Euro statt Kanonen

veröffentlicht am: 30 Mrz, 2015

Die Strategie des deutschen Imperialismus in Sachen EZB
Das wirksamste Mittel, das Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) bis letzten Januar zum Einsatz gebracht hatte, nannte er „die dicke Bertha“. Der Name stammt von einer Riesenkanone, mit der die deutschen Imperialisten im 1. Weltkrieg Paris sturmreif schießen wollten. Draghi weiß, was er sagt, Währung ist eine strategische Waffe: Mit ca. 1000 Milliarden Euro wurden 2012 die Angreifer geschlagen, die den Euro zum Platzen bringen wollten. Am 22. Januar hat die EZB im Währungskrieg wieder Artillerie in Stellung gebracht: Wieder soll mindestens 1 Billion Euro an EU-Banken ausgegeben werden, vor allem für den massiven Kauf von Staatsanleihen. In wessen Interesse?

Die Macht des Geldes
Die EZB koordiniert das System der Nationalbanken der EU-Länder. Hauptsächlich greift sie in die gemeinsame Währung Euro ein. Nach dem Grundsatz des Kapitalismus „Wer zahlt, schafft an“ sind es die BRD und Frankreich, die bei der EZB bestimmen, im Interesse der dort herrschenden Finanzoligarchen. Je nach den Hauptquellen ihres Reichtums haben diese durchaus verschiedene Einzelinteressen. Hier in Deutschland sind es maximal 100 Industrie- und Finanz-Konzerne, die letztlich die Politik bestimmen. Gemeinsames Interesse der Finanzoligarchen ist, ihre Macht nach innen und außen aufrecht zu erhalten, auch mit dem Euro und der EZB. Warum?

Alte Ziele, neue Mittel
Ohne eigene Währungshoheit ist die Herrschaft im Inneren wie nach außen nicht zu sichern. Der Euro ist das Mittel, auf das sich die deutschen „Eliten“, d.h. die Finanzoligarchen und ihr Hofstaat in Politik und Medien, geeinigt haben, um ihr altes Ziel zu erreichen: Die deutsche Vorherrschaft in Europa mit Frankreich als Juniorpartner, aber diesmal möglichst ohne den Einsatz militärischer Mittel. Allein ist die deutsche Finanzoligarchie zu schwach, um auf dem Weltmarkt gegen die USA anzutreten, die dort seit 1945 bestimmen. Die hochverschuldeten USA wurden aber wirtschaftlich schwächer. Und bei den deutschen „Eliten“ wurden die Stimmen lauter, mit Hilfe Frankreichs und dem Ausbau der EU die wirtschaftliche Überlegenheit der USA zu reduzieren. Angesichts des weltweiten militärischen Übergewichts der USA – sie geben bis heute mehr als das 10fache für Rüstung aus als Frankreich oder die BRD – versuchte man zunächst die Abkoppelung vom Dollar als Leitwährung. Denn eine Hochrüstung wie in den USA kann nur bezahlen, wer an der Quelle des Geldes sitzt, also eine eigene Währung hat, die von einer von den USA unabhängigen Zentralbank „gedruckt“ wird.

Schritt für Schritt
Für sein strategisches Ziel, Europa zu unterwerfen, setzte der deutsche Imperialismus die EZB in drei Schritten ein, nachdem sich die Teilnehmerstaaten im stabilen Euro zu günstigen Zinsen hoch verschuldet hatten.
1. „Griechenland-Rettung“ 2010: In der Krise ab 2007 wurde deutlich gemacht, dass die Euro-Staaten nicht für nationale Schulden haften. Die Zinsen stiegen, am stärksten natürlich für die schwächsten Schuldner. Griechenland konnte die Zinsen nicht mehr stemmen. Damit gerieten auch deutsche, aber vor allem französische Großbanken in Gefahr. Die „Rettung“ machte Frankreich zum Juniorpartner des deutschen Imperialismus und Griechenland musste seine Unabhängigkeit an die Troika abgeben.
2. „Dicke Bertha“: Im nächsten Krisenabschnitt wurden nicht nur die schwächsten EU-Länder, sondern auch Italien, Spanien und Frankreich von den „Märkten“ angegriffen. Die „Märkte“, das sind hauptsächlich von US-Kapital dominierte Investoren aller Art, die ihre seit 1945 in Europa etablierten Interessen gefährdet sehen. Mit der Billion Euro der „dicken Bertha“-Aktion erhielten die Großbanken von Frankreich, Italien und Spanien ausreichend zinsgünstiges Geld, um die Staatsschuldscheine „ihrer“ Regierung zu niedrigen Zinsen zu kaufen. Diese Länder sind jetzt davon abhängig, dass die EU ihren Banken immer ausreichend billiges Geld für den Kauf ihrer Staatspapiere gibt. Nach den EU-Verträgen darf aber die EU eben nicht für die Schulden eines Mitgliedslands haften.
3. Deshalb wurde das Programm der EZB vom 22. Januar zum Aufkauf von Anleihen so konstruiert, dass Frau Merkel „ein Auge zudrücken“ konnte. Mario Draghi musste sich das Programm bei einem persönlichen Besuch bei ihr im Januar absegnen lassen. Damit haben die gegenüber der BRD schwächeren Euro-Länder die Hoheit über ihre Staatseinnahmen verloren.

Imperialistische Spannungen
Der Euro und die EZB sichern die Dominanz der BRD in Europa. Damit werden aber die bestehenden Widersprüche, in denen sich der deutsche Imperialismus befindet, verstärkt, was auch die oft undurchsichtige Haltung der Regierung Merkel erklärt: So nehmen einerseits die Spannungen mit den USA zu. Die US-Imperialisten versuchen, die EU mit politisch-militärischen Machtmitteln weiter zu dominieren; wie das Beispiel Ukraine zeigt. Auf der anderen Seite akzeptiert ein Großteil der „Eliten“ der EU- Länder, auch in Frankreich, die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus nicht. Sie sehen sich in den Wettbewerb um Lohnsenkung, Sozialabbau und Abbau demokratischer Rechte gezwungen, was den inneren Frieden in ihren Ländern und damit ihre Macht gefährdet. Innerhalb der BRD profitieren die kleineren und kleinsten Kapitalisten nicht vom Euro, sondern sehen ihr Geld durch das „Gelddrucken“ der EZB im Risiko, was zur Bildung neuer Parteien wie der AfD führt. Und auch die Arbeiterklasse in Deutschland nimmt auf Dauer die Unterordnung ihrer Gewerkschaften unter die Politik der rechten SPD-Führer, d.h. die Zusammenarbeit mit der Finanzoligarchie, nicht hin. Die im Vergleich zu den Konkurrenten niedrigen Stücklohnkosten, Folge von „Lohnzurückhaltung“, Niedriglohnsektor und Sozialabbau, sind aber die Basis für die wirtschaftliche Stärke des deutschen Imperialismus.

Von Stephan Müller
Stefan ist Wirtschaftswissenschaftler und schreibt u.a. für junge Welt, Theorie und Praxis, Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ).

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