Wessen Welt?

veröffentlicht am: 7 Jan, 2015

Killen statt Kultur Jugendförderung auf Militaristenart
Früh übt sich, wer Soldat sein will. Das dachte sich auch die Bundeswehr in Vorpommern-Greifswald und druckte die Werbung für ihren Internet-Auftritt auf die Rückseite sämtlicher Schüler-Busfahrkarten ab der 6. Klasse. Unterstützt von den politisch Verantwortlichen des Landkreises, die damit Kosten sparen wollten: die Bundeswehr darf werben und bezahlt dafür den Ticketdruck. Nach bekannt werden der Werbeoffensive gab es einen Sturm der Entrüstung bei den Eltern, die unter anderem den Straftatbestand der Gewaltverherrlichung erfüllt sahen. Die beworbene Internetseite zeigt nämlich nicht nur Einladungen zu „Fun- und Actioncamps“. Sie bietet auch technische Details zur Fliegerfaust oder der „Panzerhaubitze 2000“, die man sich samt adrettem Soldaten als Poster ausdrucken kann. Auch wenn die Bundeswehr abwiegelte und betonte, bereits Schüler hätten die nötige Mündigkeit zur Nachwuchswerbung, setzten sich die Eltern durch und es wurden neue Fahrkarten gedruckt. Dass es auch ganz anders geht zeigte indes der Nachbarlandkreis. Dort druckte man statt Bundeswehrlogos lieber Werbung für das örtliche Theater auf die Tickets. Wie lange es dieses Theater in einer von ständigen Kürzungen bedrohten Gegend noch gibt, wo doch der Werbeetat der Bundeswehr 2015 um 18 % auf dann 35, 3 Millionen Euro aufgestockt werden soll, bleibt abzuwarten.

Immer nur Notwehr Gott segne die Hintertürchen und natürlich Amerika
In den USA können Polizisten farbige Jugendliche erschießen, ohne sich vor einem Gericht verantworten zu müssen. Der Fall des Michael Brown, der im Sommer von einem Polizisten mit sechs Schüssen in der Kleinstadt Ferguson niedergestreckt worden war, sorgte erneut für Schlagzeilen, als die Grand Jury in St. Louis verkündete, aus Mangel an Beweisen keine Anklage gegen den Todesschützen zu erheben. Beachtenswert: Eine Grand Jury ist kein Geschworenengericht. Sie ist nur der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft, die völlig autonom über die Zusammenstellung dieser Jury entscheiden kann. Diese sichtet dann hinter verschlossenen Türen die Beweise und entscheidet über eine Anklageerhebung. Im Jahr 2010 wurde von 162.000 Entscheidungen der Grand Jury zur Prozesseröffnung nur bei 11 Fällen dem Willen der Staatsanwaltschaft widersprochen, dabei ging es fast immer um Ermittlungen wegen Polizeigewalt. Das Rechtskonstrukt „Grand Jury“ erlaubt es der Staatsanwaltschaft also, vor laufender Kamera vehement einen Prozess zu fordern, ohne das es je zur Anklageerhebung kommt. Früher war die Justiz in den USA wenigstens noch so offen rassistisch, dass sie derartige Urteile und Freisprüche für Mörder und Totschläger bei öffentlichen Prozessen verkündete. Heutzutage wählt man den Weg durch die juristische Hintertür. Der Political Correctness wegen.

Nirgendwo in Mexiko Rätsel um verschwundene Studenten gelöst
Bei uns kann es manchmal unbequem sein, eine von der herrschenden Meinung abweichende Position zu vertreten. Dass es im Kapitalismus immer auch noch schlimmer geht als nur „unbequem“ zeigt aktuell ein Blick über den Atlantik nach Mexiko. Einige Wochen lang galten dort 43 Studenten als vermisst. Wie sich schließlich herausstellte waren sie von Polizisten der örtlichen Polizeibehörde in der Stadt Iguola zuerst verhaftet, dann verschleppt und zum Schluss Angehörigen einer kriminellen Vereinigung übergeben worden. Mitglieder dieser Organisation gestanden nun, die Studenten auf Anweisung des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt getötet zu haben. Diesen störte die Möglichkeit, die Studenten könnten lautstark gegen eine geplante, öffentliche Rede seiner Frau protestieren. Also unterband er potenzielle Unmutsbekundungen bereits im Vorfeld rigoros durch Entführung, Mord und Totschlag. Der leitende Generalstaatsanwalt in diesem Fall verhinderte einige Wochen später kritische Nachfragen zum Stand der Ermittlungen derweil mit den Worten: „Genug jetzt, ich bin müde!“

Weihnachten im Dunkeln Stromsperren nehmen zu
Weihnachten, Winterzeit, dass bedeutet hell erleuchtete Fenster, bunte Lichterketten, leckeres Essen auf dem Elektroherd. Es sei denn, man ist arm, lebt im Kapitalismus und war nicht in der Lage, seine Stromrechnung zu bezahlen. Dann wird man schnell zu einem der 7 Millionen „Problemfälle“ auf der Liste der bundesdeutschen Energieversorger, die zwar selbst Milliarden scheffeln, aber laut einem Bericht der Ostseezeitung immer häufiger Privatkunden den Strom abstellen. An sieben Mio. Haushalte wurden 2013 Mahnungen mit der entsprechenden Androhung verschickt, für 345.000 von ihnen wurde die Stromsperrung bittere, dunkle und kalte Realität. Die Zeitung hat auch einen Rat für von der Stromsperrung Bedrohte zur Hand: das Geld für die Energielieferanten gleich vom Arbeitsamt überweisen lassen. Wer weiß, was die Leistungsempfänger sonst für Schindluder damit treiben. Essen, Winterkleidung oder gar Weihnachtsgeschenke für die Kinder? Wer es sich nicht leisten kann, muss von so etwas eben die Finger lassen, sonst sitzt er bald im Dunkeln da.

Pressefreiheit Im Interesse eines Unternehmers
Pressefreiheit heißt in Deutschland ungefähr, jeder darf alles sagen. Dabei ist es natürlich ein Unterschied, ob man ein millionenschwerer Medienunternehmer oder Freizeit-Bloggerin in Wanne-Eickel ist. Aber solange man niemanden schwer beleidigt, Staatsgeheimnisse ausplaudert oder ähnliches, darf man frei sprechen. Auch und gerade weil es kaum jemanden interessiert. Etwas anderes war das beim Redaktionsleiter eines Anzeigenblattes der Ippen-Verlagsgruppe. Er hatte über eine DGB-Kundgebung zum 1. Mai berichtet. Auf einem der Fotos war auch ein Ver.di-Transparent („Mindestlohn – auch für Zeitungszusteller“) zu sehen. Der Redakteur wurde fristlos gekündigt. „Grob illoyales Verhalten“ ist die Begründung des Ippen-Anwalts. Die Pressefreiheit endet eben da, wo sie für die unternehmerische Freiheit zum Problem wird. Verleger Ippen beschäftigt nämlich Zeitungszusteller für weniger als den Mindestlohn und will, dass das so bleibt.

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