Kampf um Betriebsrat

veröffentlicht am: 13 Nov, 2014

In einem hessischen Kleinbetrieb versuchen die Chefs Alles, um die Wahl einer Interessenvertretung zu sabotieren. Robin aus Frankfurt berichtet, wie es dazu kam:
„Um es gleich am Anfang zu sagen: Die Arbeit im IT-Bereich ist kein Zuckerschlecken. Aber wenn man dazu noch in einem gewerkschaftlich nicht organisierten Unternehmen arbeitet, wird es ganz schnell ganz finster. In meinem Betrieb bin ich nun seit fast einem Jahr. Über Zeitarbeit kam ich dorthin. Der Betrieb verkauft Internet und Telefonleitungen von großen Anbietern wie der Telekom oder Vodafon weiter an Dritte. Es ist kein sehr großer Betrieb, etwa 30 Mitarbeiter an dem Standort, wo ich arbeite. Unter den KollegInnen sind wir uns alle einig: Einige Ding laufen gehörig schief. Ich persönlich finde das System mit Leiharbeit und Befristung mies. Eine der wichtigsten Forderungen, in der sich alle Mitarbeiter einig sind, ist die nach mehr Personal.
Die KollegInnen wissen: in anderen Betrieben gibt es einen Betriebsrat. Der Betriebsrat ist das zentrale Sprachrohr aller Arbeiterinnen und Arbeiter in einem Betrieb. Auch bei Sorgen und Problemen ist er die richtige Anlaufstelle. Irgendwann hat es uns gereicht und ein Kollege sagte: „Wir machen das jetzt. Wir wählen einen Betriebsrat und basta.“ Nach ein paar Wochen hatte sich schon eine kleine „Verschwörergemeinde“ zusammengefunden. Ein Kollege hat dazu Andere angesprochen, von denen er sich vorstellen konnte, dass sie mit machen und so weiter. Das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, nach Geheimnistuerei, und nicht nach offenem Eintreten für die Belange der Kolleginnen und Kollegen. Doch bis man zum Betriebsrat gewählt ist, bis die Wahl wirklich stattgefunden hat, ist man ja durch kein Gesetz geschützt. Deshalb passiert es nicht selten, dass KollegInnen, wenn bekannt wird, dass sie einen Betriebsrat gründen wollen, unter irgendwelchen Vorwänden gekündigt wird. Viele KollegInnen sind in ver.di eingetreten, zum Schutz, und weil es viel besser ist, so etwas nicht alleine durchzukämpfen. Ich war bereits Mitglied. Die Gewerkschaft hat uns sehr geholfen. Sie hat uns die Rechte eines Betriebsrats erklärt und erläutert wie man eine Wahl durchführt. Als der große Tag kam, an dem die Nachtschicht den Aushang für die Wahl des Wahlvorstands aufhängen sollte, um dann eine reguläre Betriebsratswahl einzuleiten, kam der erste große Hammer: Der Kollege, der sich von Anfang an für die Wahl stark gemacht hatte, der alle davon überzeugt hat, dass die Wahl einer Interessenvertretung unser gutes Recht ist und dass wir uns nicht einschüchtern lassen dürfen, wurde ohne Angabe von Gründen gekündigt. Es war völlig klar, dass die Geschäftsleitung ihn nur aus dem Betrieb entfernen wollte, weil er als „Rädelsführer“ und „Unruhestifter“ galt. Der Kollege selbst wurde von der Gewerkschaft betreut und klagt aktuell vor dem Arbeitsgericht auf Wiedereinstellung. Aber die Lage war natürlich auch darüber hinaus sehr kritisch. Man fragt sich: Wie reagieren die Kollegen jetzt? Lassen sie sich einschüchtern? Erst waren alle geschockt. Viele verängstigt, aber andere dadurch noch entschlossener. Am Freitag den 17.10. fand die Wahl zur Wahlleitung statt. Ein komisches Gefühl hatten wir schon, als die Geschäftsleitung darauf bestand, die Wahl in ihren Geschäftsräumen, und nicht im Gewerkschaftshaus stattfinden zu lassen. Das kann sie rein rechtlich verlangen. Am Anfang war noch alles in Ordnung. Die Geschäftsleitung saß da, und die höheren Angestellten und unsere Teamleiter. Sie haben sich ruhig angehört, was der Kollege von ver.di alles über die Aufgaben und die Wahl eines Betriebsrates erzählte. Und dann haben sie nach allen Regeln der Kunst unsere Wahlveranstaltung auseinander genommen. Die einen sind aufgestanden und haben mit irgendwelchen Paragraphen alles in Frage gestellt, was der ver.di-Kollege ausgeführt hatte. Er würde sich angeblich nur auf Einzelfälle und Beispiele berufen. Die anderen kamen über die freundschaftliche Schiene: den Betrieb gäbe es schließlich schon seit 15 Jahren und nie habe man einen Betriebsrat gebraucht. Immer hätten die Probleme der Mitarbeiter in einem offenen und ehrlichen Dialog gelöst werden können. Und die dritte Fraktion der Geschäftsleitung und ihrer Helfer trat aggressiv auf. Einer unterstellte, die gewählten Betriebsratsmitglieder würden über ihrer BR-Tätigkeit ihre eigentliche Arbeit vernachlässigen, die dann die anderen KollegInnen auffangen müssten. Das war natürlich besonders mies. Die meisten KollegInnen wollten ja einen Betriebsrat, weil ihnen die ständige, hohe Arbeitsbelastung einfach zu viel wurde! Die Leute von der Geschäftsleitung wurden immer aggressiver und fragten : „Wer will denn jetzt einen Betriebsrat haben? Die Leute sollen doch mal aufstehen und sich melden!“ All das war natürlich extrem einschüchternd. Das Ergebnis der Wahl war dementsprechend ernüchternd: von 30 KollegInnen stimmten 9 für einen Wahlvorstand, was keine ausreichende Mehrheit ist. Ver.di will jetzt vor Gericht gehen, um die Einsetzung eines Wahlvorstandes zu erstreiten. Es ist gut, dass es noch nicht vorbei und noch nicht alles verloren ist. Insgesamt hat sich aber gezeigt: auch wenn ein Betrieb nicht riesig und die Belegschaft nicht gut organisiert ist, kann man zusammenstehen und für seine Rechte kämpfen. Aber man muss sich darauf einstellen, dass auch die Gegenseite das mit dem Kämpfen wörtlich nimmt. Eine Genossin hat mich kurz nach der verlorenen Abstimmung gefragt, wie es mir geht. Was soll ich dazu sagen? Das ist eben offener Klassenkampf. Ich nehme aus den letzten Wochen zwei Dinge mit: Dass der Unternehmer mit allen Mitteln versucht die Organisation der Arbeiterklasse zu verhindern und dass trotz aller Rückschläge die Solidarität unsere stärkste Waffe ist.“

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