Marxistischer Spickzettel (POSITION #01/16)

veröffentlicht am: 23 Jan, 2016

UNO
Warum es trotz Vereinten Nationen und Völkerrecht so kriegerisch zu geht

Die Welt wird immer gewaltsamer. Von Afghanistan und den Irak über Libyen, Syrien und die Ost-Ukraine folgt ein Krieg auf den anderen. Frieden ist auf Dauer nicht in Sicht. Vom Zeitungsreporter bis hin zum Sozialkundelehrer stehen die Menschen sprach- und erklärungslos vor diesen Entwicklungen. War die UNO (United Nations Organization, dt.: Vereinte Nationen) nicht gegründet worden, um das zu verhindern?
Ihr Gründungsprozess beginnt bereits während des 2. Weltkriegs. Getragen von den Alliierten, den USA, Großbritannien und der Sowjetunion sowie den übrigen Siegermächten kam es, nach einigen Beratungstreffen, etwa bei den Konferenzen in Teheran (Dez. 1943) und Jalta (Feb. 1945) am 24. Oktober 1945 zur offiziellen Gründung der Vereinten Nationen. Das selbsterklärte Ziel war es, weltweiten Frieden zu schaffen und zu erhalten. Dieser Vorsatz bewegte sich vom ersten Moment an in dem Widerspruch dazu, dass im entscheidenden Gremium, dem UN-Sicherheitsrat, mit den USA, Großbritannien und Frankreich die imperialistischen Hauptmächte der Welt saßen. Diese waren und sind im Zweifelsfall bereit, ihre Interessen auch mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen.
Mit der Gründung der UN war in der UN-Charta Folgendes festgelegt worden: das Selbstbestimmungsrecht der Völker (Art. 1) und ein allgemeines Gewaltverbot und damit verbunden das Verbot von Angriffskriegen (Art. 2). Allerdings wird im Sicherheitsrat entschieden, ob z. B. ein Kriegseinsatz durch das Völkerrecht legitimiert wird oder ob bestimmte Sanktionen verhängt werden. Dagegen sind die Beschlüsse der UN-Generalversammlung, in der fast alle Staaten der Erde vertreten sind, sehr unverbindlich. Die USA ignorieren beispielsweise seit Jahrzehnten mit großer Mehrheit verabschiedete Resolutionen, die sie zur Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen Kuba auffordern.
Bis 1990 hatte auch die sozialistische Sowjetunion einen Sitz im Sicherheitsrat. Allein zwischen 1946 und 1964 legte sie in 103 Fällen ein Veto im UN-Sicherheitsrat ein, um zu verhindern, dass imperialistische Interventionen und Aggressionen unter dem Vorwand des Völkerrechts vorbereitet, argumentativ begleitet oder real durchgeführt werden konnten. Das war eine wichtige Unterstützung für die von Kriegen bedrohten Völker der Welt und die sie unterstützenden Friedenskräfte, weil militärische Einsätze schlechter begründbar waren. Trotzdem hinderte das die imperialistischen Staaten natürlich nicht daran, im Interesse der mit ihnen verbundenen Monopol-Unternehmen Krieg zu führen – Völkerrecht hin oder her.
Den Vorwand das Völkerrecht zu verteidigen, haben die imperialistischen Staaten, und mit ihnen Deutschland, aktuell immer weniger nötig. Wo ihnen die UN nichts nützt, wird sie einfach ignoriert, wie beim Irakkrieg oder dem Syrienkonflikt. Mit der Konterrevolution 1989 und dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, ist der entscheidende, den Expansionsbestrebungen des Imperialismus Einhalt gebietende Faktor im Weltgeschehen weggebrochen. Wie viel die imperialistischen Staaten auf Einrichtungen wie die UN geben, wenn man sie nicht dazu zwingt, lässt sich an der stetig schnelleren Abfolge von Kriegen und Konflikten weltweit anschaulich ablesen. Zu deren Rechtfertigung wird dann auch mal die UN-Charta herangezogen, etwa Art. 51, der das Recht auf Selbstverteidigung nach einem Angriff beschreibt. Das ist das Endresultat der Institution UN, die vordergründig Frieden schaffen soll, es aber real nicht kann, weil diejenigen Mächte, die heutzutage für Frieden sorgen sollen, ein Interesse daran haben, Krieg zu führen. Daran hat damals wie heute auch das Völkerrecht nichts geändert.

Tatjana, Rostock

Dieser Artikel erschien in
POSITION #1/2016
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