Die Lehren des 8. Mai 1945

veröffentlicht am: 8 Mai, 2015

Seit siebzig Jahren hochaktuell

Jahrzehnte sprachen nur Antifaschisten am 8.Mai 1945 vom „Tag der Befreiung“. Die offizielle Lesart hieß „Kriegsende“, „Kapitulation“ oder sogar „Katastrophe“.

Wer jedoch den Begriff „Befreiung“ verleugnet, möchte die Fragen verdrängen, von was diese Gesellschaft befreit wurde und wer die Befreier waren. Befreit werden musste diese Gesellschaft von einem terroristischen System, das auf Kosten der eigenen Bevölkerung und – im Krieg – zulasten der Menschen in den okkupierten Ländern seine Ziele umsetzte. Dieser deutsche Faschismus kann nicht reduziert werden auf die Figur Hitler und einige seiner Komplizen, sondern er funktionierte, weil es im Interesse ökonomisch und politisch mächtiger Gruppen war, diese Figuren im Januar 1933 an die Macht zu bringen. Und diese Gruppen hatten Namen und Funktionen, wie sie 1935 Georgi Dimitroff in seiner Analyse genannt hatte:

Es waren die Generäle der Reichswehr, die schon 1926 die Wiederaufrüstung geplant hatten und für einen zweiten großen Krieg bereit standen.

Es waren die Vertreter der Schwerindustrie, Kohle- und Stahlmagnaten, denen Hitler bereits 1932 in seiner Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub die Durchsetzung ihrer Interessen angekündigt hatte.

Es waren die Vertreter der Banken, die sich nach den Einbrüchen in der Weltwirtschaftskrise durch die Rüstungskonjunktur große Gewinne erhofften.

Es waren die Vertreter des IG-Farben-Konzerns, die bis zum Schluss u.a durch die Zwangsarbeit im KZ Auschwitz-Monowitz Profit machten. All das war, kurz gesagt, die kapitalistische Basis der faschistischen Herrschaftsform.

Das Vernichtungslager Auschwitz erinnert aber auch daran, dass es die militärischen Einheiten der Anti-Hitler-Koalition, allen voran die sowjetischen Streitkräfte waren, die am 27. Januar 1945 das Lager Auschwitz und danach dieses Land von dem Terrorregime des Faschismus befreiten.

Zu dieser Koalition gehörten auch die Partisanen und illegalen Gruppen in den besetzten Ländern, einschließlich des, wenn auch kleinen, antifaschistischen Widerstands in Deutschland selbst.

Für alle Antifaschisten, für die Gefangenen in den Konzentrationslagern und anderen Haftstätten, für die Zwangsarbeiter und Deportierten war dieser 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung. Peter Gingold, Frankfurter Jude und kommunistischer Widerstandskämpfer in der französischen Résistance, bezeichnete diesen Tag in seinen Erinnerungen als „Morgenrot der Menschheit“.

Der 8. Mai erinnert bis heute daran, in welchem Interesse eine solche faschistische Herrschaft errichtet wurde und zu welchen Verbrechen dieses System fähig war. Gleichzeitig zeigt er auch, was das gemeinsame Handeln der Völker gegen einen als übermächtig erlebten Feind bewegen kann, insbesondere, wenn sich dieses Handeln auf die militärische Kraft eines sozialistischen Staates stützen kann, der mit Heroismus und unendlichen Opfern diese Befreiungstat voranbrachte.

Gerade heute in Zeiten neuer Kriege und erstarkender rechter Strukturen in Europa und der BRD ist antifaschistische Arbeit und antifaschistischer Widerstand ebenso wichtig wie elementar. Deshalb hat der 8.Mai nichts von seiner Aktualität verloren.

Dr. Ulrich Schneider

Dr. Ulrich Schneider ist Historiker, Generalsekretär der internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) sowie Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA )

 

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