Keine Nazilehrer – viele KiTa-Plätze

Die DDR war mehr als Mauer und Stasi – zum Beispiel niedrige Mieten und Unterstützung für Revolutionäre aus anderen Ländern. Zum Beispiel gute Schulen und Einsatz für den Frieden. Und so weiter.


„Die drüben waren weiter zurück.“

In ihrem Buch „Die DDR und ihre Töchter“ beschreibt die Journalistin Claudia Wangerin (38), wie es um die Gleichberechtigung der Frau in der DDR stand.

„In der DDR waren viele Probleme gesamtgesellschaftlich gelöst oder zumindest angegangen worden, für die westdeutsche Frauen individuelle Lösungen finden mussten. Dort galt nicht die Quote, sondern die gesicherte Kinderbetreuung als entscheidend, um die Benachteiligung von Frauen im Arbeitsleben zu verhindern. ‚Die Westfrauen waren der Meinung, sie müssten uns armen Ostfrauen erklären, wie es richtig laufen sollte. Die wollten uns dabei helfen, unsere Freiheit durchzusetzen’, so die Schauspielerin Walfriede Schmitt. ‚Nur leider waren die drüben viel weiter zurück als wir. Selbst die Abtreibung war im Westen ja noch halbwegs illegal.’ Für die Frauen in der DDR war vieles selbstverständlicher. Vor allem das eigene Arbeitseinkommen – und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Während der Arbeit an diesem Buch und in den Gesprächen mit Frauen, die einen Teil ihres Lebens in der DDR verbracht haben, ist mir wieder einmal klar geworden, wie sehr heute Existenzangst die Lebensgestaltung beeinflusst – gerade die von Frauen. Denn es gab da mal ein Land, in dem das nicht so war.“


„Elitenwechsel“ & „soziale Nähe“

Auch ein Historiker des akademischen Mainstreams kommt an den sozialen Errungenschaften der DDR nicht ganz vorbei.

„Während gesellschaftliche Führungsgruppen verdrängt und entmachtet wurden, förderte die SED-Führung vor allem die Nachkommen bislang marginalisierter Schichten […] Das Konzept sozialer Egalisierung schloss einen umfassenden Elitenwechsel ein […] Der Herausbildung der neuen ‚sozialistischen’ Gesellschaft dienten vor allem sozialpolitische Maßnahmen, mit denen das SED-Regime ihre Trägerschichten gezielt begünstigte. […] Die Alters- und Gesundheitsversorgung der ‚Werktätigen’ [nahm] einen hohen Stellenwert ein. […] Wichtige sozialpolitische Leistungen vergaben in der DDR Betriebe […] In den späten vierziger Jahren wurden zumindest in den großen staatlichen Betrieben […] Werkküchen, Kindertagesstätten, Nähstuben, Reparaturwerkstätten und Ambulatorien eingerichtet, um durch Leistungsanreize die Arbeitsproduktivität der Beschäftigten zu erhöhen. […] Im Rahmen der 1976 proklamierten ‚Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik’ wurde darüber hinaus die Grundversorgung subventioniert, so dass die Preise für Produkte wie Brot und Wohnraum niedrig blieben. […] [D]as Ausmaß der sozialen Ungleichheit [blieb] im Vergleich zu westlichen Staaten mit repräsentativen politischen Ordnungen und kapitalistischen Marktwirtschaften begrenzt. […] Auch wegen der geringen Distanz zwischen den Erwerbstätigen und ihren unmittelbaren Vorgesetzten, der schwach ausgeprägten Leistungsdifferenzierung und der fehlenden Konkurrenz um Arbeitsplätze in einer Gesellschaft mit Vollbeschäftigung vermittelten Betriebe ihren Belegschaften den – weithin geschätzten – Eindruck sozialer Nähe.“

Auszüge aus: Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR (=Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 76), München: Oldenbourg, 2005.


„Für uns war Deutschland nicht gespalten“

Robert Steigerwald (89) saß als Kommunist in der Bundesrepublik im Gefängnis – dann ging er in die DDR.

