Stadtentwicklung im Kapitalismus

veröffentlicht am: 21 Mrz, 2011

Die Mieten werden immer teuer. Stadtteile werden „aufgewertet“ und ein Großteil der bisherigen Bevölkerung in Randbezirke verdrängt. Unvermeidbar oder politisches Kalkül?

Wir haben nichts dagegen, wenn in unserer Nachbarschaft Parks entstehen, Kulturräume geschaffen werden, unsere Wohnungen modern sind oder allgemein unsere Wohngegend aufgewertet wird. Im Gegenteil, wir wollen, dass alle, überall gut leben können. Doch wie das im Kapitalismus häufig so ist, steht unserem Interesse das Profitinteresse der Kapitalisten entgegen. Auch die Aufwertung von Wohngegenden soll Profit abwerfen – und wir sollen dafür zahlen.

Kapitalistische Stadtpolitik

Während es in den 50er und 60er Jahren noch zum wohlfahrtsstaatlichen Antlitz der Politik gehörte, „eine Stadt für Alle“ zu schaffen und sozialen Wohnungsbau voranzutreiben, wandelte sich dies Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts: weg von der wohlfahrtsstaatlichen, hin zur unternehmerischen Stadtpolitik. Nach dem Ende des Wirtschaftswunders hat der Kapitalismus mit seinen zyklischen Krisen und der daraus folgenden wachsenden Erwerbslosigkeit wieder sein wahres Gesicht gezeigt. Die Ausgaben der Städte und Kommunen für Arbeitslosengeld und andere Sozialausgaben wuchsen in die Höhe. Städte und Regionen traten infolgedessen zunehmend in Konkurrenz zueinander, um mögliche Investitionen und Unternehmensansiedlungen, also um neue Einnahmequellen.

Seit Mitte der 70er Jahren kommt dann auch noch eine chronische Krise der Überakkumulation von Kapital hinzu – die Kapitalisten haben also mehr Kapital, als sie es in der Produktion überhaupt noch profitbringend investieren könnten. Dies führt dazu, dass immer mehr Kapital in spekulative Anlagemöglichkeiten fließt – so auch in Immobilienspekulation, also dem „Wetten“ auf dem Markt für (Bau-)Grundstücke und Wohnraum.
Und so kommt Eins zum Anderen: eine Stadtpolitik, die Einnahmequellen sucht, und Kapitalisten, die Anlagemöglichkeiten suchen. Sozialer Wohnungsbau wird immer mehr zurückgefahren, dafür städtische Grundstücke an Investoren verkauft. Die Kommunen wollen ihr Image als Investitionsstandort erhöhen, reiche Leute als Steuerzahler anlocken oder attraktiv für Touristen oder Großevents werden. Stadtpolitik wird nicht an den Bedürfnissen der BewohnerInnen ausgerichtet, sondern an den Profitmöglichkeiten.

Stadtpolitik und Wirtschaftskrise

Die Kommunen stehen damit in Konkurrenz zueinander, und dies spitzt sich in der Wirtschaftskrise weiter zu – natürlich auf unsere Kosten. Durch die Subvention der Profite der Banken und Konzerne – wie durch das 50 Milliarden Euro schwere „Rettungspakt“ – verschuldet sich der Staat in der Krise. Durch die allgemeine Verschuldung des Bundes wird auch der Druck auf die Länder und letztendlich die Kommunen immer größer. Kosten werden auf sie abgewälzt, Förderungen zusammengestrichen. Um aus diesem Unterfinanzierungsdesaster zu entkommen, werden kommunale Haushalte immer mehr und in allen Bereichen profitorientiert geführt. Verstärkt werden diese Prozesse auch durch die Massenarbeitslosigkeit. Die Steuereinnahmen der Kommunen sinken und die Ausgaben steigen. Die Bevölkerungsversorgung rückt immer weiter in den Hintergrund. Im Interesse des „besten Standortes“ für Unternehmen wird die Gewerbesteuer gesenkt, neue Betriebe werden stark subventioniert, profitable Bereiche werden privatisiert. Nach der gleichen Logik werden unrentable Bereiche wie der soziale Wohnungsbau oder die Jugendarbeit gestrichen.

Staat als Instrument der Herrschenden

Um Investoren anzulocken schaffen die Kommunen Anlagemöglichkeiten für sie. Ein Beispiel sind Anschubfinanzierung in Form von Sanierungsgebieten. Der Staat zahlt den Investoren einen Bonus, was natürlich auf unsere Kosten geht und die Profite der Immobilieneigentümer maximierten soll. Verbunden mit dem Einstampfen des sozialen Wohnungsbaus, der Privatisierung von kommunalem Wohnungseigentum führt dies zu steigenden Mieten. Mit den Mieten verändert sich die soziale Struktur, und Leute mit mehr Geld ziehen ein. MigrantInnen, ArbeiterInnen, ALG II-EmpfängerInnen werden dabei in Randbezirke verdrängt, wo die Mieten noch niedriger sind. Die Kommunen profitieren dabei, da sie Grundstücke oder Immobilien verkauft haben, und bei reicheren BewohnerInnen nun auf mehr Steuereinnahmen hoffen. Vor allem aber profitieren die Banken und Investorengruppen. Die Einen indem sie Darlehen während der Bauphase gewähren, die anderen, indem sie Eigentum von Kommunen oder Einzelpersonen aufgekauft haben und nun auf Gewinne durch die Mieteinnahmen spekulieren. Nicht zuletzt profitiert natürlich die Bauwirtschaft.

Hieran sieht man, dass Verdrängungsprozesse im Zuge von sogenannten Aufwertungen von Stadtteilen („Gentrifizierung“) keine ungewollten Nebeneffekte sind. Sie sind politisch kalkuliert, gewollt und werden eben auch politisch gefördert.

Widerstand

Projekte wie „Stuttgart 21“ zeigen, wie wir Gegenwehr aufbauen können. Der Widerstand gegen die unsoziale Umgestaltung der Kommunen ist Klassenkampf. Wir müssen in diesen Auseinandersetzungen die unvereinbaren Interessen zwischen den Banken, Investoren und Konzernen mit ihren Politikern auf der einen Seite und uns – der Arbeiterklasse – auf der anderen Seite aufzeigen.

Sven, Berlin

Dieser Artikel erschien in POSITION – Magazin der SDAJ #1/2011.

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