Der Offene Brief an Ingo Kramer

veröffentlicht am: 10 Mai, 2016

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Lieber Ingo Kramer,

als Präsident der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), fürchtest du einen „Imageverlust für den Standort Deutschland“, weil durch die Bilder aus Heidenau, Clausnitz und Köln „der Eindruck, dass bei uns gegen Ausländer demonstriert“ wird entsteht. Sag mal, hakts? Der EINDRUCK? Es gab regelrechte Hetzjagden auf Asylsuchende und am 18.02., also kurz bevor du Angst um den deutschen Ruf bekommen hast, wurde ein Bus voller geflüchteter Frauen und Kinder in Clausnitz von einem rechten Mob gestoppt und die Insassen bedroht. Dich stören die Bilder, nicht der stärker werdende Rassismus in unserer Gesellschaft.
Denn die Hetze ist für dich ja gut nutzbar, z.B. um deinen „Fünf-Punkte-Plan“ durchzusetzen. Dabei packst du die alte „Das Boot ist voll“- Geschichte wieder aus und willst die Außengrenzen Europas besser „schützen“. Die gerade niedergerissenen Zäune sollen mit viel mehr Personal und viel mehr Geld noch viel höher aufgebaut werden. Innerhalb der EU müssen die Grenzen natürlich geöffnet bleiben, denn 60% der deutschen Exportgüter gehen ins EU-Ausland, da stören Grenzkontrollen nun mal.

Die wirtschaftlich nicht „verwertbaren“ Geflüchteten willst du schneller wieder abschieben. Der Rest soll schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden, eignet er sich doch optimal als Lohndrücker. Da kann man den – ohnehin schon viel zu niedrigen – Mindestlohn ruhig nochmal aushöhlen. „Wer langzeitarbeitslos, gering qualifiziert ist oder noch nie gearbeitet hat, sollte für zwölf Monate von der Mindestlohnpflicht ausgenommen werden.“ forderst du, als Geschäftsführer deines Familienunternehmens, der JHK-Group. Du nutzt also gezielt die Flüchtlingsthematik, um unsere erkämpften Rechte anzugreifen. Der „starre Acht-Stunden-Tag“ passt dir z.B. so gar nicht, die Leute sollen auch mal 12 Stunden am Stück arbeiten.

Deine geforderten Deutschkurse für Geflüchtete soll natürlich die „Politik“ organisieren und finanzieren. Die Industrie sei mit der Qualifizierung überfordert, meinst du. Wir sollen also für die Kosten aufkommen, nicht du oder andere Vermögende. Naja, und wer sich deinem Deutsch-Kurs verweigert, dem soll das Geld gekürzt werden. In der FDP bist du also gut aufgehoben.

Auch um deine Zeitarbeit-Phantasien auszuleben, nutzt du die rechten Ausschreitungen. Gewerkschaften fandest du – als mittelständischer Unternehmer – ja schon immer doof, Tarifverträge sowieso und mit Leiharbeit kann man diese ja bekanntlich ganz gut umgehen. Noch besser wenn das Langzeitarbeitslose oder „gering qualifizierte“ Geflüchtete sind, dann muss man denen nämlich nicht mal 8.50€ in der Stunde zahlen, nach deinem ausgefuchsten Plan. Deine Willkommenskultur besteht aus Rassismus und Angriffen auf ArbeiterInnenrechte, unsere Willkommenskultur heißt gemeinsam kämpfen – für Arbeitszeitverkürzung, Übernahme und mehr Lohn, unabhängig von Pass und Hautfarbe!

Tobi, Gießen

 

Der 5-Punkte-Plan des Arbeitgeberverbands BDA:
1. Verpflichtende Deutschkurse, mit Sanktionen
2. Dafür Schulbesuch über das 18. Lebensjahr hinaus ausdehnen
3. Zeitarbeitsgesetz ausbauen
4. schnellere Abschiebungen
5. EU-Grenzen durch FRONTEX personell und finanziell stärken

 

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2016
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