„Ich hatte schon 1950 acht Monate in U-Haft gesessen, weil ich an der Volksbefragung zur Wiederbewaffnung der BRD mitgearbeitet hatte. Dann, im September 1955, bin ich wieder verhaftet worden, das war noch vor dem Verbot der KPD. Der Vorwurf war Staatsgefährdung. Insgesamt habe ich im Adenauer-Deutschland fünf Jahre im Knast gesessen. Als ich wieder draußen war, wurde ich ins ZK der illegalen KPD gewählt, und die Partei holte mich in die DDR, damit ich nicht noch mal brummen musste. Dann habe ich meine Arbeit von dort gemacht, ich war im ZK verantwortlich für Theorie und Bildung. Wir haben von dort aus den Freiheitssender 904 gemacht, wir hatten ein illegales theoretisches Organ, ich selbst bin auch jedes Jahr mehrere Wochen von Berlin aus in die Bundesrepublik gefahren, um dort zu arbeiten. Wir haben immer für die Einheit Deutschlands gekämpft, für uns war Deutschland nicht gespalten. Das war staatsgefährdend, weil es gegen diese Bundesrepublik gerichtet war. Aber auch nach dem Verbot unserer Partei war für uns die DDR trotzdem die Fortsetzung eines einheitlichen Deutschlands. Die DDR war unser Staat, wir fühlten uns dort mehr zu Hause als in der BRD.“


Spion für den Frieden

Dieter Feuerstein (59) hat seit 1972 als Spion für die HVA, den Auslandsgeheimdienst der DDR, gearbeitet. 1990 wurde er verhaftet und saß vier Jahre im Gefängnis.

„Seit 1984 arbeitete ich als Ingenieur bei der Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm bei München in der Abteilung ‚Luftangriffssysteme’. Dort wurden unter anderem Kampfflugzeuge entwickelt und verbessert wie der Tornado – ein ausgesprochenes Angriffssystem. Ich hätte auch in das Unternehmen gehen können, das den Eurofighter, der in erster Linie zur Luftverteidigung vorgesehen war, entwickelte. Wo ich eingesetzt werden sollte, entschied die Leitung der HVA also nach militärpolitischen Überlegungen. Die Hauptgefahr für die DDR und die mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrags ging von der gegnerischen Angriffstechnologie aus. Die zielgerichtet betriebene Aufklärung gegnerischer Luftverteidigungssysteme hätte nur dann Sinn gemacht, wenn die Option eines Angriffs gegen westliche Staaten auch nur ansatzweise bestanden hätte. Da dies aber weder bei der DDR noch bei der Sowjetunion der Fall war, ergab sich die Entscheidung folgerichtig und logisch. Immer wieder werde ich, im Hinblick auf meine nachrichtendienstliche Arbeit, gefragt: ‚Hat es sich denn wenigstens gelohnt?’ Meine Antwort: ‚Ja – ein halbes Jahrhundert Frieden in Europa, das hat sich schon gelohnt.’“


Keine Nazilehrer mehr

Erika Baum (89) war schon vor der Gründung der DDR im neuen Bildungssystem tätig.

„Das Bildungswesen in der DDR war so, dass die Allgemeinheit der Schüler gebildeter war als sie das heute ist. Übrigens, unsere Lehrer waren auch besser. Aber nach 89 ist bei uns ein großer Teil der Lehrer rausgeflogen, weil diese Schule sie nicht mehr haben wollte. Die hatten Berufsverbot. Ich habe 1945 in Berlin begonnen, als Schulhelfer zu arbeiten. Nach dem Potsdamer Abkommen war es verboten, dass Nazilehrer unterrichten, und man musste aber trotzdem die Schule aufmachen. Da wurden Leute gesucht, und die ersten waren die Schulhelfer. Wir sind also vormittags in die Klasse gegangen und hatten nachmittags Fortbildung. Danach gab es die Neulehrer, die hatten eine kurze Ausbildung und später gab es dann auch die sehr guten Pädagogen, die in der DDR ausgebildet wurden. Wir haben auch den Unterrichtstag in der Produktion umgesetzt. Es gehörte zum Lehrplan, dass Schüler nicht Laubsägearbeiten oder Stricken lernen, sondern dass sie in Produktionsbetrieben bestimmte Einsichten gewonnen habe. Das gibt es heute nicht mehr. Die Konterrevolution hat sich also auch ungeheuer ausgewirkt auf die Breite der Bildung.“