Was nicht passt, wird passend gemacht

veröffentlicht am: 10 Jan, 2013
VfL Wolfsburg - Besiktas Istanbul (0:0), 21.10.09

(Foto: funky1opti, CC)

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und das „sichere Stadionerlebnis“

Der Platzsturm einiger mit schlechtem Zeitgefühl ausgestatteter Fans im Relegationsspiel Düsseldorf gegen Hertha im letzten Sommer und die darauffolgende mediale Hetzjagd auf Fußballfans, vor allem Ultras („Talibans der Fans“) haben mittlerweile Folgen gezeigt. Obwohl bei dem Spiel niemand außer dem Elfmeterpunkt zu Schaden kam und es auf jeder Kirmes mehr Verletzte gibt, forderte Innenminister Friedrich vor Monaten, Vereine, Ministerium und Polizei müssten enger zusammenarbeiten (vgl. POSITION #4/2012).

Dabei kam raus: Stadionverbote von bis zu 10 (!) Jahren sind jetzt möglich. Friedrich will sich als Hardliner profilieren, wo er und seine Behörde beim NSU-Skandal über Jahre weggeschaut haben. Nun steht den Vereinen ein Papier ins Haus, in dem die DFL versucht, das angebliche Fanproblem auf ihre Weise zu lösen: Geplant sind u.a. Ganzkörperkontrollen mit Auskleiden vor dem Stadiongang und die Reduzierung von Kartenkontingenten bei Auswärtsspielen, sollten Verstöße registriert werden. Fans laufen Sturm und haben bewirkt, dass sich die Vereine für eine Überarbeitung des Papiers „sicheres Stadionerlebnis“ aussprechen. Bei der Erarbeitung des Entwurfs blieb man aber lieber in kleiner Runde – Fanvertreter und Fanprojekte mussten draußen bleiben.

Die Bayern haben das Konzept vor dem Spiel gegen Frankfurt ausprobiert: Auswärtsfans wurden Ganzkörperuntersuchung unterzogen: Man fand 20 Messer, 2 Schlagstöcke, 1 Schlagring, 1 Sturmhaube, Pfefferspray und Kokain – allerdings während einer PKW-Kontrolle auf der Autobahn. Die DFL behauptet, es gäbe keine Alternative: Man laufe Gefahr, „dass entsprechende Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip von der Politik selbst ohne Einbeziehung von DFL und DFB festgelegt werden.“ – Es scheint aber, als würden die Fußballgranden die Chance nutzen, aufzuräumen und den Pöbel aus dem Stadion zu schmeißen.

Die Situation in England ist mahnendes Beispiel und zugleich Wegweiser, wohin die Entwicklung gehen könnte: Auch wenn alle Akteure bisher beteuern, am Stadionerlebnis in Deutschland mitsamt Stehplätzen festhalten zu wollen, drohen „All-Seater“, reine Sitzplatzstadien. Es ist längst nicht klar, ob es weiterhin bezahlbare Karten für jedermann/frau, dichtes Stehen und Schimpfen auf den Rängen und die Fankultur der letzten Jahre in der Form weiterhin geben wird. Nach einiger Kritik von Fans und Vereinen hat die DFL angekündigt, den Vorschlag zum Sicherheitspapier noch einmal überarbeiten zu wollen. Vielleicht hat der Widerstand etwas gebracht und endlich werden auch die Fans in die Ausarbeitung miteinbezogen. Der Kampf um das Fußballerlebnis, wie wir es kennen, geht in die nächste Runde – um Sicherheit scheint es der DFL dabei höchstens zweitrangig zu gehen.

Moritz, Bochum

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