetzung zurück zu erobern, ist bestimmt nützlich. Es ist seitdem auch kaum ein Konflikt vergangen, an dem der deutsche Imperialismus unbeteiligt geblieben ist. Selbst in Syrien wird jetzt kräftig, auch militärisch, mitgemischt. Aber das Schöne am Kriegführen und dem Destabilisieren ganzer Regionen ist ja, dass sich daran nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach Geld verdienen lässt. Irgendwann wird jedes auch noch so sehr in die Steinzeit zurückgeschossene Land wieder in die Situation kommen, aufgebaut zu werden. Und wer wäre für solche Projekte besser geeignet als deutsche Unternehmen? Um diesem Plan bereits jetzt den Weg zu ebnen hat sich die Bundesregierung in Kooperation mit dem deutschen akademischen Auslandsdienst (DAAD) etwas einfallen lassen. Das Programm „Leadership for Syria“ vergibt Hochschulstipendien in einem Gesamtvolumen von rund 100 Mio. Euro an studierfähige Syrer. Der DAAD ist voll des Lobes über die Qualität syrischer Bildungsabschlüsse, die quasi von jetzt auf gleich ein deutsches Hochschulstudium ermöglichen. Wie praktisch das doch alles ist: Syrien wird als Land in einen Bürgerkrieg gestürzt, tausende Hochqualifizierte sehen sich zur Flucht gezwungen, diese pickt man sich wie Rosinen aus dem Strom der Flüchtlinge heraus, verpasst ihnen Stipendien und Unterricht in „Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Handlungskompetenzen“ und baut sich so die akademischen Netzwerke, um bei der Vergabe von Wiederaufbau-Aufträgen in der ersten Reihe zu stehen. So funktioniert imperialistische Außenpolitik.

 

Donald Trump

In den USA ist eine neue Werbefigur geboren

Eine seiner kruden Äußerungen jagt die nächste: Eine Mauer zwischen den USA und Mexiko – natürlich auf Kosten Mexikos. Politische Gegnerinnen, die er als hässlich und abstoßend diffamiert. Rückführung US-amerikanischer Arbeitsplätze aus dem Reich des Bösen. Doch was ist absurder: dieser Milliardär, der im US-Vorwahlkampf der Republikaner vorne liegt, oder die US-amerikanische Realität? Wenn das US-Militär weltweit Kriege führt, oder wenn Trump fordert, diese müssten endlich gewonnen werden? Wenn er es an Respekt für den farbigen Präsidenten fehlen lässt, oder wenn die rassistische Polizeigewalt 2015 wieder traurige Rekordwerte erreicht? Wenn Trump mit der Sehnsucht der Menschen nach einer heilen Welt spielt, oder wenn die Kluft zwischen Arm und Reich mit jedem Jahr zunimmt? Was ist verrückter: der kapitalistische Normalzustand, oder sein hässliches Spiegelbild in der Figur eines Donald Trump?

Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2016
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